Von Sibylle Einholz

Erschienen im Jahrbuch 2006  des Vereins für die Geschichte Berlins

jahrbuch-2006Im folgenden wird ein Thema vorgestellt, das eine Verbindung des Vereins für die Geschichte Berlins mit der Fotografiegeschichte der Stadt nachweisen soll. Das Ergebnis der verknüpften Auswertung ist erstaunlich und unerwartet. Belege zur Fotografiegeschichte in Berlin befinden sich in nicht unwesentlicher Anzahl im Besitz des Vereins. Vereinsgeschichterückt ins Bild -wenn auch die Auseinandersetzung zu weiten Teilen Aspekten folgt, deren Ansätze der fotografisch-historischen Erschließung zugeordnet sind. Und doch ist es am Ende eine Unterstreichung der Bedeutung des Vereins und seiner erhaltenen Dokumente der Vereinsgeschichte - nämlich der Vereinsalben mit den fotografischen Abbildern der ersten Generation seiner Mitglieder. Die dazugehörige Sichtung und abschließende Neubewertungkam durch einen besonderen Umstand ins Rollen.

Der Studiengang Museumskunde an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) Berlin startete 2003 ein auf längere Dauer angelegtes Forschungsvorhaben, das sichmit der Dokumentation Berliner Fotografenateliers des 19. Jahrhunderts befasst. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Fotografiegeschichte und einer Fotografiegeschichte in Berlinsollen Einrichtungen und Vertreter dieses wichtigen Gewerbezweiges zunächst für denZeitraum bis zum Jahr 1900 ermittelt werden. Eine wesentliche Recherche galt von Anfangan erhaltenen fotografischen Beständen als sichtbarem Beleg für die Existenz der gesuchten Ateliers. Durch Zufall war man wenige Jahre zuvor auf die Vereinsalben gestoßen, diemit einer verblüffenden Vielfalt von beauftragten Ateliers aufwarten konnten[1]. So wurden diese -zusammen mit weiteren Sammlungsbeständen unterschiedlicher Herkunft - zum Ausgangspunkt der Untersuchung.[2]

Vor welchem Hintergrund ist das Thema zu sehen? 1861 wurde dem Gründer des Gewerbeinstitutes und Förderer des Gewerbefleißes, dem 1853 gestorbenen Peter Christian Wilhelm Beuth, in Berlin ein Denkmal errichtet. Es steht nach Jahren der Abwesenheit inzwischen wieder an seinem alten Platz, wenn auch ohne die wichtigen und sinnreichen Sockelreliefs.[3] Am Denkmal befand sich ehemals ein 1860 von Friedrich Drake signiertes Relief, das -so heißt es - erstmalig in der Geschichte überhaupt, eine Fotografenkamera in der Bildhauerkunst darstellte und damit eine bildnerische Interpretation des beginnenden technischen Zeitalters bot. Abgebildet ist dort kein geringerer als Louis Jacques Mande Daguerre (1787-1851), der mit einer von ihm entwickelten Kamera die naturalistischbiedermeierlich wirkende Gruppe einer Mutter mit ihren Kindern ablichtet.

Das Relief ist zweigeteilt. Neben der Fotografieszene sind es die großen Künstler der Zeit, die - auf der Suche nach Wahrheit - gemeinsam die Bereiche Gewerbe, Kunst und Natur in Beziehungsetzen und gleichzeitig Lehrer sind. Wir erkennen unter anderen Karl Friedrich Schinkel, Christian Daniel Rauch und Johann Wolfgang von Goethe, dessen Leitspruch "Denn die Natur ist aller Meister Meister, sie zeigt uns erst den Geist der Geister" über den beiden Bildsequenzen des Reliefs angebracht ist.

Beuth selbst soll dafür gesorgt haben, dass eine Daguerre-Kamera in die Lehrsammlung des Gewerbeinstitutes aufgenommen wurde. Seine tatsächliche Haltung zur Fotografie und deren Förderung ist allerdings umstritten. Zum Zeitpunkt der Errichtung des Denkmals hatte das fotografische Gewerbe aber auch in Berlin längst seinen Siegeszug angetreten.

Paul Konewka, Tischkarte zum 1. Stiftungsfest des Photographischen Vereins in Berlin am 18. November 1864. Repro im Landesarchiv Berlin

Abb. 1: Paul Konewka, Tischkarte zum 1. Stiftungsfest des Photographischen Vereins in Berlin am 18. November 1864. Repro im Landesarchiv Berlin


In der Fotosammlung des Landesarchivs Berlin befindet sich die Reproduktion einer Zeichnung, die auf ein anderes Ereignis hinweist. Die Abbildung zeigt eine von Paul Konewka gezeichnete Tischkarte des I. Stiftungsfestes der Vereinsgründung des Photographischen Vereins in Berlin an Daguerres Geburtstag am 18. November 1864[4] - exakt zwei Monate und zehn Tage vor unserer Vereinsgründung am 28. Januar 1865. Man erkennt sofort Parallelen: Beiden Vereinen ist ein humoriger Umgang mit Geschichte nicht abzusprechen. Die heitere Komponente der Zusammenkünfte war offenbar beiden gemein. Die Porträts der Tischkarte harren noch der Entschlüsselung. Ihre Reproduktion im Bestand des Landesarchivs weist möglicherweise auf die bedeutende Sammlung Dost zurück, in der sich das Original befunden hat. Weitere Reproduktionen dieses Sammlungsbestandes wurden unlängst auf der Basis gemeinsamer Merkmale analysiert und zugeordnet.[5]

Die Autoren Wilhelm Dost und Erich Stenger beschäftigten sich bereits 1922 in ihrer Veröffentlichung "Die Daguerreotypie in Berlin 1839-1860"[6] am Beispiel der Entwicklung des Daguerreotypistengewerbes mit der Fotografiegeschichte Berlins im 19. Jahrhundert. Unter anderem findet man dort Kurzbiografien der bedeutendsten Vertreter und ein Verzeichnis der Daguerreotypisten mit Angaben zu Adressen, sowie dem Zeitraum der Existenz ihrer Firmen. Diese Publikation kann als ein Vorläufer der nun durchgeführten studentischen Untersuchung angesehen werden. Das alphabetische Register bietet den ersten Ansatz einer Datensammlung im Sinne heutiger Erfassungsmethodik.
Wilhelm Dost war Mitglied des Vereins für die Geschichte Berlins. Er weist im Vorwort zu seiner oben erwähnten Schrift auf diese Tatsache hin: "Als Mitglied des Vereins für die Geschichte Berlins ... fand ich gute Unterstützung seitens der betreffenden Behörden, Archiveund maßgebender Forscher und Sammler." Ob er wohl auch - so naheliegend - einenBlick in die Vereinsalben mit Fotografien seit 1865 geworfen hat? Oder ist ihm dieser Schatz entgangen?

Zu den namhaftesten Berliner Fotografen sind in der Vergangenheit wichtige Informationen zusammengetragen worden, die dennoch die Summe aller in Berlin tätigen Vertreter des Fotografenstandes auch nicht annähernd erkennen lassen. Die Zahl der in Berlin ansässigen Fotografen, deren Ateliers über die gesamte Stadt verteilt waren, wird vor allem durch die in großer Fülle in unterschiedlichen öffentlichen und privaten Sammlungen erhaltenen Porträtfotografien, den Cartes de visite und Kabinettkarten, deutlich. Was kann man, außer Namen und Adressen der Fotografen, über die jeweiligen Ateliers in Erfahrung bringen? Wo befanden sie sich? Wie waren sie eingerichtet? Welche Klientel wurde bedient? Wo lagen weitere Angebote oder Spezialisierungen? Wie schnell konnten technische Neuerungen umgesetzt werden? Wie wurde geworben? Und nicht zuletzt: Wo befinden sich erhaltene Arbeiten? Hier liegen wichtige Ansatzpunkte einer Recherche. Auch der unbekanntere Fotograf soll mit seinem Geschäftssitz, dem Atelier und seinen Angeboten an die bürgerliche Kundschaft erfasst, seine erhaltenen Arbeitsergebnisse als Teil der Gesamterzeugnisse des fotografischen Gewerbes in Berlin verstanden werden.

Ausgewertet werden neben Adressbüchern und Registern des Fotografenstandes, ältere und neuere Literatur zum Atelier allgemein, zur Berliner Fotografiegeschichte und Fachzeitschriften des 19. Jahrhunderts. Zunächst musste es darum gehen, Fotografen- und Ateliernamen sowie deren Adressen ausfindig zu machen und somit grundlegende Informationen für die weitere Forschung zur Verfügung zu stellen. Die zweite Belegebene waren erhaltene Bestände, die bestätigend und erweiternd die Auskünfte zu den Ateliers bereichern. Während die Alben des Landesarchivs Berlin und des Vereins für die Geschichte Berlins (männliche) Honoratioren auf Visitenkartenporträts zeigen, die alle namentlich bezeichnet sind und damit den großen Vorzug bieten, im Nachhinein die Klientel eines Ateliers zu benennen, bilden die meist anonymen Porträts anderer Sammlungen Männer, Frauen und Kinder ab. Allen gemeinsam ist die mehr oder weniger genaue Entstehungszeit im Untersuchungszeitraum bis 1900. Doch mehr noch wiegt der Nachweis einer außerordentlich großen Anzahl unterschiedlicher Atelierherkünfte, die sich über das ganze Stadtgebiet verteilen und von den vornehmsten Geschäftsstraßen über sich herausbildende Zentren - beispielsweise in Bahnhofsnähe - bis in die einfacheren Stadtrandviertel reichen.

Von besonderem Quellenwert erwies sich von Anfang an der gesamte Bestand des Vereins für die Geschichte Berlins - insbesondere die Vereinsalben -, der uns zur Bearbeitung zur Verfügung gestellt wurde. Er wird im Verein als Archiv- und nicht als Sammlungsbestand geführt.[7] Der für das genannte Projekt als Untersuchungsmaterial genutzte Bestand ist historisch gewachsen und besteht aus vier Alben und einem Konvolut Einzelfotografien. Es handelt sich um einen geschlossenen Bestand, der hauptsächlich Cartes de visite, aber auch Cabinet-Format aufweist. Die Sammlung wurde initiiert und begonnen vom ersten Vereinsarchivar, Carl Ernst Fidicin, der vom Gründungsjahr des Vereins bis 1875 die Mitgliederporträts sammelte. Aus der Zeit seiner Archivtätigkeit soll der größte Teil der Fotografien stammen.[8] Fidicins Nachfolger, "Geh. Registrator" Dr. Brecht - seit 1866 im Verein -, forderte keine Porträts der Vereinsmitglieder an. Er bekleidete das Amt des Vereinsarchivars von 1875 bis 1884. Sein Nachfolger wiederum, Archivar Brose - "Geh. Kanzlei-Sekretär im Königl. Geheimen Staatsarchiv" und seit April 1871 Mitglied -, sammelte wieder und zwar von 1884 bis 1889. In den Veröffentlichungen erschienen in Abständen Aufrufe, um die säumigen Vereinsmitglieder an die Abgabe ihrer Bildnisse für das Vereinsarchiv zu erinnern. Brose ist übrigens zweifach mit Porträts in den Vereinsalben erhalten, deren Datierung mindesten 20 Jahre auseinanderliegen dürfte.[9]
Nach Broses Archivtätigkeit wurden zwar weiter Porträts abgegeben, doch es scheint, dass die Sammeltätigkeit kaum über die 1890er Jahre hinweg in ihrer ursprünglichen Zielsetzung durchgehalten wurde.

