Lutz Heck

Berliner Zoodirektor Prof. Dr. Lutz Heck (1892-1983)

Lutz Heck: Der "Vater der Rominter Ure"

Einige Bemerkungen zum wissenschaftlichen Leiter des Berliner Zoos im Nationalsozialismus

Der Berliner Zoo feiert dieses Jahr sein 150jähriges Bestehen. Aus diesem Anlaß wird viel über seine Erfolge und seine Bedeutung räsoniert werden. Selbstverständlich verlangt ein solches [1]Jubiläum auch Absichtserklärungen über seine Unverzichtbarkeit als wissenschaftliche und kulturelle Institution in einer industriellen, von Entfremdung bestimmten Welt, besonders im Angesicht des drohenden ökologischen Kollapses. Zoos verstehen sich daher gern als eine Form des institutionalisierten Naturschutzes. Kritik begegnen sie entsprechend mit einem modern zugeschnittenen, "ökologisch" begründeten Selbstverständnis: Das "Tierparadies" von einst ist zur "Arche Noah" geworden! Die Feierlichkeiten böten allerdings auch den - längst überfälligen Anlaß, anhand eines verdrängten Kapitels Berliner Zoogeschichte das widersprüchliche Verhältnis von Tiergärtnerei und Naturschutz kritisch zu diskutieren. Bis heute gibt es keine umfassende Studie zur Geschichte der zoologischen Gärten im Dritten Reich. Die wenigen Darstellungen zum Berliner Zoo sind diesbezüglich völlig indifferent. [2]

In der Person des Berliner Zoodirektors Prof. Dr. Lutz Heck (1892-1983) treffen wir auf den Leiter der Obersten Naturschutzbehörde im Nationalsozialismus. [3] Seine Persönlichkeit war so schillernd, daß sie selbst Eingang in Michel Tourniers preisgekrönten Roman "Der Erlkönig" (1970) fand. Dort ist Lutz Heck der" Vater der Rominter Ure".[4] Bereits die zahlreichen Auszeichnungen, mit denen die Nazis Lutz Heck ehrten, machen deutlich, daß der Zoo nicht außerhalb der nationalsozialistischen Gesellschaft gestanden hat, sondern daß er bestimmte, an ihn gerichtete Erwartungen erfüllte. Zur Feier des Leibniz- Tages der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1940 wurde dem Zoodirektor die silberne LeibnizMedaille für seine "wissenschaftliche und volksbildende"[5] Tätigkeit überreicht. [6] Zwei Jahre zuvor hatte man ihm anläßlich des "Führergeburtstages" den Professorentitel verliehen. [7] Damit wurde nicht nur seine erfolgreiche Zuchtarbeit von Wisent, Auerochs und Wildpferd, sondern auch seine "politisch einwandfreie" Haltung gewürdigt. Lutz Heck war 1937 der NSDAP beigetreten. [8]

Auch Hecks Vater, der berühmte und zu dieser Zeit schon sehr betagte Ludwig Heck (1860-1951), der in seiner langen Amtszeit (1888-1931) den Berliner Zoo zu einem der bedeutendsten Tiergärten der Welt aufgebaut hatte, wurde geehrt. [9] Aus Anlaß seines 80. Geburtstages bedachte der "Führer" ihn mit der höchsten Kulturauszeichnung, die zu vergeben war[10]: Die Goethe- Medaille für Kunst und Wissenschaft. Und "Papa Heck", als der er auch über die Grenzen Berlins bekannt war und dessen Porträt in den 50er Jahren eine bundesdeutsche Sonderbriefmarke zierte, nahm die Auszeichnung nicht nur an, sondern bekannte sich offen in zahlreichen Schriften, besonders in seinen Kunstaufsätzen, zum Nationalsozialismus." [11] Darin pries er die Blut-und-Boden-Propaganda als eine der "besten Errungenschaften unseres Nationalsozialismus". [12]

In seiner Autobiographie "Heiter-ernste Lebensbeichte" bekannte er, lange bevor das Wort überhaupt erfunden war, sei er schon Nationalsozialist gewesen und hätte die nationalsozialistische Weltanschauung gepredigt.! [13] In den Worten des erzkonservativen und vor dem Nationalsozialismus "deutschnational"[14] gesinnten Zoodirektors, der die Weimarer Republik als Niedergang empfunden hatte[15, schwang sicherlich Begeisterung für den ältesten Sohn Lutz mit. (Der andere, jüngere Sohn, Heinz Heck, war Zoodirektor in München/Hellabrunn.) Lutz Heck ging nicht nur bei Reichsmarschall Hermann Göring ein und aus[16] und war auf dessen Jägerhof in der Rominter Schorfheide ein gern gesehener Gast. Heinrich Rubner schreibt in seiner "Deutschen Forstgeschichte 1933-1945" hierzu: "Die Beziehungen zum Großwildjäger Göring und seiner Frau wurden so herzlich, daß Heck persönlich die kleinen Löwen abholte, wenn sie für den Reichsjägermeister zu groß geworden waren und in den Zoo verbracht werden mußten." [17] Auch der Reichspropagandaminister Joseph Goebbels zählte zu den Gästen seines Hauses, wie aus einer Tagebuchnotiz Goebbels von 1937 zu ersehen ist. [18]Lutz Hecks Ernennung 1940 zum Leiter der Obersten Naturschutzbehörde im Reichsforstamt, das Göring unterstand, markierte wohl den Höhepunkt der Karriere eines Zoodirektors im Dritten Reich.

Nicht alle Nazis liebten Zoos. 1936 forderte neben anderen der schwedische Ornithologe und Schriftsteller Bengt Berg (1885-1967), der direkten Zugang zu Hitler gehabt haben soll, aus Gründen des Tierschutzes die Schließung aller deutschen Zoos. Der Leipziger Zoodirektor Karl- Max Schneider konterte mit einem Aufsatz über das "Daseinsrecht der Zoologischen Gärten" . [19] Es ist heute schwer einzuschätzen, wie gefährlich diese Forderungen nach Schließung der Zoos waren. Tatsächlich, schaut man insbesondere auf den Zoo der Reichshauptstadt, fanden radikale Zoogegner nur wenig Zustimmung. Im Gegenteil, Ministerpräsident Hermann Göring setzte sich für den Berliner Zoo ein. [20] Propagandistisch angelegt, kurz vor der offiziellen Eröffnung der Olympiade, wurde am 24. Juli 1936 die mit staatlichen Mitteln errichtete große Felsenfreianlage für Löwen eingeweiht. Bei der Aufschichtung der 12000 Zentner Sandstein hatten Soldaten der Wehrmacht geholfen. Aufgrund seiner guten Kontakte zum Ministerpräsidenten hatte Lutz Heck auch eine reich bemessene Geländeschenkung seitens des preußischen Staates ausgehandelt, die es dem Zoo ermöglichte, sich nach Norden zu erweitern. [21] Eine daran gebundene Konzession war der "Deutsche Zoo", der auf dem neuen Gelände entstand. Die neuen Tieranlagen ordneten sich nicht, wie vorher üblich, einer zoologischen Systematik, sondern einer "geographischen", d. h. hier, einer "nationalen", unter. Der ganze Bereich war als einheitliche "deutsche" Landschaft konzipiert. Ihren Mittelpunkt bildeten die Felsengehege für Bären und Wölfe, es gab große Gehege für Füchse, Wildkatzen und Luchse, ein Biber- und Fischotterbecken und Volieren für Auer- und Birkhühner. Auf einigen Gehegeschildern klebten kleine Hakenkreuze. [22]

