Grenzgänger zwischen Tradition und Moderne – Das Berliner Architekturbüro Jürgensen & Bachmann
Von Sabrina Kimmel

Fortschreitende Industrialisierung, starkes Bevölkerungswachstum, zunehmender Verkehr und innerhalb der Kunst schnell aufeinanderfolgende Stile und „Ismen“ – in der Hauptstadt Berlin wirkte sich der Aufbruch in die Moderne gegen Ende des 19. Jahrhunderts besonders stark aus und führte zur Verunsicherung innerhalb der Gesellschaft. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich mit dem Heimatschutz eine Gegenströmung, die mit Hilfe des Rückgriffs auf die traditionelle heimatliche Bauweise und Wertschätzung von Handarbeit wieder auf mehr Stabilität innerhalb der Gesellschaft setzte, die kulturelle Identität wieder festigen und Orientierung geben wollte. Das hier vorgestellte Architekturbüro Jürgensen & Bachmann setzte diese neuen Ideen vor allem beim protestantischen Kirchenbau um, dem sie sich besonders widmeten.

Zwischen 1903 und 1918 waren die Architekten Peter Jürgensen (16.12.1878 – 5.2.1954) und Jürgen Johannes Bachmann (16.5.1872 – 28.1.1952) im Berliner Architekturbüro Jürgensen & Bachmann assoziiert. Die Kirche „Zur frohen Botschaft“ in Karlshorst (Weseler Str. 6/Lahnsteiner Str. 4, erbaut 1909-1910), die Kapelle in Hessenwinkel in Köpenick (Waldstr., ebenfalls 1909-1910 erbaut), die Taborkirche (Schönblicker Str., erbaut 1910-1911) sowie die Markuskirche in Steglitz (Karl-Stieler-Str. 8a, erbaut 1911-1912) – diese vier Gotteshäuser errichtete das Architekturbüro mit Sitz in Charlottenburg auf heutigem Berliner Stadtgebiet. Sie verdeutlichen, wie sehr Jürgensen und Bachmann den Ideen des Heimatschutzes nahe standen. Von den Berliner Profanbauten sind es die Restaurations- und Saalbauten des Zoologischen Gartens, mit denen das Architekturbüro besondere Aufmerksamkeit erregte. Ihr wohl bekanntestes Bauwerk in der Stadt ist das Schöneberger Rathaus.

Zur Biographie der Architekten
Beide stammten ursprünglich aus Schleswig-Holstein, der Wiege des Heimatschutzes: Peter Jürgensen aus Dellstedt in Dithmarschen, Jürgen Johannes Bachmann aus Nübel, Kreis Sonderburg (heute Dänemark). Dort absolvierten sie eine Zimmermannslehre und studierten dann an der Baugewerkschule in Eckernförde, wo sie sich vermutlich kennen lernten und seitdem in Kontakt blieben. Vor allem Bachmann war auch später noch handwerklich tätig und schuf beispielsweise den freistehenden Steinaltar für die Kirche in Karlshorst. Ihre Studien setzten sie dann – allerdings nicht gemeinsam – an der Technischen Hochschule in Charlottenburg fort, Jürgensen von 1897-1900, Bachmann 1894-1895. Bekannt ist, dass ersterer (und vermutlich auch Bachmann) dort unter anderem bei Jürgen Kröger, Jürgen Vollmer und Johannes Otzen studierte, die sämtlich um die Entwicklung des protestantischen Kirchenbaus bemüht, aber weitestgehend noch dem neogotischen Formenapparat verpflichtet waren.