Die Porträtfotografien von Vereinsmitgliedern in den Alben entstanden fast ausschließlich in den Jahren 1865 bis ca. 1895. Die Alben sind einzeln verzeichnet und mit Seitenzahlen versehen. Die in die Kulissen der Albumseiten eingesteckten Fotografien sind durchgehend (mit Kugelschreiber) nummeriert. Unter den Kulissenfenstern sind die Porträts namentlich beschriftet, entweder durch den aus dem Mitgliederverzeichnis ausgeschnittenen Namenszug oder handschriftlich. [10] Wichtig war jeweils der Hinweis auf den Vereinseintritt. Im übrigen ist zu bezweifeln, dass die Alben in der heutigen Verzeichnung angelegt wurden.

Atelier Heinrich Graf, Schatzmeister Theodor Flatau, um 1865 (recto und verso). Vereinfür die Geschichte Berlins e. V.

Abb.2: Atelier Heinrich Graf, Schatzmeister Theodor Flatau, um 1865 (recto und verso). Verein für die Geschichte Berlins e. V.


Vielmehr ist das Album 2 der Beginn, gefolgt von dem ebenso konsequent im Visitformat angefüllten Album 3. Das Album 1 und 4 unterscheiden sich auch durch das in ihnen unterzubringende spätere Kabinettformat. Am Ende des Albums 1 befinden sich Fotografien, die erst nach 1945 entstanden.[11] Das im Vereinsarchiv ebenfalls vorhandene Konvolut mit Einzelfotografien im Cabinet-Format, das zur Sichtung und Bewertung im Sinne des Fotografenatelier-Projektes mit einbezogen wurde, entstand ca. 1880 bis 1910 und wurde dem Verein vor wenigen Jahren übergeben. Es handelt sich - wie auch beim Album 4 - zum größten Teil um sogenannte Sammelbilder berühmter Persönlichkeiten, deren Bildnis von zahlreichen Ateliers angeboten wurde. In einigen Fällen waren diese, wie z.B. Theodor Fontane oder Adolph Menzel, gleichfalls Mitglieder des Vereins. Heute ergänzt dieses Konvolut zusammen mit dem Albunt 4 in interessanter Weise die inhaltlich auf Mitgliederporträts festgelegten Alben und verweist auf das Thema der Sammlungsgeschichte von Fotografien. Diesem zuzuordnen sind auch Alben als übliche Aufbewahrungs-und Präsentationsformen. Die Vereinsalben sind sog. Prachtalben mit Applikationen, Dekorationsmalerei und Schließen. Sie stellen wohl auch äußerlich keine Ausnahme dar, wenn auch der röhrende Hirsch des Albums 2 so erscheinen mag. Verbreiteter waren Ledereinband und Metallkartuschen in Form von Applikationen, Goldschnitt, Kulisse mit Einsteckfenstern. Erich Stenger bemerkt: "Es gibt wohl nicht leicht einen Luxusartikel, der so schnell und so allgemein Verbreitung gefunden hat, als die Albums zu Visitenkartenphotographien."[12] Der Zustand der Vereinsalben ist generell beklagenswert und erheblich schlechter als die darin erhaltenen Fotografien. Immerhin haben die Alben ausgelagert bei Vereinsmitgliedern die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges, denen beim Brand von Bibliothek und Archiv im Deutschen Dom ein großer Teil der Vereinsunterlagen zum Opfer fiel, überstanden.

Bevor allein mit den genannten Beständen des Vereins Aspekte der Fotografiegeschichte belegt werden, sollen Besonderheiten und die Bedeutung für die Vereinsgeschichte unterstrichen werden. In den Vereinsalben sind die Porträts der Gründer und der Gründergeneration des Vereins erhalten. Mit neuem Bewusstsein nehmen wir ihre Bildnisse wahr: Geh. Hofrat Louis Schneider, Sanitätsrat Dr. Julius Beer - erster Schriftruhrer -, Kommerzienrat Theodor Flatau - seit Gründung der Schatzmeister des Vereins -, Architekt und Baurat Prof. Friedrich Adler, Ernst Friedel - Vorsitzender des Vereins 1884-91, Stadtrat und erster Direktor des Märkischen Provinzialmuseums, mit dessen Entstehen der Verein so eng verbunden war -, Schulvorsteher F. Budczies und der Vereinsbote Ullrich.[13] Das visuelle Mitgliederverzeichnis der Alben bietet darüber hinaus weit mehr, als
die nach 1869 entstehenden, gedruckten Mitgliedschaftsnachweise. Viele der Porträtierten machten eigenhändig biografische Notizen für den Vereinsarchivar auf den Rückseiten ihrer Fotografien. So haben sich unerwartet Autografen erhalten, die erst nach vorsichtiger Entnahme aus dem Albumverband zum Zweck der Gesamterfassung der fotografischen Objekte sichtbarwurden![14] In einigenFällen enthielten die Kulissenfenster zweiübereinander befindliche Porträts derselben Person, die zu unterschiedlichen Zeiten aufgenommen worden waren. Diese Doppelporträts ermöglichen, individuelle Biografien und die Spanne der Vereinszugehörigkeit bildlich zu belegen.[15]
Stadtrat und Stadtältester Friedrich Krug begegnet uns mit ,,50 1/2," Jahren, wie auf der Rückseite seines Visitkartenporträts angegeben ist, und - den Alterungsprozess zeigend - wohl 30 Jahre später. Seinem Fotografenatelier R. Marowsky blieb er treu![16] Gerichtsassessor Dr.jur. Beringuier wurde am 9. März 1878 vom Atelier J.C. Schaarwächter und ungefähr zehn Jahre später von F. Albert Schwartz abgelichtet, der als Fotograf für den Verein eine besondere Stellung innehatte. [17]

Wenden wir uns nun der Bedeutung des Vereinsbestandes als Quelle rur die Berliner und die allgemeine Fotografiegeschichte zu. Die quantitative Analyse belegt den Nachweis von 148 Ateliers (!) bei einer Gesamtzahl von 492 fotografischen Objekten, die in ungefähr drei Jahrzehnten entstanden waren. An der Spitze der bevorzugten Ateliers steht unschlagbar mit 29 fotografischen Porträts Theodor Prümm. Es folgen mit 23 Bildnissen das Atelier Heinrich Graf und das Atelier Loescher & Petsch mit 18 Aufnahmen. 1. C. Schaarwächter weist 17 Aufträge nach und jeweils 15 Fotografien stammen vom Atelier Phillip Graff (Nachfolger), dem Atelier Jarnrath & Sohn und dem Atelier Pflaum & Co, dessen Inhaber, Max Pflaum, Vereinsmitglied war.[18] Die genannten Namen weisen zum Teil in die früheste Berliner Fotografiegeschichte zurück.[19] Mit Schaarwächter ist der erfolgreichste Fotograf des späten 19. Jahrhunderts genannt, der von seinen Zeitgenossen als international bedeutend eingeschätzt wurde.

Atelier R. Marowsky (beide), Stadtrat und Stadtältester Friedrich Krug, um 1865 (links), um 1883(rechts). Verein für die Geschichte Berlins e. V.

Abb.3: Atelier R. Marowsky (beide), Stadtrat und Stadtältester Friedrich Krug, um 1865 (links), um 1883 (rechts). Verein für die Geschichte Berlins e. V.


Welche Fotografen oder Betreiber von Fotografenateliers waren vor 1900 Mitglieder des Berliner Geschichtsvereins? Am frühesten nachweisen lässt sich Max Pflaum (1830-1885), der zu Beginn des Jahres 1868 dem Verein beitrat. F. Albert Schwartz wurde im Februar 1877 Mitglied. Francois Cornand war seit April 1884 im Verein.2O Sein, seit 1879 prosperierendes Geschäft befand sich bis 1889 in der Leipziger Straße 128, danach Leipziger Straße 115/116. Cornand war viele Jahre aktives Mitglied im Photographischen Verein zu Berlin.[21] Als einziger der oben Genannten ist Max Pflaum, Inhaberdes Ateliers Pflaum & Co, mit seinem Abbild in den Alben präsent.[22] Das 1868 entstandene Visitkarten-Porträt ist natürlich eine Arbeit des eigenen Ateliers. Weitere 15 Porträts anderer Vereinsmitglieder stammen von Pflaum & Co und ermöglichen so, einen Einblick in die Klientel des Ateliers:
Oberbürgermeister Hobrecht ist zuzuordnen, eine ganze Reihe Kaufleute, Bankiers und Maklerlieferten im Vereinsarchiv ein Porträt aus dem Atelier Pflaum & Co ab.

Atelier des Hoffotografen F. Jamrath & Sohn, Rückseite der Fotografiekarte des Schriftstellers Johannes Bloch, nach 1873. Verein :für die Geschichte Berlins e. V.

Abb. 4: Atelier des Hoffotografen F. Jamrath & Sohn, Rückseite der Fotografiekarte des Schriftstellers Johannes Bloch, nach 1873. Verein für die Geschichte Berlins e. V.


Was wissen wir über Max Pflaum? Die Akten des Polizeipräsidenten ermöglichen uns, seinen biografischen Hintergrund aufzudecken - sonst ein mit größten Schwierigkeiten verbundenes Unterfangen, es sei denn, ein bedeutender Zeitgenosse stünde im Zentrum des Interesses. 1830 in Rawicz geboren, kam Pflaum Anfang der 1860er Jahre nach Berlin. Er war mit der aus Glogau stammenden, acht Jahre jüngeren Henriette Seelig verheiratet. Der Sohn Georg (1860-1901) wurde noch in Glogau geboren.[23] Die erste Atelieradresse des Fotografen ist im Berliner Adressbuch 1863 mit Leipziger Straße 44 nachgewiesen.[24] Man kann wohl davon ausgehen, dass Pflaum erfolgreich war, denn bereits 1866 - nun Königstraße 31 wurde er vom Preußischen König zum Hoffotografen ernannt und in diesem Zusammenhang sein Geschäft in den Akten schon als sehr bedeutend bezeichnet. Sieben Personen sind im Atelier beschäftigt und der Jahresumsatz beträgt 10000 Taler bei 18000 Talern Vermögen. Weitere Prädikate anderer Höfe folgen in den kommenden Jahren und mit dem Antrag auf Annahmebewilligung jeweils eine aktuelle Darstellung der Geschäftssituation. 1885 wird der Umsatz auf 30000 Mark (!) geschätzt Die Adresse ist nun Königstraße 57 a. Die Rückseiten der Fotografiekarten zwischen 1866 und 1885 dokumentieren Ernennungen und Auszeichnungen des Hoffotografen: Goldene Medaille des Königs von Preußen (später des Königs und Kaisers), Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft des Königs von Württemberg, Kgl. Schwedischer Verdienstorden, Goldene Medaillerur Kunst und Gewerbe des Königs von Sachsen, Herzog Meiningsche Goldene Verdienstmedaille. 1875 heißt es in einer Niederschrift der Polizeiakte zu Max Pflaum:
"Sein sehnlichster Wunsch ist es, auch von seinem Landesherrn mit einer Auszeichnung beglücktzu werden und dürfte es um so weniger einem Bedenken unterliegen, ihn zu dem königlichen Kronen Orden 4. Klasse in Vorschlag zu bringen, als der Pflaum in seiner politischen Richtung nach der streng conservativen Partei angehörig, sich durch patriotische Gaben von nicht unbedeutendem Wertheausgezeichnet hat."
Als Beweis werden ca "10000 Bilder der Allerhöchsten und höchsten Herrschaften" genannt, die Pflaum zu patriotischen Zwecken an militärische Truppenteile geschenkt hatte. Er sei stets bereit, der guten Sache in ähnlicher Weise zu dienen.[25]