Die Idee eines "Deutschen Zoos" war so neu nicht. Bereits der alte Heck hatte, damals finanziert von Kaiser Wilhelm II., eine "vaterländische Sammlung" angelegt, in der er Raubtiere, Eulen und Greifvögel aus "deutschen Landen" ausstellte. [23] Jedoch blieb sie über das ganze Zoogelände verstreut und lückenhaft, und der Zoo bewahrte trotz dieser Deutschtümelei sein bürgerlich-weltoffenes Gepräge. Durch die Betonung des Völkischen in der rustikalen Architektur der Tierhäuser, die bestimmten, als traditionell "deutsch" empfundenen Landschaften verpflichtet war, erhielt der "Deutsche Zoo" ein anderes Gesicht. Das niedersächsische Bauernhaus mit seinen großen Rinderställen - "Tieridyll , ‚Unter den Eichen' im Zoo" titelte eine Zeitung 1937 anläßlich seiner Eröffnung[24] - war propagandistisches Zeichen der Verbundenheit mit dem bäuerlichen Stand und der heimischen Scholle. Der Giebel würdigte in einem geschnitzten Spruchband die Sorge des "Führers" um den deutschen Bauern. Die Blut-und-Boden-Ideologie ist hier unübersehbar.

Die Betonung des "Norddeutschen" hatte ihre Tradition in der Heimatschutzbewegung der Jahrhundertwende. [25] Von Anbeginn hatte sie den Bauern zur Gegenfigur des von ihr bekämpften "undeutschen" Großstadtmenschen stilisiert. Sie erhob ihn zum Urtyp des völkischen Lebens. Die Stadt als Stützpfeiler der Industrie wurde zum "Schreckbild eines semitischinternationalen Molochs", der dem gesunden Bauernvolk die Lebensgrundlage entzieht. Der Schwerpunkt der Bewegung lag auf dem norddeutschen Gebiet, der Heimat der Friesen, Dittmarscher und Niedersachsen, wo sich der "germanisch-deutsche Rassegeist" angeblich noch am reinsten erhalten hatte. Über die an "Heimaten" gebundenen Menschen konstituierte der Faschismus die "Volksgemeinschaft", das "nationale Subjekt".[26] Der dazu notwendige Formierungsprozeß wurde als ideologischer Kampf aufgefaßt, der an allen Fronten zu führen war, so auch im Zoo. Daß der Zoo in die ideologische Auseinandersetzung einbezogen werden konnte, hatte sicherlich auch mit der neuen Bewertung der Biologie zu tun. [27] Sie war zum Kernstück der Volksbildung im Dritten Reich gemacht worden. Wie Botanische Gärten, Heimatmuseen, Zeitschriften und Filme erfüllte der Zoo die Aufgabe der "darstellenden Biologie" . [28] Als Schausammlung führte er das vielgestaltige Leben auf der Erde, vor allem aber in der "Heimat" in seiner Gesamtheit vor Augen und lehrte den Unsinn, es mit "deutschen Augen" zu sehen. Der "Deutsche Zoo" diente der Stärkung des Heimatgefühls und der patriotischen Volksgesinnung. Er war ein Bestandteil einer allgemeinen biologischen Volksaufklärung. So wird auch verständlich, daß Lutz Hecks "volksbildende" Tätigkeit, die die Nazis würdigten, sich nicht nur auf die Propagandazeitschriften wie "Freude am Leben - Bilderzeitschrift des Reichsbundes für Biologie"[29] oder "Das Schwarze Korps"[30] beschränkte, sondern bis auf die Mitarbeit am "Ahnenerbe" der SS erstreckte. [31] Das "Ahnenerbe" war die Forschungs- und Lehrgemeinschaft der SS[32] und hatte laut Satzung das Ziel, "Raum, Geist, Tat und Erbe des nordrassigen Indogermanenturns" zu erforschen und die Ergebnisse "lebendig zu gestalten und dem Volke zu vermitteln". Vorsitzender des Kuratoriums war Reichsführer SS und Reichskommissar Heinrich Himmler. Im Juni 1933, zu einem Zeitpunkt, als mit Ausnahme der NSDAP alle Parteien verboten wurden, war Lutz Heck zum "fördernden Mitglied der SS" (FM) geworden. [33] Der Eintritt in die Förderorganisation der SS gehörte zu den "harmlosen" Formen, der "nationalen Revolution" seinen Tribut zu zollen. Das "FM" verpflichtete sich zur monatlichen Leistung eines bestimmten, von ihm selbst festgelegten Geldbetrages, der durch den örtlich zuständigen SS-Sturm eingezogen wurde. Dafür durfte es sich das Abzeichen der Fördernden Mitglieder an das Revers stecken. [34 Nachdem schon sein Bruder Heinz 1938 für die Mitarbeit gewonnen worden war[35], bewarb Lutz Heck sich im gleichen Jahr erfolgreich ebenfalls für ein Stipendium am vom "Ahnenerbe" geleiteten Projekt" Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte". [36] 1943 überlegte er, um die Aufnahme in die SS zu bitten. Von einem überzeugten Nazi wie dem SS-Obersturmführer Prof. Dr. Eduard Paul Tratz, seinerzeit Leiter des "Hauses der Natur" in Salzburg und mehrfach Reisebegleiter Hecks in okkupierte Ostgebiete, in die Ukraine und die Krim - und auch ein Freund von Heinz Heck -, wäre dies auch "wärmsten(s) befürwortet"[37] worden, geschah dann aber aus heute nicht mehr zu ermittelnden Gründen doch nicht. Im übrigen ist hier anzumerken, daß die SS spätestens seit 1936 mit SS-Brigadeführer General Ewald von Massow auch einen Repräsentanten im Aktienverein des Zoos hatte. [38] Am Ende muß man feststellen, daß es nicht allein Hecks tiergärtnerisches und "volksbildendes" Wirken war, das die Nazis für ihn einnahm. In keinem geringen Maße war es seine Passion für Jagd und Hunde, die ihn für Leute wie Göring und die Jägerschaft interessant machte. Immerhin, gleich nach der Machtergreifung versäumte Lutz Heck es nicht, sein Buch "Der deutsche Edelhirsch" dem Reichsforst- und Reichsjägermeister Göring zu widmen - einem angeblich ganz großen Wildkenner -, "dessen Macht und Willen" das Reichsjagdgesetz von 1934 zu verdanken sei. [39]Mehr als