Nach dem Studium arbeiteten Jürgensen und Bachmann wohl von 1898 bis 1902 im Büro Jürgen Krögers mit. Der ebenfalls aus Schleswig-Holstein stammende Kröger hatte auch eine Zimmermannslehre absolviert, bevor er an der Baugewerkschule in Eckernförde ausgebildet wurde und dann nach Berlin ging. Dort wurde Johannes Otzen sein Lehrer. Nach einer Zusammenarbeit mit Hans Abesser im Architekturbüro Abesser & Kröger machte Jürgen Kröger sich 1893 selbständig. In dessen Büro nahmen Jürgensen und Bachmann bereits 1902 unter eigenem Namen an einem Wettbewerb für eine evangelische Kirche in Münster am Stein teil, gewannen diesen zwar nicht, belegten aber unter 115 Teilnehmern immerhin den zwölften Platz. Ein Jahr später machten sich die Architekten schließlich in Charlottenburg selbständig. Ihr Büro richteten sie zuerst in der Schillerstraße 104, später in der Bismarckstraße 97/98 ein.

Erstmals große Aufmerksamkeit und Reputation als Architekturbüro erlangten die beiden 1905 mit dem Bau der Frankfurter Synagoge an der Friedberger Anlage (erbaut 1905-1907, zerstört), für den ihnen die Fachpresse große Anerkennung zollte. Die Architekten arbeiteten mit der Malerfirma Birkle & Thomer aus Berlin zusammen, die eine neue sgraffittoartige Technik entwickelt hatte und mit der Ausführung der Ausmalung betraute wurde. Die von der Firma angewandte Technik erreichte trotz vieler dekorativer Ornamente eine „feine und ruhige Wirkung“ und beeinflußte auch die Akustik positiv. Mörtel und Farbe wurden gemischt und die Ornamentformen dann herausgeschnitten. Bei besonders hervorzuhebenden Bereichen, wie dem Altarraum, wurden kräftige Farben eingesetzt. Mit dieser Firma arbeiteten Jürgensen und Bachmann auch bei ihren protestantischen Kirchenbauten häufig zusammen.

Protestantischer Kirchenbau und Heimatschutz um 1900
Verstärkt wendeten sich die Architekten dem Entwerfen von Kirchen zu, insbesondere nach 1906, als der zweite Kongress für protestantischen Kirchenbau in Dresden abgehalten wurde. Für die Frage, wie ein solcher zeitgenössischer Kirchenbau auszusehen habe, hatte man auch nach dem ersten Kongreß von 1894 in Berlin noch keine zufrieden stellende Lösung gefunden. Streitigkeiten hatte es diesbezüglich immer schon zwischen den beiden Konfessionen der Lutheraner und Calvinisten gegeben – gerade auch in Berlin. Bis ins 19. Jahrhundert waren bei ihnen verschiedene Kirchentypen favorisiert worden: Die Lutheraner hatten sich in Liturgie und Ausstattung noch sehr an den katholischen Kirchen orientiert. Das Bauwerk mit sakraler Funktion stand im Vordergrund, der Altardienst im Zentrum des Interesses. Damit der Altar besondere Aufmerksamkeit erhielt, wurde er gewöhnlich erhöht und an der Kurzseite des Langbaus gegenüber dem Eingang aufgestellt. Bei den Calvinisten galt das Hauptinteresse der Kanzel, denn hier wurde die ihnen besonders wichtige Predigt gehalten. Zentral angelegte, schlichte Kirchenräume oder quer genutzte Längsbauten waren beliebt, weil so das Hören der Predigt von jedem Platz aus gewährleistet war.

Zu einer Einigung zwischen den Konfessionen war es nie gekommen. Auf dem ersten Kongress hatte man zwar im so genannten Eisenacher Regulativ Leitsätze verabschiedet, die den Forderungen der Lutheraner entsprachen, diese konnten sich aber nicht überall durchsetzen. Auch weitere Einigungsversuche scheiterten. Auf dem zweiten Kongress nun trafen erneut Konservative, die den traditionellen Langhausbau mit Altar an einer Kurzseite gegenüber dem Eingang bevorzugten, auf Befürworter der Moderne. Diesen lagen vor allem die Zweckhaftigkeit des Baus im Sinne einer guten Akustik sowie als Gruppenbau (als neues Gemeindezentrum und auch zur Kostenersparnis) am Herzen; sie orientierten sich eher an der calvinistischen Auffassung. Die gerade in Berlin sich etablierende Neogotik als Stilform lehnten sie ab und setzten statt dessen mehr auf geschlossene Baukörper und Monumentalität. Zu einer Einigung zwischen den Lagern kam es wieder nicht. Unsere hier betrachteten Architekten sind allerdings weitestgehend der modernen Richtung gefolgt, wie sich noch zeigen wird.

