Ferdinand Meyer - Mitgründer des Vereins für die Geschichte Berlins, gegr. 1865

Von Martin Mende (Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 3/2012)

Ferdinand Meyer wurde am 7. Februar 1826 in Charlottenburg als Sohn eines Tierarztes geboren. Die Familie zog 1828 nach Berlin und Ferdinand besuchte später das Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster. Er arbeitete danach zunächst als Buchhalter und begann am 1. Juli 1851 seine Beamtenlaufbahn beim Königlichen Polizeipräsidium. Aus dem „Königlichen Polizei-Sekretär" wurde durch Verlagerung der Zuständigkeiten ab 1867 ein „Magistrats-Sekretär". Zusammen mit Julius Beer, der von 1834 bis 1842 ebenfalls das Gymnasium zum Grauen Kloster besucht hatte, warb Meyer 1864 intensiv für die Gründung eines Geschichtsvereins. Gemeinsam verfassten sie am 15. Januar 1865 einen Aufruf an die Berliner, sich am 28. Januar 1865 im Café Royal Unter den Linden 33, Ecke Charlottenstraße, zur Gründungsversammlung des Vereins für die Geschichte Berlins einzufinden. Das vorbereitete Vereinsstatut wurde von den 29 erschienenen Herren mit geringen Änderungen angenommen. Unter dem gewählten Vereinsvorsitzenden Oberbürgermeister Karl Seydel wirkten im ersten Jahr Beer als Generalsekretär und Meyer als Schriftführer. Zu dieser Zeit wohnte Meyer in Berlin SO, Cottbusser Straße 16. Nach einer Unterbrechung von 1867 bis 1871 wurde er ab 1872 2. Schriftführer und ab 1874 1. Schriftführer des Vereins.

Im großen Hörsaal des Gymnasiums zum Grauen Kloster hielt Meyer den zweiten öffentlichen Vortrag des Vereins „Vom Schloßplatz bis zum Dom". Am 8. April 1865 referierte er über die Bevölkerungs-Statistik von Berlin. Zu diesem Thema war er prädestiniert, oblag ihm doch beruflich die statistische Zusammenstellung der noch unter Leitung des Polizeipräsidiums im Dezember 1863 erfolgten Berliner Volkszählung, die eine Zivilbevölkerung von 614.164 Personen und einen Militärstand von 18.128 Köpfen ergab. Ferdinand Meyer hielt in den folgenden 26 Jahren für den VfdGB 95 weitere öffentliche Vorträge für den Verein und fehlte kaum bei einer der Arbeitssitzungen.

Für die Verwaltung des städtischen Bauwesens wurde 1873 die „Magistratsdeputation für das Bauwesen" eingesetzt, durch einen Beschluß der Stadtverordnetenversammlung vom 2. Oktober 1873 erweitert zu einer gemischten Verwaltungsdeputation mit zwei selbständigen Abteilungen, Abteilung I (Hochbau) und Abteilung II (Tiefbau). Meyer arbeitete für die Tiefbauabteilung, die u. a. folgende Angelegenheiten verwaltete: Durchführung des Bebauungsplans einschließlich der dazu erforderlichen Landerwerbungen, Anlegung von Eisenbahnen und Pferdeeisenbahnen, Be- und Entwässerung, Unterhaltung der Straßen , Plätze und Brücken. Er erhielt durch seine berufliche Tätigkeit umfassende Informationen über das Baugeschehen Berlins.
Zusammen mit Georg Hiltl gab er ab 1875 die zweimal im Monat erschienene Zeitschrift „Der Bär – Berlinische Blätter für vaterländische Geschichte und Alterthumskunde" heraus. Vom 1. Oktober 1878 bis 1. Oktober 1879 waren Ernst Friedel und Ferdinand Meyer die Herausgeber, danach lieferte Meyer für die inzwischen wöchentliche „Illustrirte Berliner Wochenschrift Der Bär" lediglich redaktionelle Beiträge. Es war keine Publikation des Vereins für die Geschichte Berlins, viele Vereinsmitglieder verfassten jedoch Aufsätze. Der Jahrgang 1 Nr. 1 begann mit einem Gedicht „Die Vierkronenstadt" des 1874 verstorbenen Hofrats Dr. George Hesekiel zum 8. Stiftungsfest des Vereins für die Geschichte Berlins.

1875 begann Meyer auch mit der Herausgabe seiner Buchreihe „Berühmte Männer Berlins und ihre Wohnstätten", die in drei Teilen erschien: „Vom 16. Jahrhundert bis zur Zeit Friedrich des Großen" (1875), „ Friedrich des Großen Zeitalter" (1876), „Die Kriegshelden Friedrichs des Großen" (1877). Sein Anliegen war, den Lebensspuren berühmter Männer der Stadt nachzugehen und ihre Wohnstätten vorzustellen. „Denn leider geben nur wenige Gedenktafeln – diese Denkmäler der Pietät, welche einer Stadt den historischen Charakter auch in ihrem Äußeren verleihen, indem sie Vergangenheit und Gegenwart auf eindringliche Weise miteinander verbinden – uns hiervon Kunde." (aus der Einleitung Meyers).