alles andere hatte Lutz Heck sich aber als Tierzüchter und Naturschützer hervorgetan. Ihm und seinem Bruder Heinz gelang es, das in Deutschland ausgerottete Waldrind, den Wisent, zu züchten und es 1927 wieder im Schutzpark Springe bei Hannover auszusetzen. Es war aber vor allem er selbst, der, wie es der renommierte Tiergärtner Hediger bissig faßte, den "Rummel mit dem germanischen Urwild"[40] im Dritten Reich startete, an dem Nazis wie Göring so großen Gefallen fanden. In Verbindung mit dem Wisentzuchtgehege in der Schorfheide machte er den Berliner Zoo zu einer zentralen Zuchtstation für dieses Säugetier, das fortan, laut Hediger, nur von qualifizierten Deutschen betreut werden durfte. Im Auftrag Görings und der deutschen Jägerschaft reiste er nach Kanada, um Bisons für die Wisent- Verdrängungszucht zu kaufen. Bei dieser Gelegenheit versäumte er nicht, den dort lebenden "Landsmännem" die Errungenschaften der fernen Heimat nahe zubringen und "manches aufklärende Wort" über den Nationalsozialismus zu sagen. [41] Daß er sich selbst in Kanada nicht den "deutschen Gruß" völlig versagen mochte, ist in seinem Reisebericht von 1937 nachzulesen. [42]Ein weiteres Projekt des Zoos, die "Rückzüchtung" des ausgestorbenen Urrinds (Auerochsen) durch Kreuzung von Hausrindrassen, nahm ihn und seinen Bruder Heinz ganz besonders in Anspruch. Als ihnen das ihrer Meinung nach gelungen war, setzte Lutz Heck die urtümlichen Kolosse in das Reichsnaturschutzgebiet Rominten aus, weshalb er der "Vater der Rominter Ure" hieß. Nicht ohne Stolz schreibt er 1952, anerkannte Biologen wie Erwin Baur und Eugen Fischer - deren genetische Forschung die Eugenik mitbegründen half - wären von dem ganzen Zuchtprojekt "begeistert"[43] gewesen. Eugen Fischer saß im Aufsichtsrat des Aktienvereins des Zoos. [44] Aber als Heck diesen Satz zu Papier brachte, teilten nicht alle Zoologen mehr diesen Standpunkt: 1951 beschlossen der Verband Deutscher Zoodirektoren und Mitglieder der Internationalen Union der Direktoren Zoologischer Gärten auf ihrer alljährlichen Tagung in Rom, sogenannte Rückzüchtungen ausgestorbener Wildtierarten aus von ihnen abstammenden Haustieren, insbesondere Ur und Wildpferd, nicht zu begünstigen, da solches nach dem Stand der Forschung praktisch unmöglich sei, und statt dessen eine Hauptaufgabe in der Erhaltung im Aussterben begriffener Wildformen zu erblicken. [45] Obwohl heute Biologen die" verdienstvolle" und "unbestreitbar züchterische Leistung" der "Urmacher"[46] Heinz und Lutz Heck hervorheben, stellt sich trotzdem die Frage nach deren tiefer liegenden ideologischen Dimension, die die" Wiedererschafffung" eines ausgestorbenen Tieres, wie es das Ur war, ohne Zweifel hatte. Daß das "urgermanische" Zuchtprojekt in die ideologische Landschaft des Nationalsozialismus paßte, wird nicht bestritten. Nur warum wies es diese Affinität auf? Eine denkbare Erklärung ist, daß in der, dieser Zuchtarbeit unzweifelhaft zugrundeliegenden Ursprungssehnsucht[47], in dem romantischen und regressiven Wunsch nach dem Ursprung, ein möglicher Berührungspunkt zur nationalsozialistischen Ideologie gelegen hat. Bei diesem züchterischen Schöpfungsakt stand ja nicht so sehr das rational Zweckbestimmte[48], sondern das "Mythische", die Macht der Schöpfung, im Vordergrund. Es ging weniger um die Erhaltung von "lebendem Kulturgut", insbesondere alter Nutztierrassen, um die sich heutige Zoologen so intensiv kümmern, damit wichtiges Genmaterial nicht auf ewig für die Menschheit verloren geht, nein, es ging um den "Schöpfungsprozeß" an sich. In diesem Sinne jubelte Lutz Heck denn auch in einem Aufsatz über die Neuzüchtung "Der ausgestorbene Auerochse ist als deutsche Wildart im Dritten Reich wieder erstanden. " Die oftmals ekstatische Verehrung für den damals bis auf einige Dutzend Exemplare ausgerotteten Wisent, die in Bialowies, im einstmaligen polnischen Jagdrevier des Zaren, überlebt hatten, wird in diesem Zusammenhang verständlicher. Den Kult um das "germanische Wildrind" trug zweifellos völkisches Denken. Die Ursprünge der Verehrung reichen weit zurück. Doch erst das Kaiserreich stilisierte das Wildrind zu einer Art Symbol seines angeblich germanischen Ursprungs. Die Verehrung für den Wisent speiste sich zu einem guten Teil aus einer ostentativ industriefeindlichen, antiliberalen, regressiven Naturideologie. Das urtümliche Tier verkörperte auf seine Weise den Mythos des ungebrochenen Ursprungs, in dessen Tradition zu stehen, später auch die Nazis behaupteten. [49].

Die ersten Programme zur Rettung des vom völligen Aussterben bedrohten Säugetiers waren durchaus noch international angelegt gewesen. 1923 gründete sich auf deutsche und polnische Initiative die "Internationale Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents", in der beide Heck- Brüder eine wichtige Rolle spielten. Angeblich mit den "Erkenntnissen der modemen Vererbungslehre" und durch intensive Zucht gelang es, die Wisentpopulation anzuheben. Unter den neuen Machthabern, mit Unterstützung des Landwirtschaftsministeriums und vor allem des Reichsforstamtes, führte der Berliner Zoo ein ambitioniertes Zuchtprogramm durch und gründete verschiedene Wisentschutzreservate, unter anderen den für Touristen offenen Wisentschutzpark in der Schorfheide und das Reservat auf der Halbinsel Darß.

