Berliner Dom - Dom-Museum - Modelle, Zeichnungen, Gemälde

Von Christine Becker

Zum Bestand
Im Berliner Dom existiert ein reicher Bestand bisher nicht inventarisierten Kunstgutes, das im Verlaufe der Planungs- und Baugeschichte des neuen Domes im 19. Jahrhundert entstanden ist. Es handelt sich dabei um eine große Anzahl von Modellen und Musterstücken, von Architekturzeichnungen und gemalten Entwürfen.

Der größere Teil der Sammlung steht im Zusammenhang mit den Planungen für den Domneubau von Julius Raschdorff ab 1891 und wurde für die tatsächliche Umsetzung am Gebäude hergestellt. Die kleinere Gruppe von Modellstücken dagegen dokumentiert Planungsschritte des nicht realisierten Domneubaus von Friedrich August Stüler vom Anfang der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts beziehungsweise aus dem Jahre 1859.

Die überkommenen Modellstücke gewinnen durch den direkten Bezug zur Entstehungs- und Planungsgeschichte des Berliner Domes ihre besondere Bedeutung. Die zum Teil stark beschädigten und fragmentarischen Kunstgegenstände veranschaulichen als Marksteine den langen Entscheidungsprozeß bis zum fertigen Domneubau.
Denn die Entstehungsgeschichte des neuen, des heutigen Domes am Lustgarten währte fast ebenso lange wie sein Bestehen bis zum heutigen Tage. Im Jahre 2005 wird das hundertjährige Jubiläum des ab 1893 errichteten Kirchenbaus gefeiert werden können, während die Debatte um einen Domneubau bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts geführt wurde.

Die Entwürfe Stülers
Seit dem Jahre 1816 sah Karl Friedrich Schinkel in dem anläßlich der Feier zur 300. Wiederkehr der Reformation gewünschten Umbau des Boumannschen Domes (1747-50 errichtet) die Gelegenheit, einen Neubau zu errichten. Seine Vorschläge und Entwürfe wurden jedoch von König Friedrich Wilhelm III. aus verschiedenen Gründen, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird, nicht befürwortet. Bekanntlich wurde das bestehende Gebäude zwischen 1817 und 1822 lediglich überformt.

Bereits seit 1827 arbeitete Schinkel auf Wunsch des Kronprinzen und späteren Königs, Friedrich Wilhelm IV., bis 1835 an weiteren Entwürfen für einen neuen Dom, ohne daß es zu einem gemeinsam vertretbaren Ergebnis kam. In der Folge übernahm Friedrich August Stüler diese Arbeit und entwarf mehrere Varianten drei- und fünfschiffiger Basiliken, zunächst auf Anweisung Friedrich Wilhelms IV. mit Architrav.

Der massive Widerstand sowohl der Architektenschaft im In- und Ausland als auch der Domgeistlichen gegen einen griechischen Bautypus führte schließlich zu den Entwürfen einer Basilika mit Rundbogenstellungen. Der Entwurf von 1843 war ab 1844 für die Ausführung vorgesehen, der Neubau jedoch noch im selben Jahr storniert worden. Lediglich der Begräbnisplatz des Campo Santo wurde zum Teil bis 1848 baulich umgesetzt und grenzte an den Boumannschen Dom.

In einem Bericht Stülers zu den Neubauplanungen ist die geplante künstlerische Ausstattung des Bauwerkes dezidiert beschrieben. Die Bauvorbereitung war bereits soweit gediehen, daß Musterstücke einzelner Ausstattungsstücke sogar im Maßstab 1:1 vorgelegt wurden. Die im Dom-Museum vorhandenen Stücke lassen sich aufgrund der erwähnten Beschreibungen zuordnen. So geht das einzige aus Holz bestehende Modell auf den Domentwurf Stülers, die Basilika aus dem Jahre 1843, zurück.

Die übrigen Musterstücke illustrieren beispielhaft die geplante Ausstattung des Stülerschen Domes. Es sind großformatige Keramiken wie Tondi und Bänder vorhanden, die dekorativ bemalt sind und wahrscheinlich als Friese im Innern des Kirchenschiffes oder aber auch an der Fassade angebracht werden sollten, sowie Fliesen in unterschiedlichen, geometrischen Formen mit orientalisierendem und antikisierendem Dekor, die als horizontale Gliederung in das Mauerwerk eingesetzt beziehungsweise als Bodenbelag zu verwenden waren.

Der Wert der erhaltenen Modelle und Musterstücke kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, da die Dekorelemente in Verbindung mit dem Holzmodell der Basilika das Erscheinungsbild des geplanten Domes dreidimensional veranschaulichen. Es soll in diesem Zusammenhang erwähnt werden, daß der Maler Peter von Cornelius zwischen 1844 und 1863 an einem monumentalen Freskenzyklus für den Stülerschen Dom und insbesondere für den Campo Santo gearbeitet hat.