1878 zog Meyer nach Berlin SO, Elisabeth-Ufer 44, und 1883 nach SO, Waldemarstraße 51.
Von 1881 bis 1891 war Meyer Haupt-Schriftwart des Vereins. 1882 erhielt er in Anerkennung „seiner Bemühung für Stiftung des Vereins und Förderung des Vereins" die Silberne Medaille für Förderung der Vereinszwecke (Fidicin-Medaille). In jenem Jahr lernte Meyer den Schriftsteller Theodor Fontane persönlich kennen. Der Schriftsteller freute sich insbesondere über dessen Interesse an seiner Novelle „Schach von Wuthenow" und erwähnte ihn in einem Brief an seine Frau vom 28. August 1882. 1887 ist Ferdinand Meyer unter der Adresse Berlin NO, Georgenkirchstraße 39 zu finden. Anlässlich der Feier des 25jährigen Bestehens des Geschichtsvereins am 28. Januar 1890 händigte ihm der preußische Kultusminister Dr. Gustav von Goßler im Festsaal des Berliner Rathauses den vom Kaiser verliehenen Kronenorden IV. Klasse aus. Der Vereinsvorsitzende Stadtrat Friedel überreichte Ferdinand Meyer eine Urkunde mit folgendem Text:

„Sie gehören derjenigen Reihe verdienter Männer an, welche zur Förderung geschichtlicher Forschung unserer Hauptstadt und zur Belebung des Interesses für deren Vergangenheit in den weitesten Schichten unserer Bürgerschaft den fruchtbaren Gedanken an die Begründung einer selbständigen wissenschaftlichen Verbindung Gleichgesinnter fassten und belebten, aus welcher der Verein für die Geschichte Berlins vor nunmehr einem Vierteljahrhundert hervorgegangen ist. Von all den Männern, welche damals den ersten Vereins-Vorstand bildeten, ist es, nach dem Ratschluss der Vorsehung, nur Ihnen vergönnt worden, sich des heutigen Jubeltages zu erfreuen. In unermüdlicher Pflichterfüllung haben Sie vom Gründungstage des Vereins ab bis jetzt Ihres ehrenvollen Amtes gewaltet. Gestatten Sie daher dem Vorstande, Ihnen namens des gesamten Vereins hierfür den wärmsten Dank auszusprechen, und daran gleichzeitig die Hoffnung anzuknüpfen, dass es Ihnen mit Gottes Hilfe noch lange vergönnt sein möge, zum Wohle des Vereins, dessen tätiges Mitglied zu bleiben".

Ferdinand Meyer hielt seinen letzten öffentlichen Vortrag für den Verein am 28. November 1891 „Über den Schiffbauerdamm seit ältester Zeit". In den Mitteilungen heißt es darüber: „Der Vortragende gab ein übersichtliches Bild von der Entwicklung jener Gegend. Eine für diesen Zweck besonders hergestellte, große Wandkarte des besprochenen Terrains trug viel dazu bei, den Zuhörern die interessanten Mitteilungen über die einzelnen Grundstücke verständlicher zu machen. Eine Zusammenstellung seines Vortrages hat der Vortragende selbst in der Vossischen Zeitung vom 8. Dezember gegeben, auf welche wir hiermit verweisen wollen." (Mitteilungen Nr. 2/1892, S. 10). Die Fülle der von Meyer behandelten Themen in öffentlichen Vorträgen kann dem Mitgliederverzeichnis 1890 entnommen werden.

1891 sah der Vorsitzende des Vereins, Ernst Friedel, durch die Wahl von Richard Béringuier zum stellvertretenden Vorsitzenden die Wissenschaftlichkeit des Vereins als gefährdet an und trat mit etlichen weiteren Vorstandsmitgliedern, darunter auch Ferdinand Meyer, von den Vorstandsämtern zurück. Meyer blieb zwar Mitglied, engagierte sich in den Folgejahren aber als erster Schriftführer in der von Friedel im März 1892 gegründeten Brandenburgia (Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz Brandenburg). Nach der Einladung zur ersten Hauptversammlung am 6. April 1892 beabsichtigte die neue Gesellschaft, „mittels Wort und Schrift zu wirken, und zwar durch wissenschaftliche Vorträge und daran geknüpfte Besprechungen in den Arbeitssitzungen, ferner durch Vornahme oder Unterstützung größerer wissenschaftlicher Arbeiten und Forschungen, ingleichen durch gemeinfassliche öffentliche Vorträge sowie durch Herausgabe von Schriften, welche, wenn nötig, mit Abbildungen zu versehen sind."