Auf dem zweiten Kongress wurde das Augenmerk auch auf die künstlerische Gestaltung des Innenraumes gelenkt. Es scheint kein Zufall zu sein, dass der Kongress im Zusammenhang mit der 3. Kunstgewerbeausstellung in Dresden stattfand. Dresden hatte sich seit Ende des 19. Jahrhunderts zur Stadt des Jugendstils entwickelt, der auch mit der Heimatschutz- und Lebensreformbewegung in Verbindung steht. Letztere trat für die seit dem 18. Jh. bekannte Forderung „Zurück zur Natur“ ein; anstelle der Reproduktion und Aufnahme historischer Stile erhielten „Materialechtheit, Konstruktionsentsprechung und Werkgerechtigkeit“ eine zentrale Bedeutung. Entsprechend wurde auch in der Eröffnungsrede zur dritten Kunstgewerbeausstellung 1906 als deren Ziel angegeben, „künstlerische Gesamtwirkungen, die für unsere Zeit bezeichnend sind, zur Vorführung [zu] bringen und [zu] zeigen, wie alle Einzelleistungen von Kunst, Kunsthandwerk und Kunstindustrie sich zum zweckentsprechenden, stimmungsvollen Raum zusammenfügen“. Propagiert wurde demnach die Schaffung eines Raumes als Gesamtkunstwerk. Des weiteren formulierte Superintendent Paul Brathe 1910 im „Christlichen Kunstblatt“: „Wir tun in der Tat am besten, wenn wir einmal ganz von allen gewohnten Stilüberlieferungen absehen und den ernsten, ehrlichen Versuch machen, zu unserer Zeit in unserer Sprache, noch genauer: zu jeder Gemeinde in ihrer Sprache zu reden, ausgehend von den ihr selbst zu formulierenden Bedürfnissen ihres kirchlichen Lebens, des Bauplatzes und der Umgebung“, und auf der Tagung für kirchliche Kunst in Chemnitz forderte er im selben Jahr, dass ein „neuzeitlicher Ausdruck im Sinne der Heimatkunst“ gesucht werden solle. Seine Resolution wurde fast einstimmig angenommen.

Der von ihm angesprochene Heimatschutz begann sich Anfang des 20. Jahrhunderts zu etablieren. Am 30. März 1904 wurde der Deutsche Bund Heimatschutz in Dresden unter dem Vorsitz von Paul Schultze-Naumburg (1869-1949) gegründet. Zur Gründung rief 1903 neben dem Initiator Ernst Rudorff (1840-1916) auch der Berliner Baurat Oskar Hoßfeld auf, der für Kirchenbaufragen zuständig war und sich als Jurymitglied bei Wettbewerben, an denen Jürgensen und Bachmann teilnahmen, für diese ausgesprochen hatte (z.B. bei der Markuskirche in Steglitz). Unterzeichnet wurde das Programm unter anderem von Universitätsprofessoren wie Cornelius Gurlitt (Technische Hochschule Dresden und Geheimer Hofrat) und Architekten wie Otto March. Ziel war es, die „deutsche Heimat in ihrer natürlichen und geschichtlich gewordenen Eigenart zu schützen und die gesamte Heimatschutzbewegung zusammenzufassen“. Der Bund wurde in der Folge zum Dachverband aller in dieser Zeit entstandenen Ortsverbände und sollte politische Folgen haben: Unter seiner Mitwirkung wurde das „Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden“ ausgearbeitet und am 15. Juli 1907 verabschiedet (auch für die Umgebung der Kirche zu Karlshorst waren Vorgaben gemacht worden). Gerade in Schleswig Holstein waren um die Jahrhundertwende Generationen von Künstlern darum bemüht gewesen, „die Charakterzüge einer neuen ‚zeitlosen’, aber traditionsgegründeten Architektur zu profilieren, um die historisch-landschaftliche Identität einer zumindest baulich lange Zeit ‚sprachlosen’ Provinz wiederzufinden“.

