15.05.2020
Antwort von unserem Vorsitzenden Dr. Manfred Uhlitz auf einen Beitrag in der Zeit: NS-Architektur: Weg mit diesen Skulpturen! Nach dem Erstarken der Rechtsextremen blicken wir anders auf das architektonische Erbe der Hitler-Zeit. An Orten wie dem Berliner Olympiagelände lebt die NS-Propaganda fort. Das kann so nicht bleiben. Ein Appell von Peter Strieder Der Artikel stammt aus der Zeit vom 13. Mai 2020 (Der Artikel ist online nur hinter einer Paywal verfügbar).
Siehe dazu auch: Skulpturen im Olympia-Gelände - Modelle, Fotografien, Dokumente

Zum Thema: Noch immer ist der Nationalsozialismus mit unserem Leben verkettet, so dass es Anstrengungen bedarf, sich aus dieser Verstrickung zu lösen. Eine nun leider abgebaute hervorragende Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in der Maifeldtribüne zu Füßen des Glockenturms mit seinem beeindruckenden Überblick nicht nur über die Gesamtanlage, sondern auch auf Berlins City, Wälder und Seen, zeigte die Verflechtung von Sport, Politik und Krieg, die durch die Langemarckhalle auf dem Sportgelände noch immer räumlich erfahrbar ist. Mit der nun eingelagerten Ausstellung war das seit 1966 unter Denkmalschutz stehende Reichssportfeld in den historischen Zusammenhang eingeordnet. Vergleichbare Ausstellungen gibt es in Nürnberg und Berchtesgaden. Der Abbau der Berliner Ausstellung ist fatal.

Hitler, der dem Gelände die entscheidenden baulichen Akzente gab, war nur der Profiteur einer historischen Konstellation, die sich aus der Blüte des Sports in der Weimarer Republik und der geglückten Olympiabewerbung von 1931 entwickelte. Die Demokratie erhielt den Zuschlag für die Sommerspiele, die Diktatur durfte sie in Berlin veranstalten. Das "Deutsche Sportforum" am Nordostrand des Geländes wurde bereits 1925 geplant und in Teilen gebaut, und seinen Höhepunkt erlebte das Langemarck-Gedenken nicht im Dritten Reich, sondern in der Weimarer Republik. Die Anlagen sind ein originäres Werk des ‚Dritten Reichs‘, orientiert an einer bereits in den 1920er Jahren vorbereiteten traditionalistischen Baukultur. In der Zeit der Konsolidierung der Nazi-Herrschaft war man noch auf der Suche nach einem Baustil, erfunden hat man keinen. Insbesondere die vorhergehenden Spiele 1932 in Los Angeles standen den Organisatoren als Beispiel vor Augen.

Zweifellos stellt das ehemalige Reichssportfeld in der Gesamtheit seiner baulichen Anlagen als erstes Großprojekt nach 1933 ein herausragendes Geschichtsdokument dar. Seine historische Bedeutung resultiert nicht zuletzt aus dem zwischen 1933 und 1936 verwirklichten politisch-ideologisch bestimmten Bauprogramm. In der Phase der Konsolidierung des Nationalsozialismus zeigt das Gelände den Herrschafts- und Machtanspruch seiner Bauherrn. Die Veränderungen nach 1945 sind gleichzeitig ein Dokument des ahistorischen Umgangs mit dem baulichen Erbe der Nazizeit und seiner unreflektierten Aneignung. Auf dem ehemaligen Reichssportfeld besteht die Chance und Herausforderung, die historische Aufarbeitung zu leisten. Es ist ein Dokument gegen die Verharmlosung des Nationalsozialismus. Jede Veränderung würde das Geschichtsdokument verfälschen und die Intention der Bauherrn verschleiern und letztendlich entlasten. Die inhaltliche Vermittlung der Geschichte des Olympiageländes vor und nach 1945 darf nicht den in der Sache überforderten Sportverbänden, hemdsärmligen Funktionären und ihrer politischen Kombattanten überlassen werden.

Dr. Manfred Uhlitz
Vorsitzender des Vereins für die Geschichte Berlins e.V., gegr. 1865