Ein Teil dieser Entwürfe werden als Kartons in der Nationalgalerie in Berlin aufbewahrt. Der Entwurf Stülers für einen Zentralbau ist mit dem Modell von 1859 dokumentiert und stellt einen weiteren Aspekt der Dombaudiskussion um die Mitte des 19. Jahrhunderts dar. Das in restauriertem Zustand ausgestellte Modell steht stellvertretend für diesen Entwicklungsschritt auf dem Wege zu einem Domneubau.

Die Entwürfe von Raschdorff
Seit dem Tode Kaiser Wilhelms I. im Jahre 1888 trieb der bereits seit 1881 für den Dombau zuständige Kaiser Friedrich III. das Projekt nun im Kreise seiner Vertrauten voran, zu denen auch der Architekt Julius Raschdorff gehörte. Dessen Entwurf aus dem Jahre 1888 hätte in modifizierter Form nach dem Willen des Kaisers ausgeführt werden sollen, was jedoch aufgrund dessen frühzeitigen Todes im Sommer des Jahres 1888 unterblieb.

Noch im gleichen Jahr hatte Raschdorff dem Nachfolger auf dem Thron, Kaiser Wilhelm II., einen weiteren Entwurf vorgelegt, der in seinen Grundzügen - mit einer Hauptkuppel und vier Nebenkuppeln über den Ecktürmen - dem ausgeführten Bauwerk nahesteht. Ab Januar 1891 wurde die reduzierte Version dieses Entwurfes mit einem Modell im Maßstab 1:50 und Plänen im Maßstab 1:100 der Öffentlichkeit präsentiert. Das Modell war im Atelier für dekorative Bauplastik des Bildhauers Otto Lessing hergestellt und im Kunstgewerbemuseum ausgestellt worden.

Die im Dom-Museum aufbewahrten Fragmente gehören entweder zu diesem oder zu einem in der Folgezeit nach Überarbeitungen des Entwurfes hergestellten Modell. Die Pläne der Präsentation gelten bis auf einen im Bestand des Domes erhaltenen als verloren. Am 17. November 1891 lag schließlich die Planung vor, nach der die bauliche Umsetzung erfolgte. In den Jahren 1894-1905 entstand damit das größte deutsche Kirchenbauwerk des 19. Jahrhunderts.

Die Ausführung sowohl des Baukörpers als auch der Ausstattung wurde akribisch vorbereitet und die Qualität des künstlerischen Entwurfes sowie der Ausführung permanent kontrolliert.

Im Verlauf der Bauvorbereitung und -durchführung wurden zahlreiche Modelle hergestellt, die - vielfach fragmentarisch - vorhanden sind. Dazu gehören die begehbaren Innenmodelle im Maßstab 1:25, die durch ihre naturgetreue Gestaltung einen anschaulichen Eindruck der Predigtkirche, der Denkmalskirche und des kaiserlichen Treppenhauses ermöglichen.
Darüber hinaus haben sich Teile eines Außenmodells im Maßstab 1:25, wahrscheinlich aus der Zeit um 1894, erhalten, die einen fortgeschrittenen Planungsstand dokumentieren. Des weiteren sind zwei Modelle der Westtürme und der Apsis mit der Kanzel im Maßstab 1:25 bzw. 1:10 in restauriertem Zustand vorhanden.

Außer den Architekturmodellen haben sich von den zur plastischen Ausschmückung des Kirchenbaus vorgesehenen Kunstwerken insgesamt über zweihundert Einzelstücke und Fragmente von Modellen erhalten. Dazu gehören zum Teil mehr oder weniger intakte, identifizierbare Plastiken und Reliefs sowie teilweise stark fragmentarische Modelle zu Engeln oder anderen figürlichen Darstellungen und gewiß über einhundert Dekorelemente für den Innenraum - eventuell auch für die Fassaden.
Sowohl der bauplastische Schmuck als auch die figürlichen Darstellungen zu biblischen und historischen Themen entstammen den Werkstätten der bekanntesten und einflußreichsten Bildhauer der wilhelminischen Zeit. Der Bildhauer Otto Lessing stellte nicht nur die Architekturmodelle her, sondern auch Teile des Bauschmuckes sowie Figurengruppen und die vier großen Zwickelreliefs in der Predigtkirche.

Des weiteren sind die Bildhauer Fritz Schaper, Ludwig Manzel, Ernst Herter, Max Baumbach, Adolf Brütt, Carl Begas, Walter Schott, Gerhard Janesch, Johannes Götz, Friedrich Pfannschmidt, Wilhelm Widemann, August Vogel, Alexander Calandrelli und der vor Fertigstellung verstorbene Nikolaus Geiger zu nennen. Die Bildhauer lieferten ihre Modelle je nach Planungsstand in unterschiedlichen Maßstäben, zunächst im Maßstab 1:100, dann in 1:10, dann in Viertelgröße. Einzelne Stücke, unter anderem auch der Bauplastik, wurden im Maßstab 1:1 hergestellt und am Ort der Anbringung hinsichtlich ihrer Wirkung beurteilt.