So entstanden seit 1900 verschiedene Verbände, wie die Wandervogelbewegung (1900 in Steglitz) und der Dürerbund. Auch „Tage für Denkmalpflege“ wurden seit 1900 jährlich abgehalten und in der Folge diverse Orts- sowie Landesvereine im Bereich Heimatschutz gegründet, so auch 1909 der Landesverband Brandenburg mit einer eigenen Zeitschrift „Heimatschutz in Brandenburg“. Später sollten die Nationalsozialisten den Bund Heimatschutz vereinnahmen und für ihre Zwecke nutzen.
Der Deutsche Bund Heimatschutz arbeitete eng mit dem Bund deutscher Architekten (B.D.A.) und dem Verband deutscher Architekten- und Ingenieurvereine zusammen, denen auch Bachmann und Jürgensen angehörten. So wurde der B.D.A nach seiner Gründung 1904 in den „Mitteilungen des Bundes Heimatschutz“ als „höchst dankenswertes Unternehmen“ bezeichnet. Der Bund habe sich die Aufgabe gestellt, gegenüber dem „bureaukratischen“ und spekulativen Baubetrieb die Baukunst zu Ehren zu bringen. Er wolle die „selbständigen, künstlerisch schaffenden Architekten“ zusammenfassen, um bestimmte ideale Zwecke zu fördern. Daher setzte sich diese Vereinigung auch für einen allgemeinen Bebauungsplan für Groß-Berlin ein, um „landschaftlich [zu] erhalten, was noch zu retten sei“.

Im Bereich des Baumaterials hatte gerade der Backsteinbau in der Heimatschutzbewegung große Bedeutung. Das Material stand für Wärme und „hiesiges Kolorit“. Wie viele andere sah Schultze-Naumburg nur im Rückgriff auf die „gute alte Bauform“ die Möglichkeit der Weiterentwicklung. Für ihn gehörten zum traditionsbewussten Bauen Einfachheit, handwerkliche Solidität, Einheitlichkeit, Materialgerechtigkeit und Materialbeseelung, Sachlichkeit und Poesie. Im Kirchenbau sollte man sich vom Historismus abkehren und neuen Formen zuwenden. All dies beherzigten auch die hier behandelten Architekten. Die Verwendung von Backstein als Baumaterial konnte von dem Architektenduo allerdings bei der Markuskirche aus Kostengründen nicht durchgesetzt werden, und bei der Kirche „Zur frohen Botschaft“ wurden Klinker anstelle von Backstein verwendet. Bei dieser sowie der Taborkirche und anderen Kirchen der Architekten fallen außerdem die breitgelagerten dominanten Rechtecktürme auf, die schon für die märkischen Kirchen des Mittelalters kennzeichnend gewesen waren und in ihrem massigen Erscheinungsbild die neue Einheit des Materials verkörperten.

