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Allgemeine Fragen zur Geschichte Berlins

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Re: Die Pulvermühle von Berlin um 1844/45 06 Dez 2013 22:02 #1386363757

  • Andreas Kutschelis
  • Andreas Kutscheliss Avatar Autor
Sehr geehrter Herr Dr.Kraft,
für Ihren unerwarteten Beitrag bin ich dankar, da er auf Ihren wichtigen Titel zu dem entlegeneren, aber hochinteressanten Gebiet der Geschichte der Chemie in Berlin hinweist! Inzwischen habe ich noch einmal Fontanes Ausführungen in "Von Zwanzig bis Dreißig" zu seinen Wachdiensten während seiner Militärdienstzeit (01.04.1844-01.04.1845) nachgelesen. Darin schreibt Fontane, dass er während des Winterhalbjahres "Pülvermühlenwache in Moabit"(!) ableistete.
Sie berichten in Ihrem Buch auf den Seiten 104 f., dass die Pulverfabrik in Moabit 1839 geschlossen wurde, um dann nach Spandau verlegt zu werden. Wie kommt es zu dieser deutlichen zeitlichen Differenz?
Vielleicht können Sie hier weiterhelfen und wo steht mehr zur Geschichte der Pulverfabrik in Moabit?
Ganz herzlichen Dank für weitere Hinweise zu diesem spannenden und leider wenig gewürdigten Thema!

Re: Die Pulvermühle von Berlin um 1844/45 31 Okt 2013 14:11 #1383225075

  • R.Hillebrand
  • R.Hillebrands Avatar Autor
Wie z.B. auf dieser Karte von 1836 erkennbar ist,
www.alt-berlin.info/cgi/stp/lana.pl?nr=1...522059&ost=13.364000
handelte es sich um ein recht ausgedehntes Gebiet, ungefähr von der Turmstraße im Norden bis fast zur Spree im Süden.
Ungefähr die gleiche Gegend, in einem größeren Ausschnitt, ist hier auf einer Karte von 1960 zu sehen:
www.alt-berlin.info/cgi/stp/lana.pl?nr=9...523383&ost=13.346791

Re: Die Pulvermühle von Berlin um 1844/45 29 Okt 2013 22:02 #1383080538

  • Andreas Kutschelis
  • Andreas Kutscheliss Avatar Autor
Herzlichen Dank für diese korrigierenden, ergänzenden und weiterführenden Hinweise!
Was befindet sich eigentlich heute auf jenem Gelände an der Spree bei Moabit im Bereich der ehemaligen Pulvermühlenstrasse, auf dem bis 1848 noch die Pulvermühle
lag, an der Fontane im Rahmen seiner Militärzeit Wachdienste ableistete?
Herzlichen Dank!

Re: Die Pulvermühle von Berlin um 1844/45 29 Okt 2013 15:45 #1383057901

  • Alexander Kraft
  • Alexander Krafts Avatar Autor
Einige Ausführungen zur Königlichen Pulverfabrik in Berlin findet man in meinem Buch Chemie in Berlin. Geschichte, Spuren, Persönlichkeiten. Berlin Story Verlag, Berlin 2012, S. 103–105. Die Pulverfabrik befand sich ursprünglich (seit 1717) in der Jungfernheide, in etwa dort, wo heute der Hauptbahnhof steht. Sie wurde in den 1830er Jahren nach Spandau verlegt. In Spandau gibt es auch noch einige Gebäude aus dieser Zeit, die heute verfallen oder anders genutzt werden.

Re: Die Pulvermühle von Berlin um 1844/45 19 Okt 2013 16:33 #1382193238

  • R.Hillebrand
  • R.Hillebrands Avatar Autor
Hier scheint eine Verwechslung vorzuliegen.

Die Pulvermühlen bei Berlin wurden 1717 bis 1719 angelegt, und zwar auf einem Gelände an der Spree bei Moabit. An der Pulvermühlenstraße, die am rechten Spreeufer entlang nach Moabit führte, lagen Mühlen und Magazine (vgl. z.B. Hans-Jürgen Mende u.a.: „Berlin-Mitte: das Lexikon“, Berlin 2001, S.717).

Dort, nicht in Spandau, wo Garde-Landwehr stationiert war, wurde Fontane vom Kaiser-Franz-Regiment im Winter 1844/1845 zum Wachdienst eingesetzt; er erinnerte sich rückblickend an die Pulvermühlen, „die schon damals für unsicher galten“. Durchaus zu Recht. Ein Pulverturm flog 1720 in die Luft, was den Tod von 63 Menschen zur Folge hatte, und 1802 explodierte ein mit zehn Zentnern Pulver gefülltes Haus auf der Pulvermühle, wodurch zwei Arbeiter getötet wurden. Die Häuser Pulvermühlenstraße 1-6 waren zur fraglichen Zeit bewohnt (vgl. Allgemeiner Wohnungsanzeiger 1845, Teil II, S.644).

Erst einige Tage nach dem Zeughaussturm am 14.Juni 1848 wurde aus Sicherheitsgründen -neben dem nicht geplünderten Teil der Bestände des Zeughauses- das Pulver aus den Pulvermühlen nach Spandau gebracht. Karl August Varnhagen von Ense erwähnte diesen Sachverhalt am 21.Juni 1848 in seinem Tagebuch: „Das Zeughaus und die Pulverthürme werden jetzt nach Spandau entfernt; man hat es diesmal öffentlich angezeigt. Die Maßregel ist nothwendig in Aussicht eines Russensturms.“ (Bd.5, Leipzig 1862, S.79) In Spandau gab es schon länger eine eigene Pulverfabrik, in der es u.a. 1663, 1719 und 1890 zu Explosionen kam.

Vielleicht könnte das Buch von Gernot Ernst „Die Stadt Berlin in der Druckgrafik“ Aufschluß über Abbildungen geben.

Re: Die Pulvermühle von Berlin um 1844/45 17 Okt 2013 13:21 #1382008873

  • Martin Mende
  • Martin Mendes Avatar Autor
Fontane leistete in der Zeit vom 1. April 1844 bis 31. März 1845 als Einjährig-Freiwilliger im Kaiser-Franz-Garde-Grenadier-Regiment Nr. 2 an der Neuen Friedrichstraße seinen Militärdienst. Das Regiment bewachte zeitweise die in den Jahren 1832 bis 1837 angelegte Pulvermühle am Havelufer in Spandau. Die Expansion der Stadt Berlin hatte die Schließung der Pulverfabrikation in Berlin im Jahre 1839 erzwungen. In Spandau konnte das fertige Schießpulver gefahrlos auf dem Wasserwege abtransportiert werden.
Der Name Quartier Pulvermühle für ein Spandauer Neubaugebiet erinnert an den früheren Standort der Pulvermühle in Haselhorst. 1867 beschrieb der Spandauer Chronist Krüger die Pulverfabrik wie folgt: "Dieses Etablissement ist in einem schönen Park gelegen, dessen verschiedene, mit Kies und Lohe bedeckte Fahr- und Fußwege zu den zahlreichen Gebäuden führen, in denen die einzelnen Materialien bearbeitet werden."
Mit Abbildungen kann eventuell das Spandauer Heimatarchiv dienen.