1. Mai 2015
Säkuläre Aktions- und Gedenktage sind heute so sehr in Mode, dass es schwerfällt, den Überblick zu wahren. Allein die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat hundert solcher Tage verhängt, damit wir auch unbekannte Seuchen nicht vergessen! Es gibt darüber hinaus den 'Tag des Baums' und den 'Tag des Pinguins'. Morgen nun naht der bekannteste der Tage, der 'Tag der Arbeit':

Im Jahre 1858 wird berichtet: „Der 1. Mai ruft die Berliner ins Freie, besonders um sogenanntes Bockbier zu trinken, welches vom Ersten des Monats ab, auch schon früher, in der Brauerei auf dem Kreuzberge und sonst geschänkt wird.“

1889 fand in Paris ein Kongress der internationalen Arbeitervereinigung mit 400 Delegierten aus 20 Staaten statt, der den 1. Mai zum „Weltfeiertag“ ausrief. Das Datum des Treffens war bewusst auf den 14. Juli, den 100. Jahrestag der Französischen Revolution, gelegt worden. 1890 wurde der Tag erstmals mit Umzügen gefeiert. Seit 1933 und besonders 1934 zeigte sich in Berlin ein wesentlich gewandeltes Festbild, weil der 1. Mai, von den Nazis zum bezahlten Feiertag gemacht, nach einem von der Regierung festgesetzten einheitlichen Plan 'gefeiert' wurde: Der Tag begann mit der „Feier der Jugend“ und einer Ansprache Adolf Hitlers. Es folgte eine Preisverleihung für besondere Leistungen und eine Rede des 'Führers' im Lustgarten. Am Nachmittag wurden die Sieger eines reichsweiten Berufswettkampfes vorgestellt, und der Tag endete mit einem Fackelzug im Lustgarten. 1934 wurde erstmals ein am 20. April (!) im Schwarzwald gefällter Maibaum im Lustgarten errichtet. Es war eine 43 Meter hohe 160 Jahre alte Weißtanne. Der neun Tonnen schwere Stamm erreichte Berlin am Anhalter Bahnhof. Auf der Fahrt zum Lustgarten mussten Mauern und Laternen umgelegt werden, die im Wege standen. Begleitet wurde der Transport von Trachtenabordnungen aus allen deutschen 'Gauen' und berittenen Fuhrleuten aus dem Bezirk Kreuzberg! Der Baum passierte das Brandenburger Tor, wurde am Lustgarten vom Oberbürgermeister empfangen und anschließend von einer Pionierkompanie der Reichswehr aufgerichtet. Die Grube für den bis zum Oktober präsenten Stamm war 6 Meter tief. Auf der Domkuppel wurde die Winde dazu montiert. Nach getaner Arbeit überragte der Baum das Berliner Schloss um 15 Meter. Geschmückt wurde der Stamm mit einem grünen 'Lebensbaum', einem an bunten Bändern befestigten Kranz, bunten Flaggen, Handwerkerabzeichen - und einem weithin sichtbaren Hakenkreuz. In den folgenden Jahren kamen die vergleichbaren Stämme aus anderen 'Gauen'.

Dieser eigentlich vorchristliche Brauch stammt nicht aus Berlin und lässt sich andernorts bereits im 13. Jahrhundert nachweisen. 1225 schlug ein Priester Johannes einen solchen geschmückten und von den Menschen umtanzten Maibaum um, weil es ein heidnischer Brauch war. Die empörten Zeitgenossen zwangen ihn daraufhin, einen noch größeren Maibaum aufzustellen! Das Erfreulichste bei den Umzügen der Nationalsozialisten dürfte die „Maikönigin“ gewesen sein. Sie ist ebenfalls eine Überlieferung aus vorchristlicher Zeit und versinnbildlicht den Sommer auf den wir uns von morgen an freuen dürfen!
Von Manfred Uhlitz