Die Tendenzen zum Heimatschutz verbreiteten sich in Berlin besonders im Südosten. In Friedrichshagen hatte sich um 1900 im Zuge der Lebensreformbewegung ein Kreis um die Dichter Bruno Wille und Wilhelm Bölsche gebildet, zu dem auch Gerhard Hauptmann gehörte. Der ebenfalls der Gruppe nahestehende Maler Otto Jahnke hatte sich im benachbarten Wilhelmshagen ein Haus nach dem Vorbild nordischer Bauernhäuser errichten lassen, was auf den Gedanken des Heimatschutzes hinweist. Dass gerade im Südosten Berlins Jürgensen und Bachmann mit dem Bau der drei Kirchen in Karlshorst, Wilhelmshagen und Hessenwinkel betraut wurden, erscheint daher folgerichtig. Auch wenn die Architekten nicht in den Mitgliederverzeichnissen des Bundes Heimatschutz aufgeführt sind, scheint eine Verbindung zu ihm doch deutlich.

Berliner Bauten von Jürgensen & Bachmann
Diese neuen auf Tradition gegründeten Entwicklungen wurden vom Architektenduo Jürgensen & Bachmann aufgegriffen und gerade in ihren Kirchenbauten verwirklicht. Acht evangelische Kirchen entstanden nach ihren Entwürfen zwischen 1908 und 1912 im norddeutschen Raum. Neben den vier erwähnten Berliner Kirchen waren es eine Kirche in Stellingen bei Hamburg (1908-1909), in denselben Jahren die St. Petri-Kirche in Flensburg, die St. Gertrud-Kirche in Lübeck (1909-1910) und eine Friedhofskapelle, ebenfalls in Flensburg (1910-1911). 1908 stellten Jürgensen und Bachmann einige der Kirchenentwürfe auf der Großen Berliner Kunstausstellung vor.

Bei den errichteten protestantischen Kirchenbauten des Architekturbüros fällt neben der erwähnten dominanten querrechteckigen Turmform (bei den Berliner Kirchen in Karlshorst und Wilhelmshagen) die ähnliche Grundrissbildung in der Grundform eines kurzen breiten Längsbaues mit Saalcharakter auf. Auch versuchten Jürgensen und Bachmann den modernen Gedanken der Kirche mit angegliederten Gemeindebauten durchzusetzen, wo immer es ging. In Berlin gelang ihnen dies bei der Karlshorster und Markuskirche; für die Taborkirche war ein Gruppenbau zwar geplant worden, wohl aber aus Kostengründen nicht umsetzbar.

Auch sind die Altarräume der Bauten immer gegenüber dem Eingangsbereich angeordnet und sämtlich gerade geschlossen, vor ihnen rechts oder links ist die Kanzel plaziert. Die Orgelempore befindet sich über dem Eingangsbereich, und an den Längsseiten sind überall Emporen eingebaut. Dementsprechend orientierten sich Jürgensen und Bachmann an der konservativen lutherischen Vorstellung eines protestantischen Kirchenbaues – allerdings mit der Einschränkung, dass ihnen sehr wohl an einer guten Akustik und Sicht gelegen war, weshalb die Langhäuser doch sehr kurz ausfielen, möglichst wenige Säulen die Sicht versperrten und häufig die entwickelte Ausmalungstechnik der Firma Birkle & Thomer Anwendung fand.