Der Titel "Hof-Photograph" war wohl die begehrteste Auszeichnung aller Atelierfotografen. Sie war einerseits an Bedingungen geknüpft, bot andererseits aber durch die Präsentation der Prädikate und Wappen eine Werbung höchsten Niveaus.[26] Das Prädikat "Hof-Photograph" konnte für Aufträge, aber auch Ankäufe und Schenkungen von hervorragenden Arbeiten der Atelierfotografen an herrschende Häuser verliehen werden. Im Anschluss bemühte sich der Fotograf selbst um das Prädikat. Oft dürfte auch die Geschäftstüchtigkeit eine Rolle gespielt haben, wenn dem unaufgefordert übersandten Präsent der Antrag auf Führen des Hofprädikates folgte. Die Erlangung des Hoffotografentitels unterlag formalen Bestimmungen. Der Antrag zur Führung eines Hofprädikats war an den Berliner Polizeipräsidenten zu richten. Der Antragssteller benötigte ein Führungszeugnis über die persönlichen, die familiären und die Vermögensverhältnisse, über seinen Ruf - bis hin zur politischen Einstellung -, sowie über den Umfang und das fachliche Renomme des von ihm betriebenen Geschäftsbetriebes. Wurde dem Antrag stattgegeben, so musste der Hoffotografwiederum auf bestimmte Formalitäten achten. Alle Materialien, wie Fotokartons, Geschäftspapiere etc. mussten mit der präzisen Bezeichnung des Titels und Verleihers versehen sein. Zur Überprüfung des ordnungsgemäßen Umgangs mussten bei der Polizeibehörde Exemplare der Druckerzeugnisse oder Zeichnungen der Geschäftsfassadengestaltung mit den Wappen der verleihenden Höfe eingereicht werden.[27] Auch die auf den Unterlagen abgebildeten Medaillen mussten mit der genauen, richtigen Bezeichnung und dem Namen des Verleihers und dem Ort des Gewinns, beispielsweise eine Ausstellung, bezeichnet werden. Mehrfach sind in den Akten des Polizeipräsidenten Fälle nachweisbar, in denen leichtfertigerweise der Titel unvollständig genutzt wurde. Die verkürzte Form "Hof-Photograph" war lediglich jenen vorbehalten, die das Prädikat des Preußischen Königs und Deutschen Kaisers besaßen. Alle anderen mussten jederzeit und genau den verleihenden Hof zusammen mit dem Titel nennen. Der Missbrauch des Prädikats war unter Strafe gestellt, so konnte bei Betrugsverdacht, also bei unrechtmäßigem oder falschem Gebrauch des Titels, das Führen der Bezeichnung und das Abbilden der Wappen verboten werden. Bei wiederholtem Täuschungsversuch wurden Geld-und/oder Haftstrafen verhängt.[28]

Der Titel des Hoffotografen war personengebunden und nur in Ausnahmefällen wurde die Weiterverwendung durch die Witwe, die Söhne oder Geschäftspartner möglich. Als Max Pflaum unerwartet 1885 starb, übernahm seine Witwe, Henriette Pflaum, in Gemeinschaft mit dem Sohn Georg das Atelier. Georg war nach Auslandsaufenthalten in England und Frankreich, wo er sich künstlerisch hatte ausbilden lassen, nach Berlin zurückgekehrt und war, noch zu Lebzeiten des Vaters, in das Atelier eingetreten. Bevor - wie sonst üblich - umgehend die Wappen von der Geschäftsfassade und den Schaukästen, welche die Firma an den Häusern Heiligegeiststraße 23 und Poststraße 31 hatte, eingezogen wurden, gelang es Georg Pflaum und seiner Mutter, im Dezember 1885 die Erlaubnis auf Weiterführung aller Titel durchzusetzen.[29] Georg Pflaum ruhrte das Geschäft erfolgreich weiter. Im März 1891 übersandte er "Seiner Majestät dem Kaiser und König ein größeres Album mit photographischen Aufnahmen von Seinem und dem von Wildenbruch'schen Stücke ,Der neue Herr' mit der Bitte um allerhöchste Annahme ". Bemerkenswert und den Akten des Polizeipräsidenten zu entnehmen ist, dass erst 1891 einem Beamten einfällt zu schreiben, dass Georg Pflaum "mosaischen Glaubens" ist. Vorher schien das offenbar gleichgültig in der Darstellung des Leumunds. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte er täglich zwölf Gehilfen und Gehilfinnen, erzielte mit einem Betriebskapital von 10000 Mark einen jährlichen Umsatz von etwa 50000 Mark. Er zahlte für die Geschäftslokalitäten und seine Privatwohnung jährlich eine Miete von 7800 Mark. "Das Geschäft der Pflaums ist ein ziemlich umfangreiches. Die Arbeiten werden als recht tüchtig und sorgfältig bezeichnet und hat sein Vater, wie er später selbst, auch Aufnahmen von weiland seiner Majestät der Kaiser Wilhelm I und Friedrich III bei geeigneten Gelegenheiten verschiedenen Truppentheilen zum Geschenk gemacht. "Derselbe Beamte, der darüber zu befinden hatte, ob auch der Sohn Pflaums würdig genug sei, für das Geschenk des oben genannten Albums ein Hof-Prädikat zu übernehmen, bemerkte in seinem Schreiben, dass "nach jüdischer Geschäftsart" die Nebenabsicht einer Auszeichnung mit dem Geschenk verknüpft gewesen sei.[30]
Georg Pflaum starb 1901 nach kurzem Leiden mit nur 41 JahrenY Es ist nicht ohne Tragik, dass die Witwe Henriette Pflaum auch ihren Sohn überlebte. Sie blieb Haupteigentümerin des Geschäftes, das 1901 in die Leipziger Straße 73/74 umgezogen war und eine Filiale in der Potsdamer Straße 134a hatte. Die Akte des Polizeipräsidenten wurde 1901 geschlossen.

Wo siedelten sich die Ateliers vornehmlich an? Zwischen 1850 und 1900 dominieren in Berlin mit Abstand drei Straßenzüge: Unter den Linden, Friedrichstraße und Leipziger Straße. Der Boulevard Unter den Linden war die vornehmste Adresse, die Leipziger Straße die bedeutendste Geschäftsstraße und die Friedrichstraße die Verbindung dieser beiden, die nach Öffnung des Bahnhofs 1882 zusätzlich Publikum anzog.
Der außerordentlich oft abgebildete Boulevard Unter den Linden,an dem sich bis 1900 fast 80 Fotografenateliers nachweisen ließen, zeigt auf alten Aufnahmen - wohl eher zuIällig - eine Reihe von Geschäftsfassaden, die Atelierniederlassungen dokumentieren.[32]
Ateliers, die sich Unter den Linden befanden, gehörten zu den namhaftesten und meistfrequentierten der damaligen Zeit. Nicht wenige ihrer Betreiber waren zu "Hof-Photographen" ernannt worden und trugen dieses Prädikat und die dazugehörigen Wappen an den Geschäften voller Stolz. Erkennbar wird auch, dass es an dieser Straße Atelier-Ballungszentren gab. Die meisten befanden sich dort, wo die Vielzahl der Geschäfte, Banken, Hotels und Restaurants ihren Platz hatten. Besonders viele Ateliers waren im Laufeder Zeit Unter den Linden Nummer 10 bis 25 und von 45 bis 70 - alle um die Kreuzung zur Friedrichstraße herum - ansässig. Diese Kreuzung entwickelte sich außerdem - neben einem Verkehrsknotenpunkt - zu einem der meistfotografierten Orte der Stadt Berlin.

Der Fotograf Theodor Prümm (1841-1890)33 war mit Abstand der meist beauftrage Atelierfotograf bei den Porträts der Vereinsmitglieder. Die erstklassige Adresse - Unter den Linden 51 - und eine noble Klientel der besseren Kreise der Berliner Gesellschaft unterstrichen seine Bedeutung. Prümm gehörte als Atelierfotograf zwischen 1865 und 1890 fraglos zu den bekanntesten Vertretern seines Gewerbes in Berlin. Die Anziehungskraft seines Ateliers spiegelt sich in den Vereinsalben wider.
JohannesTheodor Prfunm, Sohn eines Berliner Zuckersiedemeisters, trat nach seiner Schulzeit an der Königstädtischen Realschule als Drogisten-Lehrling in die Berliner Firma des Kaufmanns J. Braumüller ein, dessen "Drogueriewaarenhandlung" in der Zimmerstraße 35 lag. Während der Ausbildung lernte er den späteren Fotografen Max Petsch (nachmals Mitinhaber der Firma Firma Loescher & Petsch, Leipziger Straße 114) kennen, der ihn zur Fotografie brachte. Nach seiner Tätigkeit als Drogist arbeitete Prümm als Operateur im "Beyrich'schen Geschäft", das der Pharmazeut und Fotograf Ferdinand Beyrich betrieb. Dabeihandelte es sich um einen der ersten Betriebe in Berlin, die Fotochemikalien herstellten. Ferdinand Beyrich, Besitzer der "Apotheke zum gekrönten Adler" in der Poststraße 4, war Mitglied im "Verein zur Förderung der Photographie".[34] Im Dezember 1864 eröffnete Prümm sein erstes eigenes Atelier in der Neustädtischen Kirchstraße 7. Von 1866 bis 1890 befand sich sein Atelier am Boulevard Unter den Linden, im dritten Stock des Hauses Nr. 51, wo vor ihm der Ate1ierfotograf Lehmann residiert hatte. Dort konnte Prümm noch im Dezember 1889 sein 25jähriges Geschäftsjubiläum feiern. Das Atelier lag günstig in fußläufiger Nähe zur Kreuzung Friedrichstraße und zur Universität. Weitere Ateliers in der näheren Umgebung der gleichen Straßenseite betrieben im GeschäftshausNr. 45 - einander zeitlich folgend - Eduard Salingre (1869 bis 1876), der an seinen Bruder Emil Salingre verkaufte, F. Geibier (1877), M. Liebmann (1878 bis 1879)und Hermann Noack (1879 bis 1900). Im Gebäude Nr. 47, direkt an der Straßenecke zur Friedrichstraße, befanden sich die Ateliers A. und F. Zeuschner (bis 1870), Scharffe & Blumberg (1875) und nach 1876 Hermann Bock (davor Friedrichstraße 185), dessen Atelier später Julius Staudt übernahm. Auf der gegenüberliegenden Seite des breiten Boulevards waren zu Prümms Zeiten im Haus Nr. 13 seit 1873 das Atelier Ernst Milster, dem nach 1883 Jan van Ronzelen folgte, der hier als erster ein Atelier mit elektrischem Licht betrieb. In der Hausnummer 15 war nach 1880 Edmund Risse ansässig. In der Nr. 19 residierte Hanns Hanfstaengl (ab 1882). H. Schnaebeli war -nach unterschiedlichen Adressen in derselben Straße - ab 1882 Unter den Linden 20 ansässig und Carl Suck, das älteste Atelier, residierte im Haus Nr. 24 (1861-1885). Ihm folgte 1886 unter gleicher Adresse Oscar Roloff (bis 1892).[35]

Arbeitsräume des Ateliers Waldemar Titzenthaler, gegen 1900. Landesarchiv Berlin

Abb. 5: Arbeitsräume des Ateliers Waldemar Titzenthaler, gegen 1900. Landesarchiv Berlin