Der "Urwildpark" Schorfheide möge "bei vielen deutschen Volksgenossen die Liebe zur Heimat und ihren Geschöpfen erwecken und stärken "[50], wünschte sich Lutz Heck und wußte sich damit in Übereinstimmung mit Hermann Göring. Der träumte von durch die Heidelandschaft "brausenden"[51] Wisentherden und unterstützte Hecks Einbürgerungsversuche des Wildrinds in die heimische Flora als angewandten Naturschutz. Ein Denkmal aus gebrannter märkischer Erde, das auf der Vorderseite einen von dem Berliner Bildhauer Max Esser geschaffenen Wisentstier zeigte und auf dessen Rückseite u. a. die Worte zu lesen waren: "Im Jahre 1934 unter Reichsjägermeister Hermann Göring entstand an dieser Stelle ein Urwildgehege", sollte daran erinnern. Nach dem Überfall auf Polen bemächtigte sich Göring aus "Naturschutzgründen" sofort des Urwaldes von Bialowies, um nun, im nationalen Alleingang, seinen obersten Naturschützer die Ziele der Wisent-Gesellschaft fortsetzen zu lassen. Für Heck waren diese Ziele "von allergrößtem Wert für die erbbiologische Wissenschaft". [52] Mehr noch: Nur wenige Monate nach Beginn des Polenkrieges schrieb er im "Völkischen Beobachter" einen Aufsatz mit dem Titel "Neue Aufgaben des Naturschutzes. Nationalparks für GroßdeutscWand". [53] EiIigst setzte er sich auch für die Rettung der wenigen dort noch lebenden Biber vor dem Hunger deutscher Landser ein. [54] Sie sollten das Blut "deutscher" Biber auffrischen helfen und wiedereingebürgert werden. Wie sehr er den Einsatz des Reichsmarschalls für den Naturschutz schätzte, bezeugt sein euphorischer Artikel "Hermann Göring, der Schützer des deutschen Urwildes", den er diesem 1943 zum 50. Geburtstag verehrte: "Mit seiner einzigartigen Macht setzte sich der Reichsmarschall . . . warmherzig für deutschen Wald und deutsches Wild ein, und es ist gewiß nicht übertrieben, zu behaupten, daß noch eine spätere Zeit dies voller Dankbarkeit spüren wird. . . Im letzten Augenblick wurde eine scheinbar unabwendbare Verödung unserer Heimat verhindert, und dadurch hat der Reichsmarschall dem deutschen Volke zur Stärkung des Heimatgefühls unschätzbare Werte erhalten." [55] In seiner Funktion als Naturschützer verstand Heck den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion als Fortsetzung der "Landschaftspflege" mit anderen Mitteln und sah ihn in enger Verbindung zur nationalsozialistischen Siedlungspolitik im Osten. [56] So schrieb er: "Als zum Ausbau des Ostens der Reichsführer SS als Kommissar für die Festigung deutschen Volkstums eingesetzt wurde, hat er in großzügiger Weise nicht nur an ein Entstehen deutscher Dörfer und Städte gedacht, sondern auch an die Gestaltung der Landschaft, die zur neuen Heimat für viele Deutsche werden soll. Der Reichsführer SS sah mit scharfem Blick, daß die Wandlung des Landschaftsbildes die Grundlage für die Schaffung eines artgemäßen deutschen Ostraums bilde. Zur Einleitung dieser großzügigen Planung mit jeder Vollmacht für den Ostraum durch den Führer ausgestattet, nahm der Reichsführer SS Anlaß, sich zu gemeinsamer Arbeit mit dem Reichsforstmeister, als der Obersten Naturschutzbehörde, in Verbindung zu setzen, der laut Gesetz für den Schutz der Landschaft verantwortlich ist. . . Die Gestaltung der Landschaft als ein Ganzes wird als Mittel der deutschen Volkspolitik bezeichnet." [57] Heck plädierte dafür, den weiten Ostraum, das "heiß ersehnte Siedlungsgebiet", ein zweites Mal "vollkommen neu erobern" zu lassen, und zwar durch eine völlige landschaftliche Umgestaltung. [58] Bei der "Deutschen Forschungsgemeinschaft" stellte er schon 1941 einen Antrag zur Unterstützung der "Erforschung der Änderung von Flora und Fauna in neu aufgeforsteten Gebieten des Ostens". [59] Die Umformung der "öden fremden Landschaft" in eine deutsche sah er als das oberste Ziel der Naturschutzpolitik an. "Zum erstenmal in der Geschichte wird die Prägung einer Kulturlandschaft bewußt von einem Volke angebahnt"[60], begeisterte er sich 1942 in der Fachzeitschrift "Neues Bauerntum". Ein Jahr später reiste er den Wehrmachtstruppen in die Südukraine hinterher, um "Askania Nova", einen 1890 von dem deutschen Kolonisten Friedrich Falz-Fein auf seinem Gut in der taurischen Steppe gegründeten Zoopark mit einzigartiger Fauna und Flora, zu inspizieren und es als Reichsnaturschutzgebiet zu sichern. [61] Vor Ort wurde er von Alfred Rosenberg, der ein eigens gebildetes Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete leitete, und führenden Mitgliedern der SS mit der Oberleitung des Reservats betraut, das von nun an der Obersten Naturschutzbehörde unterstellt war. Ein Grund für die Flucht Hecks vor der Roten Armee beim Einmarsch in Berlin lag möglicherweise in dieser Episode begründet. [62] Die Russen suchten ihn, weil sie ihm die "Requirierung" von Zootieren aus osteuropäischen Zoos vorwarfen, die im Besatzungsbereich der deutschen Wehrmacht gelegen hatten. Heck soll dies später jedoch mit dem Argument verteidigt haben, daß er die Tiere - unter ihnen die seltenen Przewalski - Pferde -, durch ihren Abtransport nach Deutschland und ihre Verteilung auf dortige Zoos allein aus naturschützerischen Erwägungen vor einer gänzlichen Vernichtung durch deutsche Truppen habe retten wollen und dadurch gar nicht anders habe handeln können. Tatsache ist, daß gerade der von ihm unterstützte Krieg 70 Prozent des Tierbestandes von "Askania Nova" vernichtete. [63] Das erschreckende Paradox - nämlich einerseits die totale Vernichtung von Mensch und Natur, die Taktik der verbrannten Erde, wie sie dem Ostfeldzug zugrunde lag, zu unterstützen und andererseits gleichzeitig Natur schützen und bewahren zu wollen - dieses letztlich zynische und inhumane Paradox muß die ganze Naturschutzarbeit der Behörde Hecks während der Kriegsjahre gekennzeichnet haben. Mehr noch: Sein 1943 fertig ausgearbeiteter Plan, deutsche Nationalparks zu schaffen, sobald der Krieg gewonnen war, sollte durch den Willen gerade jenes Mannes Realität werden, der neben anderen für die ungeheuerlichste Vernichtungsmaschinerie dieses Jahrhunderts die Hauptverantwortung trug - Reichsmarschall Hermann Göring! [64] In völliger Verblendung sah Lutz Heck die verbrecherische Wirklichkeit nicht mehr - oder wollte sie nicht sehen. Die Pervertierung des Naturschutzes, indem er dem Terrorregime zu Propagandazwecken diente, verantwortete Heck mit. Den millionenfachen industriell betriebenen Menschenrnord ließ er hinter den Schutz einiger seltener Tierarten zurücktreten. Vor der Besetzung des Zoos Anfang Mai 1945 durch die Rote Armee floh Lutz Heck in den Westen. An seine Rückberufung wollte der Vorstand der Aktiengesellschaft des Berliner Zoos nicht denken. [65] Eine Zusammenarbeit zwischen den alliierten Siegermächten und dem schwer kompromittierten Zoodirektor wäre auch nicht leicht vorstellbar gewesen. Somit endete schließlich abrupt die über ein halbes Jahrhundert währende Familiendynastie der Hecks in der wissenschaftlichen Leitung des Berliner Zoos.Im Jahre 1984 wurde die Büste des 1983 verstorbenen Lutz Heck zu seinem Gedenken im Zoo aufgestellt. Mit ihr soll, heißt es in einem Nachruf auf den Verstorbenen in der Hauszeitschrift des Zoos [66], das Andenken eines "erfahrenen Tiergärtners" und "aufrichtigen Freundes" in Ehren gehalten werden.