Die jugendstilhaft ornamentale Bemalung von Altarräumen und Bögen sowie die Gestaltung der Fenster oder auch Altarbilder, die oft nach Entwürfen des befreundeten Künstlers Albert Klingner entstanden (so auch bei den Berliner Sakralbauten; heute leider größtenteils zerstört), machen deutlich, dass die Architekten auf die qualitätvolle Ausstattung und Ausmalung der Kirchen großen Wert legten, wie es der Heimatschutz forderte. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass sie auch mit den Bildhauern Hinrichsen & Isenbeck und dem bekannten Maler Franz Müller-Münster des Öfteren zusammenarbeiteten.
Albert Klingner (1869-1912) war an sehr vielen Entwürfen für die Ausmalung, die Gestaltung der Fenster und Altarbilder der Kirchen in Berlin, Stellingen, Lübeck und Flensburg beteiligt. Nach einer Ausbildung als Dekorationsmaler an der Kunstgewerbeschule in Karlsruhe hatte er an der Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums studiert und an den Großen Berliner Kunstausstellungen 1894, 1898 und 1904 teilgenommen. Seit 1905 widmete er sich ganz der kirchlichen Kunst. Die Zeitschrift Kunstwelt beschrieb seine Arbeit in einem Nachruf 1912 folgendermaßen: „Schwerblütig und norddeutsch war die Art des Malers, von der eine große Anzahl Werke zeugen. Ihr Hauptvorzug ist ihr enger und künstlerischer Zusammenhang mit der Architektur. Das beweist seine Ausmalung der evangelischen Kirche in Flensburg, der evangelischen Kirche in Stellingen und der Waldkapelle in Hessenwinkel. Ausgezeichnetes schuf auch der zu früh verstorbene auf dem Gebiet der Glasmalerei […].“
Durch ihre Bauten hatten die Architekten Jürgensen und Bachmann sehr große Aufmerksamkeit erregt. So wurde ihnen als Anerkennung ihrer Leistungen von der Jury der Großen Berliner Kunstausstellung 1910 die Sonderschau in der Architekturabteilung überlassen. Hier war das Architektenduo mit 36 Exponaten vertreten. Den Mittelpunkt bildeten ihre Kirchenbauten: Gezeigt wurden eine Kirche für einen Berliner Vorort (mit Abbildung des Innenraumes), eine Kirche für Wilhelmshagen, die Kirche für Karlshorst (mit Abbildung des Innenraumes und einem Modell der Kirche mit Umgebung), eine Kirche für eine kleine Stadt, eine eingebaute Kirche für Berlin, Kanzel und Altar für die Kirche in Stellingen, die Synagoge Frankfurt am Main, die St. Petri-Kirche Flensburg sowie die St. Gertrudkirche in Lübeck (mit Modell) und ein Modell für die Friedhofskapelle in Flensburg. Zu den ausgestellten Arbeiten wurde folgendes bemerkt: „Zu einer in hohem Grade beachtenswerten Sonder-Ausstellung haben Jürgensen & Bachmann zahlreiche Werke ihrer feinen künstlerischen Tätigkeit, die es vermeidet, betretene Pfade zu gehen, vereinigt. […] Was die Arbeiten auszeichnet, ist eine selten unbefangene Natürlichkeit des Empfindens bei hochentwickeltem malerischen Gespür. Die Einwirkungen der Heimat sind unverkennbar und auch berechtigt, besonders bei Arbeiten, die für die nördlichste Provinz des Reiches bestimmt sind […].“

Auf der Ausstellung präsentierten sie auch die viel gelobten Restaurations- und Saalbauten für den Zoologischen Garten in Berlin (1909-1912, zerstört) und ihr wohl heute bekanntestes Berliner Bauwerk, das Rathaus Schöneberg (1911-1914).
Der Wettbewerb für die Bauten des Zoologischen Gartens hatte 1908 stattgefunden. Dabei war das östliche Zoogebiet vollständig umzugestalten, Tierhäuser sollten einem groß angelegten Gebäudekomplex mit Restaurants und Cafès weichen. Dementsprechend gestalteten Jürgensen und Bachmann einen repräsentativen, aber doch prunklos gehaltenen monumentalen Bau. In den großen Sälen und Restaurants fanden 10.000 Menschen und ebenso viele auch auf den Terrassen und in einem angelegten Konzertgarten Platz. Den Mittelpunkt bildete das Hauptgebäude mit seitlich angeordneten niedrigen, massigen Rundtürmen als Eingangsbereich. An diese schlossen sich zwei Flügel an, die neben einem großen Festsaal auch einen Marmor-, den Kaiser-, Garten- und einen Bankettsaal beinhalteten. Der Gebäudekomplex wurde in der Fachpresse positiv besprochen. So schrieb etwa Walther Curt Behrendt in „Der Profanbau“ 1913: „Daß die Architekten aber auch mit ungewöhnlichsten und bedeutendsten Verhältnissen zu rechnen wissen und daß sie die gesteigerten Ansprüche, die das Bauprogramm eines großen weltstädtischen Restaurationsgebäudes zu stellen hat, mit Umsicht und glücklichem Gelingen zu erfüllen vermögen, haben sie mit dem Neubau der Saal- und Terrassenbauten für den Berliner Zoologischen Garten aufs beste bewiesen […] Dieser Neubau gehört in seiner großzügigen Gruppierung und in der geschickten Durchbildung der sehr bedeutenden Innenräume zum Besten, was Berlin an neueren Saal- und Restaurationsgebäuden aufzuweisen hat […].“