Theodor Prümm, der beliebteste Atelierfotograf der Vereinsmitglieder bis 1890, gehörte zu den Gründern des "Vereins zur Förderung der Photographie" (1869) und blieb bis 1883 ein engagiertes Mitglied. Über mehrere Jahre bekleidete er das Amt des Stellvertretenden Vorsitzenden. Er beteiligte sich häufig an der Erprobung technischer Neuerungen und stellte diese dann im oben genannten Verein vor. Er war in verschiedene Kommissionen verpflichtet, so beispielsweise der "Commission zur Prüfung der Periskope und Pantoskope" (1867), der "Prüfungskommission für Objective" (1867) und der "Commission zur Prüfung von Negativlacken" (1871). Diese Kommissionen wurden aus dem Verein gewählt und mit der näheren Prüfung von Neuerungen beauftragt. Prümm arbeitete ebenfalls an der Erstellung einer Broschüre zum Thema "Belehrung des Publikums über das Verhalten bei photographischen Aufnahmen" mit (erschienen 1871). Ebenfalls 1871 wirkte er bei der Erprobung eines neuen Papiers (leptographisches Papier) mit, empfahl dieses jedoch nur für Amateure, nicht jedoch für professionelle Fotografen.[36] Auf der "3 Photographischen Ausstellung Hamburg" wurde Theodor Prümm 1868 mit einer Bronzenen Medaille in der Kategorie "wissenschaftliche Photographie aus dem Gebiet der Entomologie" geehrt. Über diesen Teil seiner Fotografentätigkeit ist mehr bisher nicht bekannt. Einige Außenaufnahmen werden im Jahr 1882 erwähnt. So fotografierte er in Rostock/Wamemünde einfahrende Schiffe und in Berlin eine Segelregatta auf dem Müggelsee. Sein Fokus lag anscheinend nicht auf der Dokumentation der Stadt Berlin oder des Boulevards Unter den Linden. Theodor Prümm führte nicht, wie viele seiner Kollegen, den Titel "Hof-Photograph". Ob er sich darum bemühte, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich hatte Theodor Prümm guten und regen Kontakt zu ausgewanderten deutschen Fotografen in Amerika, die ihrerseits in einem Verein organisiert waren.[37]

Insgesamtwurden bisher mehr als 30 Fotografiekarten Prümms ausgewertet. Davon stammen 29 Fotografien aus dem Bestand des Vereins für die Geschichte Berlins. Sie geben wertvolle Hinweise auf die Kundschaft des Ateliers. Diese kann einerseits als namhaft für die Berliner Gesellschaft, andererseits aber auch als sehr vielschichtig bezeichnet werden, da beispielsweise die abgelichteten Mitglieder des Vereins für die Geschichte Berlins allen gesellschaftlichen Schichten entstammten. Bei den bekannteren Persönlichkeiten handeltes sich unter anderem um Honoratioren der Stadt, wie den Geh. Ober-Justizrat Ludwig Keibel, den Baurat und Professor Hermann Ende, Bankiers oder Mediziner, wie Dr.Granier, Dr. von Sassen, Dr. Theodor Förster, hochrangige Militärangehörige, wie den General-Leutnant von Reedern, aber auch Kaufleute und Handwerksmeister.
Die Inszenierung der Fotografien im Atelier Prümm auf der Basis des bisher untersuchten Bestandesist eher konventionell, Kulissen und Hintergründe in sind sehr schlicht gehalten. Trotzdieser eher konservativen Linie in der Atelierfotografie war Theodor Prümm sehr experimentierfreudig und vielseitig. In den "Photographischen Mitteilungen" berichtete erhäufig von Versuchen mit neuen Techniken und Materialien (1871).
Nach Prümms Tod 1890 existierte das Atelier Unter den Linden 51 noch fünf Jahre unter seinem Namen fort und wurde von verschiedenen Betreibern ("Theodor Prümm Nachfolger";"c. Grimm & Co, Atelier für Portraitphotographie, Inhaber: Carl Grimm & Bruno Brügner& Hermann Blochwitz") geführt.[38]

Ein zu verzeichnendes Phänomen ist die Ausbildung von Atelierhäusern,die - immer am gleichen Standort - im zeitlichen Überblick Vorgänger und Nachfolger erkennen lassen, wie obenschon an einigen Adressen Unter den Linden demonstriert wurde. Diese Eigenart lässt sich auch anderswo in der Stadt nachweisen. Natürlich spielte die begehrte Geschäftslage, wieUnter den Linden oder in der Leipziger Straße, eine Rolle; doch auch "traditionelle" Standortefallen auf.[39] In der Mohrenstraße 28 und in der Chausseestraße 34/35 gab es in 23 bzw.25 Jahren jeweils zehn einander folgende Atelierbesitzer. Die Leipziger Straße 114 hattein 26 Jahren elf Ateliers. 30 Jahre - mit jeweils fünf wechselnden Besitzern - bestehendie Atelieradressen Neue Wilhelmstraße 9 und Brüderstraße 2. In der Königstraße 32 gelingtmit zehn Besitzern 1850 bis 1895, also über 45 Jahre, der Nachweis als Atelieradresse.[4o] Ein interessanter Aspekt ist auch die zeitlich einzugrenzende, vermehrte Ansiedlungvon Fotografenateliers in bestimmten Quartieren oder in der Nähe Erfolg versprechender Einrichtungen. Dazu zählten "Goldgruben" wie Universitäten, Kasernen oder die vielenneuen Bahnhöfe, die das Provinz-Publikum in die Stadt brachten. Doch nicht immer ist das vermehrte Aufkommen von Fotografenateliers umgehend erklärbar.

Atelier Wilhelm Grundner, Kaufmann David, 1878 (links); Atelier Gebrüder Grundner, Bankier Brendel, 1864 (rechts). Links hat der Sessel eine eingebaute Haltevorrichtung, rechts verbirgt der Vorhang den Halteapparat. Verein für die Geschichte Berlins e. V.

Abb. 6: Atelier Wilhelm Grundner, Kaufmann David, 1878 (links); Atelier Gebrüder Grundner, Bankier Brendel, 1864 (rechts). Links hat der Sessel eine eingebaute Haltevorrichtung, rechts verbirgt der Vorhang den Halteapparat. Verein für die Geschichte Berlins e. V.


Hat man einen Blick gewonnen für die Situation von Berliner Fotografenateliers im Stadtbild,so wird man neugierig auf das Innere dieser Etablissements.[41] In den Fachzeitschriften erschienen Schilderungen namhafter Ateliers, die auch die Beschreibung der [Abbildung 6] Arbeitsräume und deren Bedingungen nicht ausließen.[42] Aus den späten 1890er Jahren fanden sich in der Fotosammlung des Landesarchivs Berlin fotografische Aufnahmen der Geschäfts-und Werkstatträume des Ateliers des Fotografen Waldemar Titzenthaler, die vielleicht auch Rückschlüsse auf die Situation der damals nur wenig zurückliegenden Jahre bieten.

Atelier Carl Wigand, Kaufmann Gerold, um 1870 (links); Atelier Heinrich Schnäbeli, Rentier Kreideweiss., nach 1870 (rechts). Beide Vereinsmitglieder posieren vor gemalter Naturkulisse. Verein für die Geschichte Berlins e. V

Abb.7: Atelier Carl Wigand, Kaufmann Gerold, um 1870 (links); Atelier Heinrich Schnäbeli, Rentier Kreideweiss., nach 1870 (rechts). Beide Vereinsmitglieder posieren vor gemalter Naturkulisse. Verein für die Geschichte Berlins e. V


Die in großer Anzahl erhaltenen Porträtfotografien geben ebenfalls über das Interieur der Aufnahmeräume Aufschlüsse. So können wir uns auch über die Fotografien in den Vereinsalben der Frage nähern, wie die Ateliers innen ausgesehen haben. Von der Einrichtung der Aufnahmeräume geben diejenigen Bildnisfotografien, die mehr, als nur ein Büstenporträt abbilden, Auskunft. Der Entwurf der arrangierten Interieurs dürfte im Verlauf der Entwicklung überall recht ähnlich ausgefallen sein, wenn auch die künstlerische Gestaltung unterschiedlich prächtig oder elegant-luxuriös sein konnte. Gemalte Natur-Kulissen, Vorhänge, Mobiliar oder Architekturelemente prägen das festgehaltene Ambiente, das weit mehr Wunsch, als zeitgenössische Realität widerspiegelte. "Nur in seltenen Fällen stand derHintergrund mit dem Lebenszuschnitt des Porträtierten in Einklang. Die Attrappe schuf ihm jedoch eine Umgebung, die er sich selbst wählen und seinen Wunschträumen anpassen konnte.''[43] Man kann wohl allgemein behaupten, dass Stilmischungen als geschmacklos galten, aber gerade die weniger betuchten Fotografen mussten auf ihr vorhandenes Repertoirezurückgreifen. Doch sie waren nicht die Ausnahme. Über Geschmacklosigkeiten und Missgriffe einzelner Fotografen, die sich bei der Auswahl und Zusammenstellung von Hintergründen und Dekorationsattrappen keine besonderen Gedanken machten, mokierte sich 1881 das Berliner Tageblatt:
"Selbst in den ersten und vornehmsten Ateliers findet man in der Regel eine gemischte Gesellschaft mehr oder weniger defecter Möbel, merkwürdig gedrechselte Stühle mit den compliciertesten Schnitzereien, ebensolche Tische, die sich meistens von den in anderen Wohnräumen in unseren Salons gebräuchlichen Einrichtungsstücken wesentlich unterscheiden; es sind eben specifisch Photographenmöbel, bei welchen die malerische Wirkung die Hauptsache bleibt."

Schaut man die Fotografien in den Vereinsalben aufmerksam an, so fallen bei einigen Exemplaren Retuschen ins Auge. Waren sie bei Fertigstellung der Fotografie möglicherweise unauffällig, so hebt der mit den Jahren entstandene Verbleichungsprozess sie nun hervor. Die Augen vieler Gesichter haben Augensterne, wohl weil die wasserblaue Färbung der Augen - in nördlichen Landstrichen keine Seltenheit - auf den Fotografien zu fade wirkte. Doch damit nicht genug: Auch die mehr oder weniger schüttere Haarpracht einiger eitler
männlicher Vereinsmitglieder - die zum großen Teil den reiferen Jahrgängen zuzuordnen sind - wiesen wundersame Verschönerungen auf, die durch den Alterungsprozess der Fotografien nun schnöde entblößt werden.[44] "Retusche war stets eines der umstrittensten Gebiete der Photographie. Als man noch nicht retuschieren gelernt hatte, da verlegte man die Beeinflussung des Bildes in das lebende Objekt. ... Abstehende Ohren wurden mittels Klebewachs (vielleicht heute noch) an den Kopf geheftet und hohle Wangen durch einen Wattebausch ausgefüllt." 1868 soll man von einem "Adonisierungsprozess" gesprochen und die Retusche gewissermaßen als "pikantes Verbrechen" gewertet haben.[45] Professor Hermann Vogel definierte 1878 die Rolle der Retusche folgendermaßen: "... sie soll mit geistigem Künstlerblick nicht die Seele nehmen, vielmehr einhauchen." 1898 war sie schlicht gesagt, der "Jungbrunnen der Berufsphotographie" (Ferdinand Avenarius). Aber auch so konnte man formulieren: "Die menschliche Eitelkeit ist eine der einträglichsten und sichersten Schwächen des Menschen. Als man die Visitkartporträts erfand, hatte man eine Goldmine entdeckt. Alle jene, welche den Geist leer und die Börse voll haben, gefielen sich darin, die Exemplare ihrer Person zu vervielfältigen."[46]
Eine Art Retusche konnte man allerdings über lange Zeit nicht entbehren: Die Eliminierung der unschönen, aber notwendigen Halteapparaturen, die so lange nötig waren, bis man kurze Belichtungszeiten hatte. So erklären sich auch diverse Arrangements mit Vorhängen, Teppichen und weiteren verdeckenden Elementen. Die Vielzahl der ganzfigurigen Porträts in den Vereinsalben geben dem geübten Blick jedoch häufig das Geheimnis dieser Retusche preis. Aber auch Sesselkonstruktionen erfüllten die notwendige Stabilisierung.[47]

