Das Gerichtsgebäude in der Littenstraße
Von. Manfred Funke
Als Berlin 1871 Hauptstadt des neu gegründeten Deutschen Reiches wurde, setzte bald eine starke Bautätigkeit ein. Hiervon waren auch die öffentlichen Gebäude betroffen, die teilweise erweitert, zunehmend aber durch Neubauten ersetzt wurden.
Das höchste Berliner Gericht, das Stadtgericht, befand sich in einem Gebäudekomplex an der König- (heute Rathausstraße) Ecke Jüdenstraße in sehr beengten Verhältnissen. Am 1. Oktober 1879 traten Reichsjustizgesetze in Kraft. Für Berlin bedeutete dies u.a. eine Veränderung der Gerichtsstruktur. An die Stelle des Stadtgerichts traten das Landgericht I und das Amtsgericht I. Um der Raumnot abzuhelfen, wurde das in der Neuen Friedrichstraße 13 (heute Littenstraße) gelegene Gebäude der Kadettenanstalt 1880 für 470.000 RM angekauft. Diese war zwei Jahre zuvor in einen Neubau in Groß-Lichterfelde gezogen. Die der Kadettenanstalt benachbarten Gebäude wurden ebenfalls nach und nach angekauft.
Es wurde beschlossen, die alten Gebäude abzubrechen und einen Neubau für das Landgericht l und das Amtsgericht I zu errichten. Den Vorentwurf dafür lieferte 1894 Paul Thoemer (1851-1918), der dann 1895 von Paul Mönnich (1854-1922) ausgearbeitet wurde. Von ihnen stammen auch die Entwürfe für verschiedene andere Berliner Gerichtsgebäude. Der Architekt Otto Schmalz (1861-1906) wirkte besonders bei der Gestaltung des Innenraums mit, z.B. bei den beiden Treppenhäusern.
Der Bau wurde 1896-1905 in zwei Bauabschnitten zwischen Neuer Friedrich- und Grunerstraße errichtet und war nach der Fertigstellung eines der größten Berliner Gebäude. Die beiden Längsflügel waren durch fünf Querflügel miteinander verbunden, wodurch elf Höfe entstanden. Ein besonderes Kennzeichen waren die vier Ecktürme. Während des 2. Weltkrieges wurde das Gerichtsgebäude durch Bombenangriffe in Mitleidenschaft gezogen. Die Wiederherstellung erfolgte nach 1945 in vereinfachter Form. So wurde u.a. auf den Wiederaufbau der zerstörten Ecktürme verzichtet. Jetzt zogen hier das Oberste Gericht der DDR, das Stadtgericht Berlin und das Bezirksgericht Mitte/Prenzlauer Berg ein. Verschiedene politische Schauprozesse fanden hier statt, z.B. 1957 gegen die kritischen Intellektuellen Wolfgang. Harich und Walter Janka.
Im Rahmen der Neugestaltung des Berliner Stadtzentrums wurde 1968/69 die Grunerstraße verbreitert, was zum Abbruch des nordwestlichen Querflügels mit einem der beiden Treppenhäuser führte. Nach der Wiedervereinigung Berlins 1990 wurde das Gebäude Sitz verschiedener Kammern des Landgerichts, die u.a. mit Berufungs-, Beschwerde-, Handels- und Verkehrsunfallsachen befasst sind.
Literatur:
Aus dem Berliner Rechtsleben. Berlin 1902; Berlin und seine Bauten. Teil 3: Bauwerke für Regierung und Verwaltung. Berlin, München 3. Aufl. 1966; Hauptstadt Berlin. Berlin 1983 (Bau- und Kunstdenkmale in der DDR); Kähne, Volker: Gerichtsgebäude in Berlin. Berlin 1988; Hoppe, Ralph: Quer durch Mitte. Das Klosterviertel. Berlin 1997.
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