Anmerkungen
1 Der Euphemismus vom unberührten "Tierparadies", unter den der Berliner Zoo 1969 sein 125jähriges Jubiläum stellte, wurde anläßlich des Jubiläumsjahres 1994 durch den Begriff der "Arche Noah" (an der Spree) ausgetauscht; siehe Anm. 2 (Klös, 1969 und 1994).
2 Hier meine ich in erster Linie die Schriften und Aufsätze von Heinz-Georg Klös : Von der Tiermenagerie zum Tierparadies, 125 Jahre Zoo Berlin, Berlin 1969; ders., und Ursula Klös, Der Berliner Zoo im Spiegel seiner Bauten 1841-1989, Berlin 1990, S. 96 ff.; ders. Lutz Heck zum Gedenken, in: Der Zoologische Garten, Zeitschrift für die gesamte Tiergärtnerei, hrsg. von Heinrich Dathe und Wolfgang Grummt, 54. Bd., Jena 1984, S. 461-464; ders., In memoriam Lutz Heck, in: Bongo, 8. Bd., Berlin 1984, S.105-HO; siehe auch zu "Lutz Heck" den Artikel im Munzinger-Archiv/Internationales Biographisches Archiv. Des weiteren: Heinz-Georg und Ursula Klös/ Hans Frädrich, Die Arche Noah an der Spree, Berlin 1994. In dieser jüngsten Publikation finden sich im Kapitel über Lutz Heck jedoch weitestgehend die Informationen, die bereits in Heinz-Georg Klös 1969 erschienenem Buch publiziert wurden.
3 Vgl. Der Zoologische Garten, Zeitschrift für die gesamte Tiergärtnerei, 12. Bd., Heft 1, Leipzig 1940, S. 88.
4 Michel Tournier, Der Erlkönig, Frankfurt am Main 1984, S. 206-210.
5 Siehe hier folgende Quelle aus dem Buch "Berlin- Wilmersdorf, Die Jahre 1920-1945", hrsg. vonUdo Christoffei, Berlin 1985, S. 361: ,,2. Dezember (1937): Nach langer Zeit sprach der Leiter des Berliner Zoologischen Gartens, Dr. Lutz Heck, gestern abend wieder einmal im Stadthaus Wilmersdorf. Veranlassung dazu gab die Reihe der von der NS-Kulturgemeinde in Verbindung mit dem Bildungsamt Wilmersdorf veranstalteten Unterhaltungsabende . . . Der Name des Vortragenden Dr. Heck hatte eine große Zuhörermenge angelockt, die aufmerksam die neuesten Zuchtergebnisse des Zoodirektors erwarteten! Dies kam auch in den einleitenden Worten zum Ausdruck, mit denen Dr. Kussin als Vertreter der NS-Kulturgemeinde den Gast begrüßte. . . " Der Zoo beteiligte sich auch an den Werbungen der NS-Gemeinschaft "Kraft durch Freude", indem er eine Anzahl Schaufenster ihrer Geschäftsstellen in verschiedenen Stadtteilen mit Tier bildern und -plastiken ausschmücken ließ; siehe Geschäftsberichte des Actien- Vereins des Zoologischen Gartens zu Berlin 1936, S. 8, im Heimatmuseum Charlottenburg/Berlin.
6 Vgl. Der Zoologische Garten, Bd.12, Heft 4/6, Leipzig 1940, S.356.
7 Der Biologe, Nr.8, München/Berlin 1938, S. 279.
8 Berlin Document Center. Lutz Heck hatte die Mitglieds-Nr. 3934018 und trat am 1. Mai 1937 in die Partei ein.
9 Der Zoologische Garten, Bd.12, Heft 4/6, Leipzig 1940, S. 356.
10 Siehe hierzu Otto Thomae, Die Propaganda- Maschinerie, Bildende Kunst und Öffentlichkeitsar beit im Dritten Reich, Berlin 1978.
11 Siehe Ludwig Heck, in: Kunst und Volk, 4. Bd., Berlin 1936/37; ders.,in: WestermannsMonatshefte, 85. Jahrgang, Braunschweig 1940; ders., Der Tiermaler und der Zoo, in: Daheim, Nr. 34, Leipzig/Bielefeld 1940, S.1-3; ders., Deutsche Tiermaler, in: Velhagen & Klasings Monatshefte, 53. Jahrgang, Berlin 1938/39, S.129-135; ders., Jagdtiere aus Porzellan, in: Kunst und Volk, 3. Bd., Berlin 1937, S.142-147. Sein Sohn Lutz schrieb ebenfalls den Aufsatz "Deutsche Tierbildnerei von heute - Zur Ausstellung der NS- Kulturgemeinde in Berlin" , in: Kunst im Dritten Reich, 3. Bd., Berlin 1937, S.142-147.
12 Ludwig Heck, Deutsche Tiermaler (wie Anm.11), S.129.
13 Im Original heißt es: "Meine Söhne haben mir neuerdings öfter gesagt: ,Du warst schon National
sozialist, du hast uns schon nationalsozialistische Weltanschauung gepredigt, lange ehe das Wort erfunden war.' Das ist richtig; . . . ", in: Ludwig Heck, Heiter-ernste Lebensbeichte (wie Anm. 11) S.373.
14 Im Fragebogen der Reichsschrifttumskarnmer gab Ludwig Heck an, daß sein politischer Standpunkt vor dem Dritten Reich "deutschnational" gewesen sei. V gl. Berlin Document Center, Akte zu Ludwig Heck.
15 "Und dieselbe Gleichmacherei war es auch, die mich in unserem "Zweiten Reich" so unsagbar bedrückt hat, weil diese Bevorzugung, ja geradezu Verhätschelung des Geringwertigen, Minderwertigen, sogar Gemeinschädlichen zugunsten der Vollwertigen, Überwertigen, der leistungsfähigen Qualitätsmenschen in absehbarer Zeit mit tödlicher Sicherheit zum Untergang unseres Volkes hätte führen müssen"; Ludwig Heck, Heiter-ernste Lebensbeichte (wie Anm.11), S. 8.
