Oranienburger Straße - Herkules

Im Heft Nr. 3 des Jahres 1884 der "Mittheilungen des Vereins für die Geschichte Berlins" richtete der Rentier Theodor Töpffer, wohnhaft Köthener Straße Nr. 4, folgende Anfrage an die Vereinsmitglieder:

"Seit dem Jahre 1800 ist die Ressource zur Unterhaltung im Besitz des ca. 4 Morgen großen Grundstücks Oranienburgerstraße 18, dessen Garten von der Oranienburger-, Großen Hamburger- und Krausnickstraße eingeschlossen wird.
Am Ende des Gartens, zunächst der Großen Hamburgerstraße, steht auf einem Sandsteinsockel eine Kolossalfigur von demselben Material 10-12 Fuß hoch, meiner Ansicht nach, einen alten Germanen darstellend.

Da ich nun damit beschäftigt bin, eine Chronik der in diesem Herbst 100 Jahre bestehenden Gesellschaft zusammenzustellen, so wäre es mir von großem Interesse, den eigentlichen Ursprung dieser Figur zu erfahren. - In den Akten und den alten Urkunden habe ich trotz aller Mühe nichts darüber entdecken können, ich selbst kenne dieselbe seit dem Jahre 1826, wo mein seliger Vater Mitglied der Gesellschaft wurde, und kann ich mich deutlich des stets als Herkules benannten Kriegers aus meiner frühesten Jugend besinnen, außerdem erhielt ich vor langen Jahren von einem schon damals sehr alten Mitgliede die Mittheilung:
daß diese Figur einem ehemaligen Thore von Berlin entnommen und auf irgend eine Weise an die Ressource überkommen sei.
Wenn ich nicht irre, sprach besagter Herr vom Frankfurter oder Bernauer Thor.

Sicher ist, daß die Figur erst nach dem Jahre 1800, doch während der Besitzzeit der Ressource aufgestellt worden ist; denn vorher war das ganze Terrain ein Gemüse- und Obstgarten, dem derzeitigen Besitzer, dem Kriegsrat Therbusch, gehörig, es ist dasselbe erst seit dem Jahre 1797 zum Park, wie es jetzt ist, umgewandelt worden.

Der Verein für die Geschichte Berlins, der die Lage und Veränderungen durch Hinausschiebung der Thore Berlins gewiß genau kennt, dürfte vielleicht im Stande sein, mir Aufklärung in dieser Sache zu verschaffen, wodurch er mich zu großem Dank verbinden würde."

Mehrere Mitglieder des Vereins machten sich auf den Weg, den Herkules zu besichtigen. Das Urteil war negativ: Über den Ursprung der Statue konnten sie nichts ermitteln, "und es wurde allgemein die Ansicht ausgesprochen, daß dieselbe nur eine dekorative Gartenfigur ist, die keinen historischen Werth hat und wahrscheinlich einen Herkules darstellt." (Mittheilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, H. 5, 1884, S. 49).

Der Chronist Theodor Töpffer verfaßte trotz dieser Enttäuschung sein "Gedenkblatt zur Feier des 100jährigen Stiftungsfestes der Ressource zur Unterhaltung, am 10. Oktober 1884 den Mitgliedern der Gesellschaft gewidmet von einem Mitgliede." Leider wurde das 59 Seiten starke Gedenkblatt in einer geringen Auflage gedruckt und erschien nicht im Buchhandel. Der Bibliothek des Vereins für die Geschichte Berlins übergab Theodor Töpffer ein Exemplar, obwohl die Mitglieder ihm nicht hatten weiterhelfen können. Doch gehört diese Schrift zu den Kriegsverlusten der Vereinsbibliothek. Die Staatsbibliothek zu Berlin, Haus 2 in der Potsdamer Straße, besitzt ein Exemplar des Gedenkblattes.

Aus: "Mitteilungen" 3/1884

Anmerkung der Redaktion
Gebäude und Garten der Ressource bestehen bis heute, wenn auch sehr verändert. Sechs Jahre nach seiner Gründung hatte der Verein "Ressource zur Unterhaltung" Garten und Gartenhaus von dem Kriegsrat Therbusch gemietet, weshalb der Ort auch "Therbuschsche Ressource" genannt wurde. Die Mitglieder des Vereins, Bürger, die großen Teils in der unmittelbaren Nachbarschaft wohnten, nutzten den Verein und seinen Garten zu Geselligkeit und Unterhaltung. Im Jahr 1800 konnte der Verein das Grundstück zu Eigentum erwerben und 1840 einen dreistöckigen Neubau an der Oranienburger Straße errichten lassen. Architekt war der Königliche Bauinspektor Wilhelm Drewitz, ein Mitglied des Vereins. 1877 leistete man sich ein Gartenlokal, erbaut von Nicolaus Beckers, das am 27.10.1878 eingeweiht wurde.

Wenn auch Fassade und Innenausstattung durch die verschiedenen Nutzungen verändert und teilweise zerstört worden sind, so sind die Überreste dieses Grundstücks doch erstaunlich: ein Garten in der Mitte Berlins. Die Umnutzungen - seit 1930 Studentenheim, bis 2004 Institutsgebäude der Humboldt-Universität -, die einerseits veränderten und zerstörten, haben letztlich Häuser und Garten in die Gegenwart hinüber gerettet.

Das Institut für Psychologie der Mathematisch-Naturwisschenschaftlichen Fakultät II der Humboldt-Universität zu Berlin wird Haus und Grund zum Wintersemester 2003/04 verlassen und in das neu errichtete Wolfgang-Köhler-Haus in Adlershof, Rudower Chaussee, umziehen. Dann steht der ehemaligen Ressource eine neue Nutzung bevor, dem Garten hoffentlich auch.

Literatur:
Die "Ressource zur Unterhaltung" (zur Hundertjahrfeier), in: Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 1884, Nr. 473.
Volker Hübner und Christiane Oehmig: Spandauer Vorstadt in Berlin-Mitte. Ein Kunst- und Denkmalführer (= Beiträge zur Denkmalpflege Berlin, Sonderband), Petersberg 2002, S. 44-45.

Redaktion: Gerhild Komander, 2003