Wenn wir die frühen Vereinsmitglieder heute betrachten, so hoffen wir natürlich, dass ihr
Konterfei nicht der Ähnlichkeit entbehrt. Wie heißt es 1872? "Bei Damen müsse man auf eine angenehme Ähnlichkeit, ... bei männlichen Porträts auf Charakteristik sehen." Und 1893: "Die große Treue der Photographie macht sich besonders unangenehm bemerkbar im photographischen Porträt. Hier wird eben die Photographie durch ihre Wahrheit zur Lügnerin."[48]
Wie viel teilen die abgelichteten Vereinsmitglieder unbewusst über sich mit? Die Summe des Erscheinungsbildes und eine gewählte Pose vermitteln einen Eindruck, der interpretiert werden könnte. Die überwiegende Mehrzahl der ganzfigurigen Porträts lassen die Personen steif und militärisch-straff erscheinen, was sicher auf die Halteapparate und die längere Belichtungszeit zurückzuführen ist. Wurde die Auswahl des Arrangements hinsichtlich der Möbel und einer Kulisse im Hintergrund vom Kunden bestimmt?
"Auch der Charakter des Darzustellenden ist wichtig bei der Wahl der Decoration. Bismarck und Moltke erscheinen bei Loescher & Petsch in Renaissancezimmern. Die Jugend wird sich leichter dem Roccocostyl, das Alter dem Renaissancestyl anpassen lassen, natürlich mit Ausnahmen, die im Charakter und Costüm des oder der Darzustellenden begründet sind."[49] Die Vereinsmitglieder bevorzugten die Renaissance,obwohl es auch Ausnahmen gab. Zwei unterschiedliche Arrangements zeigen die Möglichkeiten des Ateliers "L. Haase & Comp., Große Friedrich-Straße 178". Der "Direktor des KgL Lehrerinnen-Seminars und der Augusta-Schule", A. Merget, wählte Renaissance-Möbel. Otto Heinrich von Nordenskjöld, "Dr. phiL In neueren Sprachen", lehnt sich an einen hellen Sessel des Rokoko-Stils.[5O] Mit großer Lockerheit und übergeschlagenen Beinen präsentiert sich der Kaufmann Gerold, vor einer Park-Kulisse sitzend, im Atelier Carl Wiegand.[51] Rentier Julius Kreideweiss, ebenfalls vor Landschaftskulisse posierend, die Zigarre in der Hand, vermittelt - so,wie ihn Heinrich Schnäbeli zwischen 1876 und 1877 aufnahm - den Eindruck eines unternehmungsfreudigen Genussmenschen.[52]
In das fotografierte Ambiente sind auch Objekte eingestellt, denen Attributcharakter zugesprochen werden könnte: Bücher oder auch Kunstwerke demonstrieren Bildung. Dass Major Gustav von Kessel sich mit seinem Hund auf dem Schoß - der auch noch unscharf ist, weil er nicht still halten konnte - rauchend und inziviler Joppe fotografieren ließ und das Bild dem Vereinsarchivar einsandte, ist allerdings die Ausnahme.[53] Ob das Schriftbild der erhaltenen Autografen ein Psychogramm komplettieren könnten, soll hier nicht verfolgt werden, obwohl das Thema interessante Ansätze böte.

Die Ausstattung und Aufnahmemoden der Berliner Ateliers in den verschiedenen Stadtquartieren, die in erhaltenen fotografischen Quellen zu finden sind, belegen nicht nur sich wandelnde Formen der Selbstdarstellung, sondern lassen auch eine unterschiedliche Klientel erkennen. Vorwiegend wurden die Porträtierten in ihrer besseren Garderobe, dem "Sonntagsstaat", abgelichtet.54 Es hat sich gezeigt, dass der modische Wandel bei der Damenrnode fast auf das Jahr genau eingeschätzt werden kann und damit eine Datierungshilfe bietet. Anders als in den Modeheften, sehen wir hier die tatsächlich verbreitete Kleidung. Bei den ausschließlich männlichen Porträts der Vereinsalben steht die Auswertung noch aus.[55] Der Habitus der Porträtierten ist eine Ergänzung zu dem, was man ohnehin über die Personen weiß. Tatsächlich unterscheiden sich die Abbildungen der Mitglieder nach Status und Gesellschaftsgruppe. Adel, Militär, Beamte, Kaufleute, Handwerker und Künstler transportieren Typisches ihres Standes. Vergleichsweise einfach im Erscheinungsbild wirkt der Vereinsbote Ullrich.[56] Im Falle anonymer Bildnisse kann Kleidung möglicherweise einen Hinweis auf die gesellschaftliche Einordnung bieten. Herkunft, Stadtquartiere und zeitlich eingrenzbare Moden können so dokumentiert werden und als Quellenmaterial außengelagerte Forschungsaspekte ergänzen.[57]

Anschaulich illustriert die zunehmend reichhaltiger werdende Gestaltung der Rückseiten der "Photographie-Karten" das Gebaren des Fotografengewerbes. Vorzüge des Ateliers hinsichtlich seiner Lage und Beschaffenheit, Spezialitäten, Auszeichnungen und Medaillen des Betreibers, Annehmlichkeiten der Leistungen - diese Hinweise finden sich, stilistisch dem aktuellen Geschmack entsprechend, in der grafischen Gestaltung der Visitenkartenrückseiten. Doch diese Form der Geschäftswerbung fand nicht ungeteilte Zustimmung. Manche Kunden beklagten die unaufgefordert beigefiigte "unzarte Reklame". Es zeigt sich aber, dass eine gründliche Analyse der Rückseiten hilfreiche Hinweise zur zeitlichen Einordnung der nicht immer datierten Fotografien bieten kann.
Die Rückseiten der Fotografiekarten in den Vereinsalben dokumentieren in ihrem Aussehen die allgemeine Entwicklung, die von sehr schlichten Hinweisen auf die Atelierherkunft in den 1860er Jahren, bis zu opulenten grafischen Gestaltungen der I890er Jahre reicht.[58]

Atelier Friedrich Jacobeit, Rückseite der Fotografiekarte Wilhelm Badstübner, vor 1870. Verein für die Geschichte Berlins e. VAbb.8: Atelier Friedrich Jacobeit, Rückseite der Fotografiekarte Wilhelm Badstübner, vor 1870. Verein für die Geschichte Berlins e. V

 

Die Cartes de visite waren zunächst völlig unbedruckt und schmucklos. Erst die anwachsende Konkurrenz schuf die Situation, auf das eigene Geschäft und das fotografische Produkt werbend hinzuweisen. Die Fotografenateliers begannen nun, die Fotografiekarten auf der Vorderseite mit ihrem Namen zu versehen oder mit Stempeln rückwärtig zu kennzeichnen. Erhaltene Beispiele aus dieser Zeit sind häufig unregelmäßig und schief, da auch der Beschnitt vom Fotografen selbst ausgefÜhrt wurde. Eine frühe Kennzeichnung der Rückseite durch die Atelierbetreiber sind Papieretiketten. In den Vereinsalben fand sich dazu ein Beispiel. Vom Atelier H. Kersten hat sich eine Visitkarte mit Etikett erhalten, die der Schornsteinfegermeister A. Ballier einreichte.[59]

Schlicht und ohne Schnörkel ist die Rückseite der Fotografiekarte des Vereins-Mitgründers Dr. Beer gehalten, die vom Atelier H. Kannengiesser stammt.[60] Bestimmten in den ersten Jahren allenfalls Hinweise auf die Lage der Ateliers die Beschriftungen, so ergänzten zunehmend werbewirksame Angaben den Text. Angebote und Spezialisierungen, die Aufnahmetechnik und Ausstattung betrafen.

Gerne unterstrichen Fotografen ihre künstlerische Herkunft und damit verbundene Fähigkeiten. Viele von ihnen hatten eine akademische oder kunstgewerbliche Ausbildung und arbeiteten zunächst -doch meistens erfolglos - als Porträtisten, Landschafts- oder Genremaler. Nicht selten wurden beide "Künste", Malerei und Fotografie, in den Ateliers offeriert. Auf den Eindruck einer Verbindung bei der Qualifikationen setzte so mancher Vertreter des Fotografenstandes. So wird die Palette zum beliebten, symbolhaften Motiv der Werbung neben der Bezeichnung "Photographisch Artistisches Atelier". Als Beispiel von vielen aus den Vereinsalben sei auf die Rückseiten von Heinrich Graf, die das Symbol der Palette im Signet führten, die später zu einen Emblem mit der Kamera verschmolz.[61]

Atelier Philipp Graff, Maler Ludwig Burger, 1862 (recto und verso). Vereinfür die Geschichte Berlins e. V.

Abb. 9: Atelier Philipp Graff, Maler Ludwig Burger, 1862 (recto und verso). Vereinfür die Geschichte Berlins e. V.


Der Alltag in den Ateliers war in den Anfangsjahren von den Lichtverhältnissen bestimmt, die man sowohl zum Fotografieren, als auch zum Entwickeln benötigte. Nach ihnen richteten die Aufnahmebedingungen, wie auch die Öffnungszeiten der Ateliers. Die Grundlage des Lichtbildnergewerbes drückt sich in den Werbeaufdrucken der Rückseiten mitunter durch die Darstellung stilisierter Sonnenaufgänge aus. Mit zunehmender Einruhrung des künstlichen Lichtes allerdings ging die Abhängigkeit von der natürlichen Belichtung zurück und man warb auf den Karten mit der neuen technischen Möglichkeit.[62]

Mit besonderen oder neuen fotografischen Techniken oder Erfahrungen mit ausgewählter Klientel wurde auf den Rückseiten geworben, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Spezialitäten waren z.B. unter anderen: Kinder-Moment-Aufnahmen, Soldatenporträts, Tieraufnahmen, Mikroskopische Porträts, Architekturaufnahmen, Eingebrannte Photographien auf Porzellan und Emaille. Auch Fotografien in Lebendgröße wurden angeboten oder Vergrößerungen nach jedem Bilde in Öl, Aquarell, Pastell, Kreide und Tusche, wie bei van Ronzelen. Fahrstühle bringen die Kundschaft in die hochgelegenen Ateliers Auf einigen Fotografiekarten finden sich die Porträts der Pioniere der Fotografie Niepce, Daguerre, Talbot -manchmal auch in Verbindung mit optischen und chemischen Instrumenten. Das Fotoatelier H. Zeidler wirbt in den l870er Jahren mit einem Globus stellvertretend für die weltumfassende Bedeutung der Fotografie.63 Andere Ateliers werben weltläufig mit mehreren Fremdsprachen rur internationales Publikum.