16 Berlin Document Center, Ahnenerbe 262. In einem Aktenvermerk von SS-Obersturmführer Menzvom 11. April 1938 heißt es: ". . . da über Prof. Heck der direkte Weg zu Ministerpräsident Göring offenstünde, bei dem Heck bekanntlich ein und ausgehe." Lutz Heck hatte gleich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zu Göring gute Beziehungen, wie aus einem Brief an Lutz Heck vom 6. Oktober 1933 zu ersehen ist. Darin entschuldigt sich ein "Regierungsbeauftragter für Naturschutz in Unterfranken" wegen unzutreffender Bemerkungen über die HeckBrüder hinsichtlich einiger Fragen des Naturschutzes und der Wisentgesellschaft mit den Worten, daß ein gewisser Dr. Priemel ihm, dem Briefschreiber, gesagt hat, daß "Sie (Lutz Heck, K. A.) mit dem Ministerpräsidenten Pg. Göring befreundet und daß Herr Heinz Heck mit dem Führer bekannt ist. Hätte ich gewußt, daß Sie Parteigenosse sind, so hätte ich mich von vornherein um die Wisentangelegenheit nicht gekümmert"; vgl. Bundesarchiv Abteilungen Potsdam, Bestandsergänzungsfilm Nr.15574, Aufnahme 882.
17 Vgl. hierzu die zahlreichen Aufsätze Lutz Hecks zum Urwild in der Rominter Heide, in denen er es nicht versäumt, seine gute Beziehung zu Hermann Göring zu betonen. Heinrich Rubner, Deutsche Forstgeschichte 1933-1945, in: Forstwirtschaft, Jagd und Umwelt im NS-Staat, 1985, S.130.
18 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Sämtliche Fragmente, hrsg. von Elke Fröhlich im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte und in Verbindung mit dem Bundesarchiv, Teil I, Aufzeichnungen 1924-1941, Bd.3, 1.Januar 1937-31. Dezember 1939, München/New York/London/Paris 1987, S.145.
19 Karl-Max Schneider, Vom Daseinsrecht der Zoologischen Gärten, in: Der Zoologische Garten, 8. Bd., Heft 7/8, Leipzig 1936, S.173-179.
20 Der Zoologische Garten, 8. Bd., Heft 7/9, Leipzig 1936, S. 239.
21 Ebd., S. 239.
22 Werner Philipps, Das Politische am Zoologischen, in: Tagesspiegel vom 9. Juli 1994, Jg. 50, Nr.14965, S.l: " . . . und an den Gehegeschildern von Wölfen und Bären, Elch und Auerhahn klebten, wie Zeitzeugen berichten, kleine Hakenkreuze. . . "
23 Heinz-Georg und Ursula Klös (wie Anm. 2), S. 196.
24 "Tieridyll ,Unter den Eichen' im Zoo - Der niederdeutsche Bauernhof und zwei neue Freianla gen eröffnet" in: Berliner Lokalanzeiger, 15. Mai 1937, Nr.116, Beiblatt.
25 Richard Hamann/Jost Hermand, Stilkunst um 1900, Epochen deutscher Kultur von 1870 bis zur Gegenwart, Bd.4, Frankfurt am Main 1977, S. 326 ff.
26 Siehe Wieland Elfferding, Opferritual und Volksgemeinschaftsdiskurs am Beispiel des Winterhilfswerkes (WAW), in: Faschismus und Ideologie, Argument Sonderband AS 62, S. 217 f.
27 Siehe Änne Bäumer, NS-Biologie, Stuttgart 1990.
28 Ebd., S.151.
29 V gl. "Urwald im Großdeutschen Reich. Nach einem Bericht von Prof. Dr. Lutz Heck" , in: Freude am Leben, 20. Jahrgang, 1943, S. 7-9; "Wie steht es um Askania Nova? Nach einem Bericht von Prof. Dr. Lutz Heck", in: Ebd., 21. Jahrgang, 1944, S.15-16.
30 Vgl. Gert Gröning/Joachim Wolschke-Bulmahn, Die Liebe zur Landschaft. Teil 1: Natur in Bewegung. Zur Bedeutung natur- und freiraumorientierter Bewegungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die Entwicklung der Freiraumplanung, München 1986, S. 201/202. Darin ein Artikel von Heck unter dem Titel "Neues im Berliner Zoo" aus dem Jahre 1937.
31 Berlin Document Center, Ahnenerbe/259-274.
32 Hans Buchheim: Die SS - das Herrschaftsinstrument, in: Anatomie des SS-Staates, Bd.l, München 1989, S. 204.
33 Berlin Document Center, Akte Lutz Heck: Des weiteren war Heck Mitglied der "Deutschen Arbeitsfront", der "NS-Volkswohlfahrt", des "Volksbund(es) f. d. Deutschtum i. Ausland", der "Reichskulturkammer", des "Reichsluftschutz(es)" und des "Kolonialbund(es)". In der "Deutschen Kolonial-Gesellschaft", die das Ziel hatte, die ehemaligen Kolonien zurückzuerlangen, war Heck in den späten 30er Jahren Vorstandsmitglied; vgl. Bundesarchiv Abteilungen Potsdam, Akte: Deutsche Kolonial-Gesellschaft 718a, S. 8-10. Am 3. Dezember 1938 fand in den Räumen des Berliner Zoos ein "Kolonial-Fest" statt, das der Reichskolonialbund, Gauverband Berlin, veranstaltete. Im Ehrenausschuß waren neben Lutz Heck so wichtige Persönlichkeiten wie Generaloberst von Brauchitsch, Oberbefehlshaber des Heeres, und Reichsführer SS Heinrich Himmler; die lange Liste schloß der Name des Direktors der Deutschen Bank, Dr. Kurt Weigelt; vgl. Bundesarchiv Abteilungen Postdam, Bestandsergänzungsfilm Nr. 713, Aufnahme 382.
34 Hans Buchheim, a. a. 0., S. 204.
35 Berlin Document Center, Ahnenerbe 241ff.
36 Lutz Hecks Mitarbeit für das "Ahnenerbe" läß sich bis 1944 in den Akten verfolgen; vgl. Bundesarchiv Abteilungen Potsdam, Bestandsergänzungsfilm Nr.14552, Aufnahme 506 ff.
37 Berlin Document Center, Ahnenerbe 274, Aktenvermerk vom 26. Mai 1943: "Am 26. Mai 1943 besuchte SS-Obersturmführer Prof. Dr. Tratz, Salzburg, das "Ahnenerbe". Er brachte den Direktor des Zoologischen Gartens Berlin, Herrn Prof. Dr. Lutz Heck, mit. Prof. Dr. Lutz Heck wurde in kurzen Umrissen über die Tätigkeit des "Ahnenerbes" aufgeklärt. Insbesondere unterhielt er sich mit SS-Obersturmführer Dr. Schütrumpf und Sturmbannführer Dr. v. Luetzelburg. Wie Prof. Dr. Tratz vertraulich mitteilte, trägt sich Prof. Dr. Lutz Heck mit der Absicht, um die Aufnahme in die SS zu bitten, was von Tratz wärmstens befürwortet werden würde."
