21.05.2020
Thomas Knuth
Am 09. November 1989 befand ich mich in Chicago. Ich wurde bei einem amerikanischen Unternehmen zum Qualitätsmanager ausgebildet und war gerade in einer Trainingseinheit mit Kollegen aus Frankreich und England.

Um 17.00 Uhr Ortszeit entstand plötzlich Unruhe im Gebäude. Leute rannten über die Gänge und riefen sich etwas zu, das wir in unserem Raum zunächst nicht verstanden. Dann kam jemand in unseren Raum und sagten, wir sollten einmal mitkommen, sie wollten uns etwas zeigen.

Als ich in einem anderen Raum die Fernsehbilder aus Berlin sah, musste ich gleich lachen und rief laut in die Runde: „This is not real, it´s a movie, you do not fool me!“ Auch die Kollegen aus Frankreich und England waren skeptisch. Wir gingen wieder zurück zu unserem Training.

Eine Stunde später etwa kam ein Anruf für mich. Am Telefon war mein Vater, der, in Berlin geboren, seine Heimat im Jahr 1954 verlassen hatte und nach Mannheim übersiedelt war. Er sagte: „Es ist wahr, die Grenze ist offen, die Menschen aus Ost-Berlin gehen und fahren nach West-Berlin“.

Da ich sofort begriff, was diese Tatsache für meinen Vater, der ganz ruhig war, bedeutete, setzte ich mich auf einen Stuhl und weinte.