1892 erschien Ferdinand Meyers Buch „Der Berliner Tiergarten von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart". Der Verfasser illustrierte es mit Holzschnitten nach alten Kupferstichen aus seiner Sammlung. Meyer war rhetorisch und journalistisch begabt. Jahrzehntelang erfreute er die Leser der Vossischen Zeitung mit Aufsätzen zur Geschichte Berlins. Über seinen Vortrag „Rückblick auf die Berliner Berge vom Kreuzberg bis zum Moabiter Berg" für die Brandenburgia im Berliner Rathaus am 31. Mai 1893 heißt es im Monatsblatt 3/1893 der „Brandenburgia":

„In seiner fesselnden Weise gab der Redner eine topographische und historische Darstellung der die Stadt am Barnim- und Teltowrande begleitenden Berge. Besonders bei den historischen Schilderungen wusste der Redner durch seine poetische Sprache bei den Hörern jene melancholische Stimmung hervorzurufen, die uns beschleicht, wenn wir hören, wie die harte Forderung der Zeit ein Stück Natur nach dem anderen hinwegräumt. Welchen Eindruck der Vortrag auf die Versammlung gemacht hatte, ergab sich deutlich aus dem lauten Beifall am Schlusse desselben."

1895 referierte er vor Mitgliedern der Brandenburgia im Schloss Schönhausen über Pankow und Niederschönhausen sowie im August im Schloss Königs Wusterhausen über die Schlossgeschichte. 1896 folgte ein Vortrag zur Geschichte der Klosterkirche bis zur Reformationszeit. Bemerkenswert sein Vortrag von 1897 über „Altberlinische Stätten" unter Präsentation von ihm aquarellierter Ansichten ( „Brandenburgia" 1897/98. S. 27-43). Ende 1897 bat Meyer, ihn mit Rücksicht auf seine fortgeschrittenes Alter vom Amt des Ersten Schriftwarts zu entlasten. Er schied aus dem Vorstand aus und wurde Ehrenmitglied der Brandenburgia.

1888 gab er als intensiver Sammler Berliner Kupferstiche eine Schrift „Daniel Chodowiecki – Der Peintre-Graveur im Lichte seiner und unserer Zeit dargestellt" heraus. In seinen beiden letzten Vorträgen für die Brandenburgia behandelte Meyer Alt-Cölln (1899) und Friedrichswerder (1900).

Am 5. Juni 1902 starb Ferdinand Meyer. Die Beerdigung fand am 9. Juni in Gegenwart vieler Vertreter städtischer Behörden, vor allem aus der Bau-Deputation (Abteilung II Tiefbau), auf dem Kirchhof Dreifaltigkeit II in der Bergmannstraße ( Abt. A Reihe 18 Nr. 17) statt. Der Verein für die Geschichte Berlins war durch den Hauptschriftwart Hans Brendicke und den Schriftführer Waldemar Bonnel vertreten und würdigte den Verstorbenen in den Mitteilungen (Nr. 6/1902, S. 79-80). Der Vorsitzende der Brandenburgia, Ernst Friedel, dankte mit folgenden Worten:

„Unser alter guter Freund und Gesellschaftsgenosse Ferdinand Meyer hat am 6. Juni [richtig ist wohl der 5. Juni] das Zeitliche gesegnet und ist unter lebhafter Anteilnahme der Brandenburgia am 9. dess. auf dem Dreifaltigkeitskirchhof an der Bergmannstraße beerdigt worden. Ferdinand Meyer ist in literarischer Beziehung im besten Sinne ein selbstgemachter Mann gewesen, seine umfassenden landes- und kulturgeschichtlichen Kenntnisse verdankte er neben natürlicher Begabung einem eisernen Fleiß. Still und geräuschlos, ohne viel Wesens zu machen, hat er für Berlin und die Berliner Jahrzehnte lang gewirkt. Mit ihm geht einer der besten Kenner unserer Reichshauptstadt dahin. Seit Jahrzehnten ist er als Berichterstatter für berlinische, meist ortsgeschichtliche Angelegenheiten bei dem spezifisch-berlinischen Organ, der Vossischen Zeitung, mit Erfolg tätig gewesen. Neben dem Archivar Ernst Fidicin, gleich ihm einem Beamten im Dienste unserer Stadtgemeinde, und neben Dr. Beer, kann er als Begründer des hochangesehenen Vereins für die Geschichte Berlins gelten. Das Mitgliederverzeichnis unserer Brandenburgia führte ihn mit drei Sternchen, als Zeichen, dass er zu ihren Mitbegründern gehörte. Unsere Gesellschaft hat kaum ein eifrigeres Mitglied gehabt, sicherlich kein treueres. Allzeit dienstfertig und gefällig ist Ferdinand Meyer nicht bloß unserer wissenschaftlichen Vereinigung, sondern auch vielen Mitgliedern von großem Nutzen gewesen. [...] Ferdinand Meyers Andenken wird in unserem Kreise stets hochgehalten werden."(„Brandenburgia" 1902/1903, S. 261).

Das Grab von Ferdinand Meyer hat sich nicht erhalten.