38 Siehe Geschäftsberichte des Actien- Vereins des Zoologischen Gartens zu Berlin 1936 und 1941.
39 Zitiert nach Heini Hediger, Ein Leben mit Tieren im Zoo und in aller Welt, Zürich 1990, S.118.
40 Ebd., S. 118.
41 Lutz Heck, Auf Urwild in Kanada, Berlin 1937, S. 57.
42 Ebd., S. 61.
43 Lutz Heck, Tiere - Mein Abenteuer, Berlin 1952, S. 238.
44 Siehe Geschäftsberichte des Actien-Vereins des Zoologischen Gartens zu Berlin für die Jahre 1936 und 1941 im Heimatmuseum Charlottenburg/Berlin. Mir ist nicht bekannt, ab wann Eugen Fischer in den Aufsichtsrat gewählt wurde.
45 O. Koehler, Besprechung von Lutz Hecks "Über Auerochsen und seine Rückzüchtung" , in: Zeit
schrift für Tierpsychologie, Bd. 9, Berlin/Hamburg 1952, S.499.
46 H. H. Sambraus, Atlas der Nutztierrassen, 1989, S. 87.
47 Ich kann an dieser Stelle nur auf die Diskussion des Begriffs und des mit ihm eng verbundenen Problems der "politischen Romantik" verweisen, die der Religionswissenschaftier Paul Tillich in seiner wichtigen Schrift "Die sozialistische Entscheidung" 1933, kurz vor Beginn des Nationalsozialismus, führte. Sein Buch wurde sofort nach der "Machtergreifung" verboten. Gerade die Untersuchung der weltanschaulichen Seite der Zucht in Beziehung zur Ursprungssehnsucht scheint mir in diesem Zusammenhang zu einem tieferen Verständnis der oben angesprochenen Problematik beizutragen.
48 Studiert man die Schriften der Heck-Brüder unter diesem Aspekt, so fällt ihre mehr oder weniger indifferente Haltung gegenüber dem Zweck solcher Züchtungsmaßnahmen auf: "Immer wieder wurde die Frage an meinen Bruder und mich gerichtet, warum wir diese Rückzüchtung des Auerochsen durchgeführt hätten und insbesondere zu welchem praktischen Zweck. Hierauf kann ich nur antworten, daß diese Rückzüchtung des Urs aus Freude an diesem neuartigen Vererbungsexperiment geschah"; Lutz Heck, Über den Auerochsen und seine Rückzüchtung, in: Sonderdruck aus Jahrbuch des Nassauer Vereins für Naturkunde, Bd.90/1952, S.123. "Oft werde ich von Tierzüchtern und anderen Fachleuten gefragt; ,Warum haben Sie diese Tiere eigentlich gemacht?' Ich könnte mich ja nun in die Brust werfen und kluge Reden halten, wie nützlich diese eigenartigen Tierstämme eines Tages als Blutauffrischung für unsere Haustiere werden können, wenn diese als Folge der immer höher gesteigerten Leistungszucht noch immer mehr degenerieren. Aber so war es nicht. Als Zoomann, der sich um die naturwissenschaftliche Volksbelehrung bemüht, habe ich mich immer darüber geärgert, daß man so oft, wie man wollte, sagen und schreiben konnte, es habe früher zwei ganz verschiedene Rinderarten gegeben, den Wisent und den Auerochsen, - sie wurden doch immer wieder verwechselt, und die Wisente als Auerochsen bezeichnet. Ich wollte daher beide lebend nebeneinander zeigen. . . Und dann war ich ganz einfach neugierig, ich hätte es selber gerne gewußt, wie diese Tiere ausgesehen haben. Ein anderer Grund lag in dem Gedanken, wenn der Mensch schon nicht daran zu hindern ist, gegen sich selbst und gegen alle anderen Kreaturen so irrsinnig zu wüten und die Tiere serienweise auszurotten, daß es dann eine sehr erfreuliche Sache ist, wenn wenigstens einige Tierarten, die er bereits ausgerottet hat, wieder zu neuem Leben auferstehen"; Heinz Heck, Rückzüchtung ausgestorbener Tiere, in: Orion, 4, 1949.
49 Lutz Heck, Die Neuzüchtung des Auerochsen, in: Wild und Hund, Nr. 37, München 1939, S.537.
49a Siehe zum Bild des Wisents im Kaiserreich die im Frühjahr 1995 erscheinende Publikation des Verf.: Kai Artinger, Von der Tierbude zum Turm der blauen Pferde. Die künstlerische Wahrnehmung der wilden Tiere im Zeitalter der Zoologischen Gärten. Hier besonders Kapitel IV: Die Tierdarstellung im Imperialismus.
50 Lutz Heck, Der Urwildpark Schorfheide, in: Kosmos, 32. Jahrgang, Stuttgart 1935, S. 413.
51 E. Buchholz/F. Coninx, Die Schorfheide, 700 Jahre Jagdrevier, Stuttgart 1969, S.83.
52 Lutz Heck, Hermann Göring, der Schützer des deutschen Urwildes, in: Wild und Hund, München 1943, S. 155.
53 Gert Gröning/Joachim Wolschke-Bulmahn (wie Anm. 30), S.197. Die Autoren Gröning und Wolschke-Bulmahn merken an, daß, obwohl Heck sich in dem Aufsatz nicht auf die eroberten Gebiete bezieht, ihnen der Zusammenhang mit den nationalsozialistischen Kriegszielen doch überdeutlich scheint.
54 Bundesarchiv Abteilungen Potsdam, Reichsforstamt, Nr. 566.
55 Lutz Heck (wie Anm. 43), S. 154.
56 Vgl. zur Siedlungspolitik: Rolf-Dieter Müller, Hitlers Ostkrieg und die deutsche Siedlungspolitik, Frankfurt am Main 1991.
57 Lutz Heck, Behördliche Landschaftsgestaltung im Osten, in: Neues Bauerntum mit Landbaumeister, 34.Jahrgang, Berlin 1942, S.214. In einem Brief vom 7. Dezember 1993 stimmt mir R.-D. Müller vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Freiburg im Breisgau in der Einschätzung zu, daß Lutz Heck mit seinem Artikel die Planungen für eine Ostsiedlung unter stützte.
