Franz Lederer - Studienrat, Stadtführer, Schriftsteller

Franz Lederer wurde am 26. August 1882 in Berlin als Sohn des Kaufmanns Franz Lederer geboren. Der Vater verstarb wenig später. Sein Sohn besuchte die 134. Gemeindeschule in Berlin-Friedrichshain, Höchste Str. 34 und anschließend das Sophien-Real-Gymnasium bis zur Reifeprüfung 1901. Die Mutter Agnes geb. Eilebrecht war 1899 gestorben. Lederer studierte an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin Philologie, Philosophie und Germanistik und bestand seine Promotionsprüfung zum Dr. phil. am 21. Februar 1907. Seine Dissertation „Die Ironie in den Tragödien Shakespeares" wurde von den Professoren Alois Brandl und Adolf Tobler betreut. Lederer widmete die Doktorarbeit seiner „lieben Braut Dora Grossmann" und nahm bald darauf seine Tätigkeit im Schuldienst auf. Er unterrichtete am Luisenstädtischen Reform-Real-Gymnasium in der Sebastianstraße die Fächer Französisch, Deutsch und Geschichte. Seine Spezialität war Deutsch in Berliner Mundart. Über sein Interesse an der Geschichte Berlins lernte er den damaligen Schriftleiter der Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins Hans Brendicke kennen, der Berliner und Touristen gutgelaunt und schlagfertig durch die Straßen des alten Berlin führte. 1919 trat Lederer dem Verein für die Geschichte Berlins bei und begann 1920 mit seiner publizistischen Tätigkeit. In regelmäßigen Abständen erschienen humorvoll geschriebene Berlin-Bücher.

Lederer organisierte für Vereinsmitglieder und Gäste Stadtführungen. Als Beispiel soll eine Ankündigung im Nachrichtenblatt des Vereins zitiert werden:

„Donnerstag, den 29. Juni, 7 Uhr: 17. Führung durch das schöne alte Berlin.
Mit den letzten Pferdedroschken und Kremsern wird durch die Altstadt gefahren. Treffpunkt 7 Uhr Lindenstraße, Ecke Beuthstraße (unweit Spittelmarkt). Abfahrt pünktlich 7.30 Uhr. Dauer der Fahrt 2 Stunden. Im Anschluss Beisammensein in den Alt-Berliner Weinstuben unserer Mitglieder Schütze (Molkenstraße 10) und Schipmann (Hoher Steinweg 15). Numerierte Karten für die Droschkenfahrt (RM 2) und die Kremserfahrt (RM 1,50) sind vom 10. bis 22. Juni bei unserem Mitglied Hofjuwelier Rosenthal in der Friedrichstraße 69 zu haben." (Nr. 2, 1933).

Lederer heuerte zwischen 1932 und 1934 Schüler an, die für zwei Mark Honorar als Begleiter der Droschkenkutscher die Sehenswürdigkeiten erklärten. Peter Groma, ein ehemaliger Schüler von ihm, berichtete am 6. September 1972 in der Berliner Morgenpost über seinen damaligen Einsatz in der Sperlingsgasse: „Hier an der Ecke machte der Droschkenkonvoi regelmäßig halt, denn hier stand Nante, der Eckensteher, übrigens der Bruder von Dr. Lederer, in historischem Kostüm, und reichte jedem Droschenkutscher die Kümmelflasche für einen kräftigen Schluck. Wobei Dr. Lederer streng darauf achtete, dass wir „Beifahrer" nichts bekamen." Vor der Nikolaikirche hatte er „Äppeldörte" mit einem Marktstand postiert und an der Petrikirche wartete eine als Harfenjule verkleidete Dame.

Lederer nahm verschiedene Einwände, die der Vorsitzende des Vereins für die Geschichte Berlins, Dr. Hermann Kügler in einem vertraulichen Schreiben auf Anregung mehrerer Mitglieder gegen ihn wegen der Art seiner Führungen erhoben hatte, zum Anlass, Anfang 1934 seinen Austritt aus dem Verein zu erklären (siehe Zeitschrift des Vereins für die Geschichte Berlins 1934 S. 30).
Lederer liebte den Witz und den Humor der Berliner und sammelte berlinische Anekdoten. Als er 1924 noch in der Monumentenstraße 27 wohnte, schwärmte er in der Einleitung zu seinem Band „Uns kann keener": „Nach meiner Überzeugung ist Berlin die schönste Stadt, der Berliner der reizendste Mensch von der Welt und die Berliner Sprache die schönste aller Sprachen, weil sich nirgends ein solcher Reichtum an anschaulichen Bildern, treffenden Vergleichen, komischen Übertreibungen humorvoller Kritik, scherzhaften Redewendungen und merkwürdigen Wortspielen findet wie gerade in der Berliner Sprache." Im Vorwort zu seinem 1941 erschienenen Buch „Hier lacht Berlin!" schrieb er: „Was die Berliner Anekdote kenn- und auszeichnet, ist der treffende Witz, der sich in vielen dieser kleinen Erzählungen offenbart. Sie geben ein Abbild des Berlinertums, das bei aller Derbheit doch amüsanter ist, als der Außenstehende ahnt. Wenn ick mir denke, wer von meine Verwandten all det scheene Jeld erbt, möchte ick am liebsten jar nich sterben, setzte Madame Dutitre unter ihren letzen Willen. Das ist Berliner Ton. Mit seiner Zielsicherheit und geistigen Beweglichkeit durchzieht er das ganze Buch."

Nach dem Berliner Adressbuch von 1943 wohnte er zuletzt in der Sylter Straße 8 in Wilmersdorf. Lederer begleitete seine Schüler in den letzten beiden Kriegsjahren in die nach Angermünde/Uckermark umquartierte Schule und kehrte erst nach Kriegsende schwer krank nach Berlin zurück. Am 16. Oktober 1945 starb er in seiner geliebten Heimatstadt im Alter von 63 Jahren. Auch für den Sterbefall überlieferte uns Lederer eine Anekdote: „ Ja selbst auf dem Sterbebette verlässt den Berliner der Humor nicht, denn als der schwerkranke Müller merkte, dass seine Frau seine häufigen Ohnmachtsanfälle für den eingetretenen Tod hielt und ihm wiederholt die Augen zudrückte, sagte er ärgerlich zu ihr: Weeßste, Mutter, sterben will ick ja, aber drängeln lass ick mir nich dazu."

Martin Mende

aus den „Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins" 2/2011

 

Publikationen:

  • 1923: „Märkische Fahrten - Im Zauber der Heimat"
  • 1924: „Uns kann keener - Sprache, Wesen und Humor des Berliners"
  • 1925: „Berlin und Umgebung"
  • 1926: „Berliner Merkwürdigkeiten", ab der 3. wesentlich erweiterten Auflage unter dem Namen „Schönes altes Berlin" herausgegeben.
  • 1930: „Schönes altes Berlin"
  • 1929: „Ick lach ma ´n Ast - Sprache, Wesen und Humor des Berliners"
  • 1932: „Schönes märkisches Land", Band 1 Süden und Westen
  • 1934: „Jottlieb, drach´n Jarten raus"
  • 1941: „Hier lacht Berlin"