Darüber hinaus ist ein erheblicher Bestand an Zeichnungen zur Raschdorffschen Planung erhalten - viele in sehr schlechtem Zustand. Ein Teil der Zeichnungen ist koloriert und besitzt einen differenzierten Darstellungsgrad. Die in Zeichenschränken gelagerten Blätter sowie in gerolltem Zustand aufbewahrten Zeichnungen zählen gewiß mehr als 2 500 Blätter und geben unter anderem die Abwicklungen des gesamten Stuckdekors im Dom im Maßstab 1:1 wider.

Zu den zeichnerischen Entwürfen sind auch die acht Originalkartons der Kuppelmosaiken von Anton von Werner zu rechnen, welche auf Leinwand doubliert und auf Keilrahmen gespannt aufbewahrt werden. Darüber hinaus sind die Gemälde von Werners als Entwürfe für die Kuppelmosaiken sowie für die Glasfenster in der Apsis mit Ausnahme eines Werkes erhalten. Sämtliche Gemälde sind auf Keilrahmen gespannt und befinden sich in relativ gutem Erhaltungszustand. Des weiteren werden verschiedene, sogenannte Kopfproben zu einem der Kuppelmosaiken des Raschdorffschen Domes verwahrt.

Zukünftige Maßnahmen: Inventarisation, Konservierung und Restaurierung, Präsentation
Eine systematische Sichtung des Modell- und Zeichnungsbestandes stellt ein dringendes Erfordernis dar. Damit würde in mehrfacher Hinsicht ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der Planungs- und Baugeschichte des Domes und seiner Kunstwerke geleistet werden.

Die Tatsache, daß die bekanntesten bildenden Künstler Berlins damals an der Planung und Ausgestaltung des Domes beteiligt waren, weist den genannten Kunstwerken über die Baugeschichte des Domes hinaus ihre Bedeutung zu und repräsentiert ein Stück Kunstgeschichte des wilhelminischen Berlins.
Die Beschäftigung mit den Modellen im Bestand des Berliner Domes könnte insbesondere der kunsthistorischen Forschung zur Berliner Bildhauerschule des 19. Jahrhunderts einerseits neuen Auftrieb geben und andererseits Kenntnisse vermitteln, die zur Beantwortung der in der Literatur auftretenden Fragen nach erhaltenen beziehungsweise verlorenen Dokumenten der Raschdorffschen Planung beitragen. Auch im Hinblick auf eine zukünftige Präsentation des Bestandes im Dom-Museum ist die genaue Kenntnis der Objekte von grundsätzlicher Bedeutung.

Die Präsentation setzt jedoch umfassende Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen voraus. Einige der Raschdorffschen Architekturmodelle und auch die figürlichen Gipse befinden sich in schlechtem bis rudimentärem Erhaltungszustand. Dabei sind die drei großen, begehbaren Modelle der Predigtkirche, des kaiserlichen Treppenhauses und der Denkmalskirche weitaus besser erhalten als ein Gesamtmodell des Domes im Maßstab 1:50, dessen Reste auf einer Grundplatte stehen. Weitere Bruchstücke dieses Modells sowie der zuvor genannten sind in einer Menge von schätzungsweise mindestens einem Kubikmeter vorhanden.

Es wäre vor allem auch zu klären, zu welchen Modellen die einzelnen Fragmente und Ausstattungselemente gehören und um welche Entwurfsfassung es sich bei den Resten des Gesamtmodells handelt. Erhebliche finanzielle Aufwendungen sind dafür notwendig. Ziel ist es dennoch, diesen bedeutenden Bestand der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nicht nur die Architekturmodelle, die in einer direkten Nachfolge der Großmodelle der Renaissance zu sehen sind, sondern auch die plastischen Entwürfe der Bildhauer, die als in Gips gearbeitet sind, stellen einzigartige Dokumente künstlerischen Schaffens in ihrer Zeit dar.

Es ist vorgesehen, die bereits früher als Dom-Museum genutzten drei Räume im Emporengeschoß der Westseite wieder zu öffnen. Die Bearbeitung des umfangreichen, auf die Nachwelt überkommenen Bestandes wird schrittweise erfolgen. Mit der Form der wachsenden Ausstellung als work in progress kann der Quantität der Exponate in qualitativer Weise begegnet werden.
Aufgrund des umfangreichen Bestandes an Artefakten, der die Ausstellungsmöglichkeiten in den oben genannten Räumen bei weitem übertrifft, wäre es wünschenswert, zum geeigneten Zeitpunkt auch die übrigen, ursprünglich von Raschdorff für das Museum vorgesehenen Räume zu nutzen.

Aus: "Mitteilungen" 1/2005