58 Ebd., S. 215.
59 Bundesarchiv Koblenz, R 73/11539.
60 Lutz Heck, Behördliche Landschaftsgestaltung im Osten (wie Anm. 57), S. 215.
61 Berlin Document Center B 0306, Blatt 3.62 Die erhaltenen Akten in den Bundesarchiven geben in diesem Punkt keine Auskunft, und die Personalakte von Lutz Heck hat sich - laut des amtierenden Zoodirektors - im Berliner Zoo nicht erhalten. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Ich habe daher mit verschiedenen Zoologen und Zoodirektoren in dieser Frage korrespondiert bzw. Gespräche geführt. In einem Fall untersagte mir mein Gesprächspartner aber mit der Begründung, Rücksicht gegenüber den Hinterbliebenen üben zu wollen, ihn im Zusammenhang mit den gegebenen Informationen namentlich zu nennen. Da mir die Autorisation feWt, schriftliche Antworten auf meine Fragen hier zu zitieren, weise ich daraufhin, daß es verschiedene Versionen zu den Fluchtgründen Hecks gibt. Es ist dabei sowohl von der erwähnten Requirierung von Zootieren osteuropäischer Zoos die Rede wie der Requirierung der in meinem Aufsatz genannten Przewalski-Pferde von "Askania Nova" - eine Version, die mir persönlich am wahrscheinlichsten erscheint, da sie in Verbindung mit Hecks Leitung dieses Gebietes zu bringen ist. Eine dritte, andere Variante - die Heck als ein unschuldiges Opfer der Kriegswirren der letzten Tage erscheinen läßt und damit gewissermaßen von den Vorwürfen entlastet - gibt Klös (1994, S. 123). Demnach machte Heck sich zu einem "bei den kriegerischen Handlungen Beteiligten", weil er 30 Männer aus der Zoobelegschaft, um sie vor dem Volkssturm zu retten, zur Verteidigung des Zoos vor der russischen Armee einsetzte. Als einzige Erklärung ist diese Version aber nicht überzeugend, zumal Klös in seiner Darstellung Hecks NSDAP-Mitgliedschaft, seine Rolle in der Naturschutzbehörde und in der Ukraine völlig unerwähnt läßt. Herr Alla V. Nikitina, Mitarbeiter der wissenschaftlichen Abteilung des Kiewer Zoos, teilte mir in einem Brief vom 13. Januar 1994 mit, daß während der deutschen Besatzung in Kiew beinahe der gesamte Tierbestand des Zoos konfisziert und nach Königsberg abtransportiert wurde. Ob Heck hierbei eine Rolle gespielt hat, ist aufgrund der Aktenlage nicht mehr zu ermitteln, da in diesem speziellen Fall vom 10. Dezember 1941 bis 6. November 1943, der Okkupationszeit, nichts über die Arbeit des Zoos bekannt ist. Auch das exakte Datum des Abtransportes der Tiere läßt sich nicht mehr ermitteln. Weitere umfangreiche Nachforschungen wären hier nötig. Es sei hier schließlich erwähnt, daß ich die Zoos in Lodz und Breslau in dieser Sache angeschrieben habe und vom Direktor des Zoos Lodz, Herrn Andrzej Sosnowski, am 11. April und 13. August 1994 folgende Antworten erhielt. Demnach wurde der Warschauer Zoo gleich nach Beginn des Überfalls auf Polen vollkommen ausgeraubt. Auf Befehl waren die wertvollen Tiere für den Berliner Zoo bestimmt, alle anderen sollten getötet werden. Lutz Heck stattete dem damals amtierenden Direktor des Warschauer Zoos Ende November/Anfang Dezember 1939 einen Besuch ab und soll erklärt haben, daß er keinen Einfluß auf den Befehl seiner Behörde habe und nichts dagegen machen könne. Allerdings sollten die Tiere nach DeutscWand als Deposit fahren. Vom Zoologischen Garten Krakau wurden 19446 Wisente nach Berlin gebracht. Im zweiten Brief schreibt Sosnowski, daß die Liquidation des Warschauer Zoos in derselben Weise durchgeführt wurde wie die Requirierung der Przewalski-Pferde, d. h., es wurde sich in derselben Weise entschuldigt. Nur, so fragt Sosnowski: "Wer war aber der Inspektor?" Und zu Heck: "Soviel ich von mir zugänglichen Quellen erkennen kann, war er ein Räuber des unterdrückten Volkes ohne Rücksicht auf lange Bekanntschaft und auf Zusammenarbeit für den Naturschutz (dem er angeblich sein Leben gewidmet hatte). " Einer der Söhne Lutz Hecks, Lutz Heck, den ich um eine Erklärung für die Flucht seines Vaters und den Verdacht, er sei von den Russen als "Kriegsverbrecher" verfolgt worden, bat, hat mir leider bis heute nicht geantwortet.
63 Erwin und Gert Buchholz, Rußlands Tierwelt und Jagd im Wandel der Zeit, Gießen 1963, S. 64.
64 Lutz Heck, Hermann Göring, der Schützer des deutschen Urwildes (wie Anm. 52), S.157.
65 Über die wahren Gründe schweigt sich die offizielle Zoochronik aus (siehe Literatur in Fußnote 2). Allerdings legt das abrupte Ende der Amtszeit von Heck nahe, daß es hier Gründe gegeben hat, die aber der Vorstand des Zoos nicht öffentlich machen wollte, vielleicht weil sie dem Ansehen und dem Selbstverständnis des Zoos hätten Schaden zufügen können.
66 Heinz-Georg Klös, In memoriam Lutz Heck (wie Anm. 2), S.109.

Kai Artinger

Der Bär von Berlin
Jahrbuch 1994
S.125-S.139

Jörg Kluge
Internetteam