Während dieser Gebäudekomplex 1910 bereits im Bau begriffen war, sollte mit der Ausführung der Pläne für das Schöneberger Rathaus erst ein Jahr später begonnen werden. Der Wettbewerb hatte 1910 stattgefunden und die Architekten entsprachen mit ihren Vorschlägen den Anforderungen der Preisrichter, das Gebäude „zum Mittelpunkte einer besonderen städtebaulichen Entwicklung (Schönebergs) zu machen. Das Rathaus an sich zum hervorragendsten Monumentalbau der Stadt werden zu lassen […].“
Tatsächlich besticht das Gebäude durch seine besondere Monumentalität. In den kompakten Baukörper erscheint der hohe wuchtige und den Bau beherrschende Turm in der Mittelachse eingeschoben. Das Schöneberger Rathaus stellten Jürgensen und Bachmann erneut und ausführlicher in einer Sonderschau auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1914 vor. Auch diverse Fotografien zeigten sie hier, beispielsweise von den Kirchen in Lübeck und Steglitz sowie dem Zoologischen Garten. Heute ist das Rathaus nicht mehr in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten. 1950 erhielt es beim Wiederaufbau seinen markanten Turm von Kurt Dübbers.

1917 wurde Peter Jürgensen nach eigenen Angaben in Würdigung seiner Arbeiten als freischaffender Architekt an die Preußische Akademie des Bauwesens berufen. Ein Jahr danach (offiziell am 1. Januar 1919) trennten sich Jürgensen und Bachmann und arbeiteten als selbständige Architekten in Berlin weiter. Wie es zu der Trennung kam, ist nicht bekannt. Sicher ist jedoch, dass Jürgen Bachmann 1918 als Soldat in den Krieg zog.
Im Laufe seiner Architektentätigkeit gehörte Jürgensen außerdem dem Bund deutscher Architekten (B.D.A.), dem Verein Berliner Künstler, der Deutschen Gesellschaft für das Bauwesen und dem Architekten- und Ingenieurverein Berlin an. Er starb 81jährig am 5. Februar 1954 in Feiburg im Breisgau. Jürgen Bachmann war Mitglied in der Akademie für Städtebau, dem Architekten- und Ingenieurverein Berlin, der Deutschen Gesellschaft für das Bauwesen und dem B.D.A. Mit 79 Jahren starb er am 28. Januar 1951 im schleswig-holsteinischen Glücksburg.

Das Architektenbüro Jürgensen & Bachmann hat sich Anfang des 20. Jahrhunderts sehr um den protestantischen Kirchenbau verdient gemacht und sich den Problemen des beginnenden Industriezeitalters gestellt. Die Lösung sahen sie einerseits im Rückgriff auf traditionelle Materialien und Bauformen sowie die Hinwendung zu Qualität und Kunsthandwerk. Andererseits setzten sie auch neue Gedanken um, etwa den des Gruppen- und kompakten Massenbaues, und zeigten sich damit zugleich als moderne Architekten.

Sabrina Kimmel M.A., Munsterdamm 47, 12169 Berlin, Tel. (030) 797 84 848