Erhebliche Bedeutung zu Werbezwecken hatten Medaillen und Orden, die auf die anerkannte Qualität der fotografischen Leistung der Ateliers hinweisen sollten. Größte Anerkennung verschaffte aber die Nennung von Hofprädikaten, die -zusammen mit den Wappen der verleihenden Höfe - auf den Rückseiten der Fotografiekarten abgebildet waren.[64] Der Titel "Hof-Photograph" beeindruckte die Kundschaft und bot geschäftlichen Vorteil. War eine neue Ehrenbezeugung ausgesprochen, wurden sofort die Geschäftsunterlagen geändert, um der neuen Situation Rechnung zu tragen. Die Wappen der Hoflieferanten befanden sich nicht nur auf den Rückseiten der Fotografiekarten, sondern auch an der Fassade der Geschäftslokale und an den Schaukästen. Gelang es, die allerhöchste Kundschaft sogar im Ladenlokal begrüßen zu dürfen, oder bevorzugt deren Familienmitglieder abzulichten und diese Fotografien nach höchster Erlaubnis der allgemeinen Kundschaft zum Kauf anzubieten, war das Glück gemacht. J. C. Schaarwächter, Edmund Risse und einige andere gehörten zu den Auserwählten.[65]
War ein Fotograf nicht auf gestalterische Individualität der Rückseite bedacht, konnte er auf grafische Standards, von den Fotografiekartenherstellern angeboten, zurückgreifen. In den Vereinsalben finden sich auch mehrere derartiger Beispiele.[66] Die "berlinischte" aller Rückseiten stammt vom Atelier Friedrich Jacobeit, Leipziger Straße 87. Sie gehört zum fotografischen Porträt des Magistrats-Sekretärs Wilhelm Badstübner (1832-1872) und bildet den Berliner Bären samt Stadtkrone ab.[67]

Zu den oben aufgeruhrten Gestaltungen der Rückseiten kommen die persönlichen Angaben von oder zu den Dargestellten. Hier werden handschriftliche Quellen sichtbar, die bisher unentdeckt waren, weil die Aufbewahrung in den Kulissenfenstern der Alben lediglich die Porträtseite zeigte.[68] Autografen, Lebensdaten und Kurzbiografien, Beruf, Adressen und manchmal auch das vom Mitglied notierte Aufnahmedatum der Porträts können vorhanden sein. Von vielen Beispielen sei noch einmal auf das Porträt Adolph Menzels verwiesen, das Rückschlüsse auf seine Paris-Reise 1867 zulässt. Der Maler Ludwig Burger liefert handschriftlich Informationen, mit denen der Eintrag im Künstlerlexikon Thieme-Becker zu korrigieren wäre. "Ludwig Burger Maler geboren 19. Sept. 1825 in Krakau von deutschen Eltern, kam 1842 nach Berlin, wo er sich in der Folge domicilierte. Aufnahme der Photographie 1862". Die Fotografie stammt aus dem Atelier von Philipp Graff Im Februar [Abb] 1866 trat Burger dem Verein bei, dasselbe Jahr, in dem er als Illustrator am deutsch-dänischen Krieg teilnahm.69 Dieser Krieg war der erste, der auch von Berliner Fotografen bildlich dokumentiert wurde.[70]

Atelier Wilhelm Grundner, Freiherr Leopold von Ledebur, vor 1870. Verein für die Geschichte Berlins e. V.

Abb. 10: Atelier Wilhelm Grundner, Freiherr Leopold von Ledebur, vor 1870. Verein für die Geschichte Berlins e. V.


Ein interessantes Kapitel ist ebenfalls das der allgemeinen Werbung und Reklame, mit der die in Berlin in immer größerer Zahl entstehenden Ateliers auf sich aufmerksam machten.
Litfasssäulen mit ihren Plakatanschlägen wiesen auf Geschäftseröffnungen hin.[71] Sonderaktionen versprachen Extraleistungen unterschiedlichster Art.[72]
Stadtfotografien und Kunstreproduktionen teilten die Auslagen der Schaufenster und Tableaus mit den Konterfeis zeitgenössischer Berühmtheiten, die in Schaukästen die Geschäftszugänge flankierten, oder anderswo an Häuserwänden der Geschäftsstraßen angebracht waren. Schon nach 1860 begann man in Paris eine "Galerie des Contemporains" zuveröffentlichen, in der nach und nach alle interessanten Persönlichkeiten der Gegenwart und der jüngeren Geschichte vereint sein sollten. Zu ähnlichen Berühmtheiten-Fotografien, "Galerie hervorragender Zeitgenossen", kam es auch in Deutschland. Die Schaukästen der Atelierfotografen waren voll davon.[73] Der Stadtflaneur Jules Laforgue, der Berlin 1882 aus der Sicht des kritischen Franzosen beschrieb, schildert sie amüsiert:
"An erster Stelle alles, was zum Hof gehört, vom Kaiser bis zu Prinz Reuß XXVII. ... Kein Schriftsteller. ... Kein einziger Maler. Aber die Stars von der Oper und den Theatern -die ganze Musik. ... Die andere Seite des Schaukastens: Ein paar Pastoren: Stoecker, FrommeI, Cassel und Thomas und die berühmten Professoren. ... In der Mitte, überall und immer, das gütige Gesicht des Kaisers."[74]
Mit letzterem [75] und dem Prediger Casse[76] können unsere Vereinsalben dienen. Das Konvolut von Einzelfotografien im Vereinsbestand besteht, wie anfangs schon erwähnt wurde, aus solchen Sammelbildern, die von zahlreichen Atelierfotografen angeboten wurden. Den oft beklagenswerten Zustand der Auslagen nahm E. Kiewning 1890 zum Anlass einer Kritik in den Photographischen Nachrichten. Er betonte, dass in erster Linie eine größere Sorgfalt auf die Schaukästen, deren Inhalt, dann aber auch auf deren stete Sauberhaltung zu verwenden sei, was namentlich gerade in der Hauptstadt viel zu wünschen übrig lasse.[77]
Kaufmannschaft wie Photographen waren zur gleichen Zeit der Meinung, dass den Schaukasten-und Schaufensterauslagen nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine erzieherische Bedeutung beizumessen wäre, da sie den Schönheitssinn und das künstlerische Verständnis der Bevölkerung beeinflussten und obendrein zur Verschönerung und Belebung des Straßenbildes beitrugen.[78]

Auf alten Architekturaufnahmen fallen -den Bedingungen der zeitlichen Aufnahmetechnik entsprechend, die auf intensive Helligkeit angewiesen war - die Glasaufbauten der Geschäftshäuser auf.79Als Kunstlichtaufnahmen die ältere Technik ablösten, siedelten sich die Ateliers auch in unteren Etagen an. War an allen Tagen zunächst die Helligkeit eine Bedingung - sowohl für die Aufnahme, als auch für deren Produktion, so erlaubte das Kunstlicht mehr Möglichkeiten und fast völlige Unabhängigkeit. Die Werbeaufschriften einiger Visitkarten-Rückseiten machen diesen Vorzug bekannt. Seit 1881 besaß Berlin ein erstes "Electrographisches Atelier" mit der Geschäftsniederlassung von Jan van Ronzelen. Als Ende der 1880er Jahre das Magnesium-Blitzlicht eingeführt wurde, ermöglichte das auch ganz andere Sparten der Innenraumaufnahmen, wie z.B. die Theaterfotografie. Die Bühnenkünstler selbst waren dagegen -wie oben notiert -längst an die Seite anderer berühmter Zeitgenossen getreten, deren Auswahl in den Werbeschaukästen der Ateliers die Kundschaft anlockte. Nicht zu Unrecht fürchtete die Gemeinschaft der "Photographen-Gehilfen" nun Arbeitszeiten bis in die späten Abendstunden.8O Man muss wissen, dass auch der Sonntag für sie üblicherweise ein Arbeitstag war. Dann herrschte Hauptbetrieb, da viele Kunden sich nur an diesem Tag Zeit für einen Atelierbesuch nehmen konnten. Das Problem der gesundheitlichen Schäden durch Chemikalien und Geruchsbelästigung soll hier nicht weiter vertieft werden. Im Sommer war es glühend heiß unter den Glasdächern und im Winter konnten so genannte Mantelöfen in den großen Räumen kaum angenehme Temperaturen für die Kundschaft schaffen, die für die Aufnahmen die Mäntel ablegte. Von der Situation für die Mitarbeiter ganz zu schweigen.sI Leider es ist eine Tatsache, dass viele Fotografen -vor allem jene, die schon in der Frühzeit der Fotografie tätig gewesen waren - kein hohes Lebensalter erreichten.[82]

Mit den Gründerporträts und den Bildnissen der ersten Generation( en) der Vereinsmitglieder können wir Vereinsgeschichte bildlich vergegenwärtigen. Zu den bekannten und weniger bekannten Namen unserer Vorgänger treten Gesichter. In vielen Fällen sind es verschollen geglaubte Physiognomien, Lebensdaten und Autografen, die nicht nur für die Vereinsgeschichte von Bedeutung sind. Uns begegnet ein Durchschnitt der Gesellschaft des historischen Berlin, Kommunalpolitiker, Militärs, Wissenschaftler, Architekten und Baumeister, Künstler, Lehrer, Handwerker und sogar einige Adlige sind visuell verewigt. Sie alle einte ihr Geschichtsinteresse und die Liebe zur Stadt. Ihre Gleichwertigkeit für den Verein, der für alle offen sein wollte, wird in den Alben sichtbar, die den Schornsteinfegermeister neben den Major, den Buchhalter neben den Rechtsanwalt setzen. Namen verbinden sich mit Physiognomien. Ein Beispiel: Für die Berliner Museumsgeschichte ist Leopold von Ledebur (1799-1877) wichtig. Er war Direktor der Kgl. Kunstkammer - deren Auflösung so manchen Museumsgrundstock lieferte - und des Museums Vaterländischer Altertümer, sowie der Ethnographischen Sammlung. Ledebur war, neben seiner Mitgliedschaft im Verein für die Geschichte Berlins, Mitglied in zwölf deutschen und ausländischen Geschichts - bzw. Altertumsgesellschaften.[83] Die Liste ließe sich beliebig verlängern und die damit verbundene Auswertung sollte einer eigenständigen Bearbeitung und Veröffentlichung vorbehalten sein. Mit den Vereinsalben lässt sich Zeitgeschichte Berlins illustrieren.

Die Bedeutung der Atelierfotografie für die kulturhistorische und soziologische Forschung ist längst erkannt. Eine Quellenkunde der Porträtfotografie in Alben und zur Geschichte des fotografischen Gewerbes liegt mit den Publikationen von Ellen Maas (1975, 1977?4 und Ludwig Hoerner (1989)85 vor. Beide bieten Typologien und Standards, die genutzt werden können. Auf diese und weitere Veröffentlichungen, die sich speziell mit der Geschichte der Fotografie in Berlin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auseinandersetzen, lässt sich bei der Durchführung des Projektes zurückgreifen. Im Zentrum der neuen Beschäftigung steht aber, um dieses zu unterstreichen, das Atelier selbst, seine Leistungen, das Erscheinungsbild und die Verbreitung als Institution am besonderen Beispiel der sich zur urbanen Metropole entwickelnden Stadt Berlin. Anhand des recherchierten Materials, insbesondere der, einzelnen Ateliers zugeordneten Fotografien, lassen sich im Vergleich eine Reihe übergeordneter Aspekte verfolgen, die-über die Vereinsgeschichte hinaus -Stadtgeschichte mit Gewerbegeschichte und Fotografiegeschichte verknüpfen. Namhafte Ateliers und ihre Klientel konnten ermittelt und teilweise beschrieben werden. Nachgewiesen sind Atelierzentren und Atelierhäuser, die im zeitlichen Überblick über Jahrzehnte Vorgänger und Nachfolger erkennen lassen. Beide Phänomene lassen sich an verschiedenen Stellen der Stadt nachweisen. Formale Aspekte der Porträts und der Fotografiekarten konnten erschlossen werden. Aussagen zur Arbeit der Ateliers, zum Interieur, zu Angeboten, Besonderheiten und Moden wurden sichtbar. Handschriftliche Datierungen der Aufnahmen, Hinweise auf die Entstehungsgeschichte im Atelier, Autografen und biografische Angaben erweitern das Spektrum der Bedeutungsebenen bei der Auswertung einzelner Objekte. Auch der Anlass der Abgabe, in einigen Fällen sogar doppelt, hat Bedeutung für die Forschung. Wann und warum werden überhaupt Fotografien angefertigt? Warum und zu welchem Zweck werden sie gesammelt? Wie werden sie aufbewahrt? Stadtrat Krug, mit zwei, zeitlich im Abstand von ca. 30 Jahren entstandenen Porträts in den Vereinsalben vertreten, reichte sein jugendlicheres Porträtfoto ebenfalls für das Prachtalbum zur Fertigstellung des neuen Berliner Rathauses ein.[86] Es ist nun zweifach in Berliner Albenbeständen erhalten.

