Dr. Hans Jürgen Meinik hat nach dem Kenntnisstand von 1974 einen Aufsatz über den Bildhauer Günther Martin und die Ateliergemeinschaft Klosterstr. in den Vereinsmitteilungen von 1974 verfasst, nachzulesen auf den Seiten des Vereins bei Aufruf unter dem Stichwort "Martin" bei der Rubrik "Persönlichkeiten".
Frau Jutta Ditfurth aus Frankfurt/Main hält diese Biografie für geschönt, ohne ihre Ansicht näher zu begründen. Der Autor Dr. Meinik kann nach mehr als 30 Jahren nicht mehr befragt werden.
Richtig ist, dass Käthe Kollwitz nach der Machtergreifung Hitlers ihr Atelier als Leiterin der Meisterklasse für Grafik in der Hardenbergstr. aúfgeben musste.
Im Atelierhaus in der Klosterstr. hatte sie dann einen kleinen Arbeitsraum bis zur Aufgabe im Jahre 1940.
Die Ateliergemeinschaft in der Klosterstr. 75 hat vom Herbst 1933 bis zum Frühjahr 1945 bestanden. Sie vereinte ca. 40 Bildhauer, Maler und Grafiker der unterschiedlichsten Stilrichtungen. Zu ihnen gehörte Herbert Tucholski, der sich später in der "Weltbühne" 1967 Nr. 26, S. 821 f. zu Käthe Kollwitz wie folgt äußerte: "Regen Anteil nahm Käthe Kollwitz am gemeinschaftlichen Leben des Atelierhauses; in den monatlichen Versammlungen war sie Mittelpunkt, obwohl sie gewöhnlich schweigend auf ihrem Platz saß..."
Auch über die Arbeitsbedingungen in der NS-Zeit erfahren wir von Herbert Tucholski etwas in seinem Aufsatz in der "Weltbühne" 1969, Nr. 51 S. 1627 f.:
"Mit der Weisung "staatsfeindliche'" Kollegen fernzuhalten, war Martin zum "Obmann" des Hauses bestimmt worden. Damit hatte das Ministerium den Bock zum Gärtner gemacht, denn der vom Nationalsozialismus längst enttäuschte Günther Martin war ein braver Mann, der seine Nazi-Uniform nur anzog, wenn es galt, politisch verfemte Kollegen zu schützen. Unter den 40 Atelierinhabern waren 10 Prozent unbestechliche Antifaschisten, zehn Prozent gefährliche Nazis; die Mehrzahl der Künstler glich Treibhölzern. Ein Bildhauer, Paul Gruson, entpuppte sich plötzlich als Musternazi und Preisträger eines "Horst-Wessel-Denkmals"; der Ehrgeizling mußte jedoch wegen einer verschwiegenen "nichtarischen" Großmutter in der Versenkung verschwinden.
Noch gab es im Atelierhaus drei Nazis, die weiter intrigierten. Als der Bildhauer Heinz Worner nach Prag geflüchtet war, entdeckte die Gestapo bei der Durchsuchung in seinem verlassenen Atelier einige Exemplare der "Roten Fahne".
Nun wurden weitere Kollegen verdächtigt, vor allem Käthe Kollwitz und Günther Martin, dem jedoch das Wunder gelang, die drei Pg´s mitsamt dem undurchsichtigen Hausmeister hinauszuwerfen. Alsbald verschwand auch das große Schild am Eingang: "Hier gilt der Gruß Heil Hitler"; der neue Hausmeister, ein alter Genosse, hatte diese in Fraktur geschriebene Hinterlassenschaft der drei
Pg´s als Makulatur behandelt und in den Ofen gesteckt.
Weitere Besuche der Gestapo blieben aus..."
In der DDR war im Studio des Alten Museums 1976 eine kleine Ausstellung über die Ateliergemeinschaft Klosterstraße, ergänzt durch einen schmalen Katalog von 16 Seiten mit einem Vorwort von Ilse Oschütz.
Vielleicht hilft die Lektüre der Schilderungen des Zeitzeugen Herbert Tucholski Frau Jutta Ditfurth, ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Künstler Günther Martin aufzugeben.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Mende