Viele Fragen der Forschung konnten über nur einen Bestand beantwortet und belegt werden.
Die fotografische Sammlung des Vereins, zu der die Alben und das genannte Einzelkonvolut zählen, stellt heute einen unvergleichlichen Schatz und bedeutenden Quellenbestand für die Fotografiegeschichte dar. Die bis jetzt geleistete Auswertung der Alben und ihres Inhaltes hat bewiesen, dass hier ein Spiegel der parallelen Berliner Fotografiegeschichte vorliegt und sich wichtige Ansätze zur Erforschung der allgemeinen Fotografiegeschichte verfolgen lassen. Ihre Bedeutung über den Vereinsbezug hinaus, hat die Alben und das ergänzende Material zu etwas ganz besonderem gemacht. Dieser Tatsache gilt es zu entsprechen. Der Bestand ist kostbar -sein Zustand eher Besorgnis erregend. Die Nutzungsbedingungen müssen sich am schlechten Zustand messen. Ein Höchstmaß an Schutz für den Originalbestand muss umgehend gewährleistet werden. Passive Konservierung durch Nichtnutzung des Originalbestandes (ruhendes Archiv) und fachlich adäquate Bewahrung bzw. Unterbringung sind die notwendige Konsequenz. Spätere Restaurierungsmaßnahmen sollten angedacht werden. Eine Reproduktion der untersuchten Bestände als Schutzmaßnahme und Nutzerebene für weitere Auswertung ist bereits vollzogen. Sie bietet allen die Möglichkeit der Betrachtung, Begutachtung und weiteren Auswertung über eine digitalisierte Nutzerfassung.

 

Anmerkungen:

1 Projekt: "Verein für die Geschichte Berlins, gegr. 1865 -vorgestellt durch Studenten des Studienganges Museumskunde FHTW Berlin", Berlin 2000. Projekt: "Berliner Fotografenateliers des 19. Jahrhunderts", Berlin 2003. Ich danke an dieser Stelle allen Studenten, die in den letzten Jahren am Projekt mitgewirkt haben. Es sind inzwischen zu viele, um sie hier alle zu nennen. Das Projekt läuft 2006/07 im vierten Jahr.

2 Das Konzept sei hier kurz zum Verständnis der Auswahlmethodik genannt: Ausgewählte Albenbestände wurden neben Adressbüchern und anderen schriftlichen Archivalien als zweite, bestätigende oder erweiternde Nachweisebene hinzugezogen. Zur grundlegenden Erfassung wurden Bestände einer unterschiedlichen Zuordnung ausgewählt: Für den öffentlichen und offiziellen Bereich stehen die Magistrats-Alben der Stadt Berlin im Landesarchiv, für den halboffiziellen, die Alben im Archiv des Vereins für die Geschichte Berlins und für den privaten Bereich Alben unterschiedlicher Herkunft aus Privatbesitz. Dazu kommen Sammlungsbestände in den Berliner Museen.

3 Nelius, Ägina: Der Schinkelplatz und seine Denkmäler. In: Der Bär von Berlin. Jahrbuch des Vereins für die Geschichte Berlins, Berlin 1994, S. 41-88

4 Mauter, Horst, Zettler, HeIa, Lehmann, Christel: Berlin in Fotografien des 19. Jahrhunderts, Berlin 1985, S. 7; der Verein hatte sich im November 1863 gegründet und die "Photographischen Mitteilungen" ins Leben gerufen. Paul Konewka (1841-1871), Silhouettenschneider und Zeichner. Thieme-Becker Künstlerlexikon ad voc.

5 Schulze, Sigrid: Original und Reproduktion. Zur Provenienzgeschichte von Daguerreotypien der ehemaligen Sammlung Dost. In: Ziehe. Irene, Hägele, Ulrich (Hg.), Fotos -"schön und nützlich zugleich". Das Objekt Fotografie, Berlin 2006.

6 Dost, Wilhelm, Stenger, Erich: Die Daguerreotypie in Berlin 18}9-1860. Berlin 1922.

7 Vier Alben A III 4_1-4; Konvolut Einzelfotografien; andere Bestände, wie Mappenwerke von Hermann Rückwardt, fanden keine Berücksichtigung.

8 Hinweis aus schriftlichen Hinweisen zu den Alben I bis 3. Danach sollen die Visitporträts Nr. 1-386 von 1865-1875,387-424 von 1884-1889 angenommen worden sein. Die Aufzeichnungen müssten mit den nun möglichen Datierungen überprüft werden, da Zweifel bestehen.

9 Das jugendlichere Porträt befindet sich in A III 4-2 Nr. 231, das ältere in A III 4_1 Nr. 16. Damit bestätigt sich die Vermutung der nicht korrekten chronologischen Verzeichnung der Alben.

10 Das erste Mitgliederverzeichnis kam allerdings erst 1869 heraus. Im Album 3 (A III 4_3) sind mehrere schon namentlich bezeichnete Kulissenfenster durchgestrichen und handschriftlich umgewidmet.

11 Glücklicherweise scheinen nur wenige Fotografien entnommen und nicht wieder eingefügt worden zu sein. Bedauerlich ist der Verlust des Porträts eines der Vereinsgründer Oberbürgermeister Seidel, das 1965 entnommen wurde.

12 Erich Stenger: Die Photographie in Kultur und Technik, Leipzig 1938; derselbe: Siegeszug der Photographie, München 1950, S. 74.

13 Hier die aufgesuchten Ateliers: L. Schneider war bei Hermann Seile, Dr. Beer bei H. Kannnegiesser, Th. Flatau war bei Heinrich Graf, F.Adler bei Reichardt & Lindner, E. Friedel bei Hermann Noack, Budczies bei Philipp Graff und der Vereinsbote Ullrich bei H. Hirsch Nachf. H. Nickel.

14 Auf das Visitkartenporträt Adolph Menzels mit Autograf ist im Aufsatz "Berliner Fotografenateliers des 19. Jahrhunderts. Eine Spurensuche" in den Mitteilungen des Vereins 111/2005 aufmerksam gemacht worden.

15 Doppelt eingesteckte oder zwiefach zu ortende Porträts sind von folgenden Mitgliedern vorhanden: Beringuier, Brose, Krug, Veit, Maecker, Hemptenmacher, Hobrecht.

16 Beide Male ließ er sich bei Rudolph Marowsky ablichten, der von 1848 bis 1883 in der Charlottenstraße 62 nachweisbar ist und an diesem Standort schon der Nachfolger von Richard Scholz war, der das Geschäft 1843 gegründet hatte A III 4_2.

17 Diese Aufnahme muß nach 1887 entstanden sein, da Schwartz zu dieser Zeit seine Adresse wechselte. Er zog in die Bellevue-Straße 22, nannte den Standort aber "Am Potsdamer Platz". Es ist kaum erklärbar, dass das Porträt von Beringuier das einzige in den Vereinsalben von Schwartz ist. Auf seine herausragende Bedeutung als "Vereinsfotograf' soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, da von der im Herbst 2006 veranstalteten Ausstellung der Stiftung Stadtmuseum zum 100. Todestag F. Albert Schwartz umfassende Forschungsergebnisse zu erwarten sind. A III 4_1.

18 Theodor Prümm (1841-1890) Unter den Linden 51; Heinrich Graf (1835 -nach 1897), Friedrichstraße 165; Loescher & Petsch (Max Petsch 1840-1888), Leipziger Straße 114; JC. Schaarwächter (1847 -1904), Friedrichstraße 190, ab 1886 Leipziger Straße 130; Phillip Graff (Nachfolger), Jerusalemer Straße 18; Jamrath & Sohn (ab 1863: Friedrich Jamrath 1810-1891; Richard Theodor Jamrath 1836-1902), Taubenstr. 20, danach Belle-Alliance-Straße 14; Pflaum & Co, Inhaber Max Pflaum (1830-1885), Leipziger Straße 44, Königstraße 31,57.

19 Siehe Dost (wie Anm. 6); siehe Mauter, Zettler, Lehmann (wie Anm. 4); Arbeitskreis Berliner Regionalmuseen/Museumspädagogischer Dienst (Hg.): Im Blick Berlin. Aus den fotografischen Sammlungen der Berliner Regionalmuseen, Berlin 2003.

20 Im Mitgliederverzeichnis 1888 ist er mit seiner Privatadresse Neanderstraße 20 SO angegeben.

21 In den Vereinsalben haben sich weder ein eigenes, noch Porträts anderer Vereinsmitglieder finden können. In Privatbesitz hat sich eine Cabinet-Fotografie (um 1895) erhalten, deren malerisch gestaltete Rückseite Aufschlüsse zur Selbstsicht Cornands bietet: Als Porträtist (Aquarelle, Pastelle) fUhrt er ein "Photographischartistisches Atelier fUr Portraits, bildende Kunst und Industrie" -"mit Fahrstuhl-kein Telephon", also in den oberen Stockwerken des Geschäftshauses. Cornands Leitspruch -nach Schiller -vollendet die Gestaltung der Cabinet-Rückseite: "Arbeit ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis. Ehrt den König seine Würde, ehret uns der Hände Fleiss," Hier preist der Künstler-Fotograf bürgerliche Tugenden.

22 Album 2 (A III 4_2) Nr. 179; S. Einholz: Berliner Fotografenateliers des 19. Jahrhunderts. In: Ziehe, Hägele (Hg.)(sieheAnm. 5), Abb. S. 119, 122.

23 LA Berlin A Pr Br Rep 030 Tit 94 Nr. 10900; Berliner Adressbücher 1863 -I 902.

24 1866 werden fUnf, 1875 sechs Kinder als zur Familie gehörig angegeben.

25 LA Berlin A Pr Br Rep 030 Tit 94 Nr. 10900 -25. 12.1875/ keine Berücksichtigung, wird wieder vorgeschlagen.

26 Recherchen zum Thema "Hoffotografen" verdanke ich Wendy Mrosk, Ulrike Reinicke und Nathalie Vitiello; Acta des Polizeipräsidenten zu Berlin betreffend den Photographel) Johann Gustav AdolfHalwas, 1882-1909, Landesarchiv Berlin, A Pr. Br. Rep. 030, Titel 94, Nr.: 10698.

27 In der Acta des Polizeipräsidenten zu Berlin betreffend Adolf Halwas befindet sich auf Seite vier sogar eine Skizze mit der genauen Darstellung der Anbringung von Schriftzügen am Geschäft des Hoffotografen. Diese Information verdanke ich Nathalie Vitiello.

28 LA Berlin A Pr Br Rep 030 Tit 94 Nr. 9053 -Acta des Polizeipräsidenten betreffend den Photographen J. Braatz, Julius Braatz wurde von der Polizei darauf aufinerksam gemacht, "dass er das Prädikat als kgl. Hofphotograph unter keinen Umständen führen dürfe, sondern sich auf seinen Schildern, Geschäftspapieren, Bildercartons, sowie im Adressbuch und bei sonstigen öjJentlichenAnkündigungen stets als HofPhotograph Sr. König!. Hoheit des Prinzen Friedrich Karl von Preußen bezeichnen müsse. Sollte er doch wieder sich des Prädikats als kg!. HofPhotograph bedienen, habe er empfindliche Geldstrafen zu gewärtigen. " "Es ist mein Bestreben, wie es meine Pflicht ist, die gegebenen Vorschriften voll und ganz zu erjiillen und bitte den vorgekommenen lrrthum zu entschuldigen" Hoffotograf Julius Braatz, 1891. Dank flir Recherchen von Ulrike Reinicke.

29 LA Berlin Acta des Polizeipräsidenten betr. Pflaum & Co (siehe Anm. 23); drei Geschwister Georgs werden zum Zeitpunkt des Todes des Vaters erwähnt.

30 Das Studium einer ganzen Reihe von Akten zu Hoffotografen belegt aber, dass es alle so machten, manche sogar nachträglich noch Rechnungen übersandten. (Aktenbezeichnung siehe Anm. 23).

31 Er war kurze Zeit vorher das Opfer des Raubmordversuches eines Fotografenlehrlings gewesen, worauf die Vossische Zeitung hinwies. Vossische Zeitung vom 23.5.1901/ Nr. 237.

32 Hildebrandt, D., Klünner, H.-w.: Die Straße Unter den Linden, Berlin xxx, Die Publikation bildet die Häuser der Ateliers Carl Suck (mit Glasaufbau), H. Schnaebeli, Hermann Noack, Theodor Prümm und Julius Staudt ab. Dank für Recherchen an Esther Grunert, Yasmin Limbach und Christiane Rütz.

33 Photographische Nachrichten 1890, S. 128 (Todesanzeige); Photographische Mitteilungen. Beilage zu Nr. 172, Jg. Xv, Heft 4, 1883; ebenda, NI. 409, S. 340,1890; PhotographischesArchiv, Nr. 620.1889; DerPhotograph, Jg. XlV, Nr. 42, 1904; Berliner Adressbuch 1860 bis 1900 (Gewerbeverzeichnisse). Einen Teil der Recherchen zu Theodor Prümm verdanke ich Christiane Rütz.

34 Mauter, Zettler, Lehmann (siehe Anm. 4), S. 5/6.

35 Recherchen zu diesem Thema danke ich Yasmin Limbach und Esther Grunert.

36 Des weiteren finden sich zahlreiche Kommentare und Empfehlungen Prümms in den Mitteilungen des genannten Vereins. Eine seiner Aufnahmen wird dort besonders hervorgehoben. Sie zeigt einen Soldaten im Schneetreiben. Prümm hatte den Schnee "künstlich" auf dem Negativ erzeugt und erntete für diesen Effekt sehr viel Zuspruch (1871). Ein weiteres Experiment Prümms sind seine "Blumen-Stereoskopbilder" (1869). Im Jahr 1867 legte er zwei "originelle photographische Adresskarten" vor. Prümm betätigte sich auch als Erfinder. 1882 stellte er im Verein seinen "Apparat zum Waschen fixierter Gelatineplatten" vor. Dieser wurde von ihm konstruiert und erprobt.

37 Aus den Sitzungsprotokollen in den "Photographischen Mitteilungen" (1896, 1871) geht hervor, dass er mehrmals Briefe dieser Fotografen verlas und die Vereinsmitglieder über Neuigkeiten informierte.

38 Hedwig Prümm, geb. Grimm, ist 1892 mit ihrer Privatadresse Nollendortplatz 7 nachweisbar. Dass sie zu Carl Grimm, der seit dem Tod ihres Mannes im Atelier arbeitet und dies nach 1892 als Nachfolger betreibt, verwandtschaftliche Beziehungen hat, ist nicht bestätigt.

39 Für Recherchen zum Thema "Atelierhäuser" danke ich Sibylle Schmidtsiefen und Alexa ZiegeleI.

40 S. Schmidtsiefen undA. Ziegeler stellten für das Fotografenatelier-Projekt 2006 eine Auswertung der genannten Adressen her. Die Ergebnisse sind Grundlage für Spezialthemen des Projektes.

41 Recherchen zum Thema "Interieur" verdanke ich Herdis Arlt, Jaromir Budi und Jana Einecke, außerdem Petra Helck und Ellen Riewe für das Atelier Heinrich Graf.

42 Kiewning, E: Das Atelier 1. C. Schaarwächter in Berlin 1889, In: Photographisches Archiv (Liesegang) 1889. Dank für den ersten Hinweis an Hartrnut Wettmann.

43 Stenger 1950 (siehe Anm. 12), S. 89.

44 Oberbürgermeister Heinrich Wilhelm Krausnick und Leopold von Ledebur könnten als Beispiel dienen. Beide A III 4_2.

45 Stenger 1950 (siehe Anm. 12), S. 66, 67.

46 Stenger 1950 (siehe Anm. 12), S. 183.

47 Ludwig Hoerner: Das Photographische Gewerbe in Deutschland 1839-1914, Düsseldorf 1989, S. 43: Abbildung eines Sessels, der auch in den Vereinalben abgebildet zu sein scheint (Siegmund David, A III 4_2, Aufnahme Wilhelm Grundner, Krausenstraße. Eine Variante bei Theodor Flatau, Aufnahme Heinrich Graf). Weitere Beispiele: Auswahl Vereinsalben Lehrer Hoffmann, Kreideweiß, Sessel: Lipmann-Wulfbei Atelier Wilhelm Grundner, Krausenstraße. "

48 Stenger 1950 (siehe Anm. 12), S. 87.
49 Ellen Maas: Das Photoalbum 1858 -1918. Eine Dokumentation zur Kultur-und Sozialgeschichte, München 1975; Ellen Maas: Die goldenen Jahre der Photoalben. Fundgrube und Spiegel von gestern, Köln 1977, S.84.

50 Beide im Album 2, A III 4_2.

51 "Gereld,Carl Otto Heinrich geb. 18351.Februarzu Berlin Kaufinann,Prem. Lieut. D.Artillerie". Aus dem Mitgliederverzeichnis 1888 wissen wir, dass er 1887 starb. Aufnahme von Carl Wigand, Unter den Linden 62/63. A III 4_2.

52 H. Schnäbeli (auch Schnaebeli) hatte zum Zeitpunkt der Aufnahme sein Atelier am Schiffbauerdamm 25 (ab 1878 Schiffbauerdamm 23). Da er vorher und danach wieder Unter den Linden ansässig war, muss die Fotografie vor 1877 und nach dem 1876 erfolgten Vereinseintritt von Kreideweiss entstanden sein.

53 Offensichtlich ein Urlaubsfoto. Es wurde in einer Filiale des Berliner Ateliers Edmund Risse auf Norderney angefertigt.

54 Recherchen zum Thema Mode verdanke ich Lucia Garzon-Dautert.

55 Die sich verändernde Form des Zylinders, den viele Mitglieder bei sich haben, könnte ein Merkmal fiir die Datierung bieten. Ich vermute aber eher, dass man sich nicht häufiger ein Exemplar nach der neuesten Mode anfertigen ließ, sondern den einmal erworbenen Zylinder auf Dauer behielt.

56 Letzte Fotografie im Album 2 A III 4~; Aufnahme von H. Hirsch -Inh. Heinr. Nickel, Christinenstr. 36 u.37.

57 Eine Auswertung des Albumbestandes, der ja gesellschaftlich einzuordnen ist, böte eine gute Vergleichs-Quellenlage.

58 Recherchen und Ergebnisse, die ich einarbeitete, verdanke ich Birgit Brüll. Hinweise zum Thema der Rückseiten in: Hoerner (siehe Anm. 12); Maas (sieheAnm. 49); Pieske, Christa: Das ABC des Luxuspapiers, Museum für Deutsche Volkskunde Berlin (Hg) SMPK, Berlin 1983; Starl, Timm: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, Jg. I Heft 2, Frankfurt/M 1981.

59 "w. Kersten. Photograph Berlin. 37 Oranienplatz 37." A III 4_2.

60 "H. Kannengiesser. Photographisches Atelier. Berlin. 4 Thor-Straße 4 (Nahe dem Rosenthaler Thore)" A III 4_2.

61 So bei 1. Platho und Landrat Scharnweber, beide im Album A III 4_3.

62 Jean Nicolas gibt eine Fotografiekarte von von Jan van Ronzelen ab, A III 4_3.

63 Fr. Trümpelmann gibt eine Fotografiekarte von Zeidler ab, Album 3, A III 4_3.

64 Beispiel. Firma Jamrath & Sohn für den Schriftsteller Johannes Bloch, A III 4_2.

65 Diese Fotografien wurden bevorzugt in den Schaufenstern und Schaukästen ausgestellt. Schaarwächter begleitete mit seinen Aufnahmen die heranwachsenden Kinder Wilhelm lI.; Edmund Risse fertigte offizielle Porträts des deutschen Kaisers und seiner Gattin an.

66 Neben einfallsloseren Gestaltungen (Atelier Steffens, Atelier Max Müller) fällt ein Entwurf ins Auge, den H. Schmuckler fiir die Fotografiekarte von Albert de la Croix, Wilhelm Zöllner für diejenige Repenick-Repenning (?) und auch ein auswärtiger Atelierinhaber nutzte. Das Atelier 1. Peters aus Tilsit hatte mit der gleichen Rückseitengestaltung das Porträt des Vereinsmitgliedes W. Matthias angefertigt.

67 Die Fotografie Badstübners von Friedrich Jacobeit befindet sich im Album 3 A III 4_3.

68 Der ganze Bestand wurde mit Vorder-und Rückseiten digital fotografiert

69 Einholz (siehe Anm. 14) Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins III 2005. Ludwig Burger (10.9.1825 Warschau -22.10.1884 Berlin) in Künstlerlexikon Thieme-Becker ad voc.

70 Heinrich Graf und Adolph Halwas veröffentlichten ein Mappenwerk mit Fotografien.

71 Eröffnung des Ateliers von Theodor Prümm unter den Linden 51. Zwei Abbildungen in Mauter, Zettler, Lehmann (siehe Anm. 4), Abb. 12 und 13.

72 Hoerner (siehe Anm. 12), S. 78.

73 E. Maas (siehe Anm.49), S. 140; Hoerner (siehe Anm. 12) S. 126.

74 Laforgue, Jules: Ein Franzose in Berlin, Berlin 0.1. (um 1882), S. 77, 78.

75 Atelier Pflaum & Co A III 4_1.

76 Atelier Heinrich Graf, A III 4_2.

77 Photographische Nachrichten 1890, Nr. 16.

78 Hoerner (siehe Anm.12), S. 78.

79 Beispiel: Reichardt & Lindner, LA Berlin, Fotosammlung.

80 Photographische Nachrichten 1889, 1890. Das Atelier Jan van Ronzelen warb tatsächlich mitAufnahmezeiten von 8 Uhr morgens bis 10 Uhr abends! .

81 Photographische Nachrichten 1890, Nr. 2. Große Probleme gab es auch durch Schwitzwasser. Im Winter mussten die leichtesten Lehrlinge den Schnee von den Dächern entfernen und auch neuartigere Pultdächer, an denen der Schnee abrutschen konnte, führten nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Buehler, Otto: Atelier uns Apparat des Photographen, 1869 (Nachdruck Hannover 1994); Hoerner (siehe Anm. 12), S. 39ff., S. 55, 56: Los der Gehilfen. Wilhelm Eduard Kannegießer wurde 35, Philipp Graffwurde 37, Max Petsch wurde 48, Theodor Prümm
wurde 49, Max Pflaum wurde 55 Jahre alt.

83 Diese Hinweise verdanke ich Simone Löbsin.

84 Maas (siehe Anm. 49).

85 Hoerner (siehe Anm. 12).

86 Im Landesarchiv Berlin aufbewahrt. Vor 1865 entstanden.