Adelbert von Chamisso  –  Gedenkfeier zum 175. Todestag

Von Karin Dittmar und Doris Tüsselmann

Der 21. August 2013 war der 175. Todestag des Dichters, Entdeckungsreisenden, Naturforschers und Botanikers Adelbert von Chamisso. Er wirkte auch auf anderen Gebieten der Naturwissenschaften. In seinen letzten Lebensjahren betrieb er umfangreiche Sprachstudien über die Sprachen der Südsee, erlernte die hawaiische Sprache und schrieb eine „Hawaiische Grammatik".

In Würdigung des 175. Todestages Chamissos fand am 21. August 2013 eine von der Chamisso-Initiative, Berlin, in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft historische Friedhöfe und Kirchhöfe von Berlin veranstaltete Gedenkfeier an der Grabstätte Chamisso auf dem „Begraebnißplatz der Jerusalems- und Neuen Kirche" am Halleschen Tor in Berlin-Kreuzberg statt.

Die Grabstätte Chamisso ist – wie von Adelbert von Chamisso einst gewünscht – durch eine schlichte, kleine steinerne Grabplatte bezeichnet, auf der ausschließlich die Namen, Geburts- und Sterbedaten der hier ruhenden Verstorbenen vermerkt sind.
Am 175. Todestag des Geehrten war diese Grabinschrift schon von weitem gut wahrnehmbar: Anlässlich der Gedenkfeier hatten die Chamisso-Initiative und die Arbeitsgemeinschaft die Grabplatte aufarbeiten und die Inschrift erneuern lassen.
Die schadhaften Stellen der die Grabstätte umsäumende schmiedeeisernen Begrenzung waren ausgebessert, und die Einfriedung mit einem neuen Farbanstrich versehen worden.
Anlässlich der Gedenkfeier war die Grabstätte mit weißen Begonien und Hortensien sowie mit Lilien, Iris und Sommerastern geschmückt.
Der Regierende Bürgermeister von Berlin würdigte Chamisso mit einem Blumen-gebinde aus Lilien und Rosen.

 

chamisso-grabAbb. links: Grabstätte des Ehepaares v. Chamisso. Foto: H. Kleemann

Zu Beginn der Gedenkfeier wurden von einer Mitarbeiterin der Chamisso-Initiative, Berlin die vielen Stationen der biographischen Spuren in Erinnerung gerufen.
Das außergewöhnlich facettenreiche Leben und Wirken des Dichters, Entdeckungs-und Forschungsreisenden, Wissenschaftlers und Sprachforschers wurde ehrend gewürdigt.

Nachfolgend ein Auszug aus der Gedenkrede:
Im Januar 1781 erblickte er auf Schloß Boncourt in der Champagne in Frankreich das Licht der Welt, das genaue Geburtsdatum ist in keinem Dokument verzeichnet.
Er war ein Grafensohn aus einem jahrhundertealten Adelsgeschlecht. Am 31. Januar 1781 wurde er auf den Namen Louis Charles Adélaïde getauft, trug den ihn in die Geschichte des alten Adelsgeschlechts einreihenden Namen Louis Charles Adélaïde de Chamissot de Boncourt.

Infolge der Französischen Revolution verließen die Eltern mit ihm und seinen Geschwistern im Mai 1792 Frankreich. 1796 kam er als Revolutionsflüchtling nach Berlin, wurde Page der Königin, besuchte das Französische Gymnasium in Berlin. 1798 trat er auf Wunsch der Eltern in den Militärdienst ein, diente in der preußischen Armee, zunächst als Fähnrich, dann als Seconde-Lieutenant.
Widerwillig den Militärdienst verrichtend, schrieb er sein Fühlen und Sehnen nach einem „Herz und Geist nährend Leben" in Gedichte ein, erarbeitete sein erstes Versdrama auf Deutsch. Der „dichtende Leutnant" gründete mit Freunden den Dichterkreis „Nordsternbund", gab mit K.A. Varnhagen drei „Musenalmanache" heraus und publizierte darin erstmals eigene Gedichte. Chamissos Muttersprache war französisch; im Kreise seiner Dichterfreunde fasste er den Entschluss, die deutsche Sprache solle nunmehr seine Dichtersprache sein .1804 deutschte er seinen Namen ein: nannte sich fortan Adelbert von Chamisso. Neben dem Militärdienst betrieb er intensive Griechischstudien, las philosophische Schriften und schrieb weiterhin Gedichte. Im Oktober 1805 verließ er mit seinem Regiment Berlin und wurde 1806 in Hameln stationiert. Er ersuchte um Entlassung aus dem Militärdienst, erst 1808 wurde seinem zweiten Abschiedsgesuch stattgegeben.

Nach Jahren problematischer Identitätssuche nahm er im Oktober 1812 das Studium der Naturwissenschaften auf. Er studierte mit der Zielsetzung, „Ich will alle Naturwissenschaften mehr oder weniger umfassen", um danach zu einer „gelehrten Reise" aufzubrechen. Während des Studiums unternahm er häufig botanische Exkursionen. 1813 schrieb er seine erste botanische Abhandlung und „Peter Schlemihls wundersame Geschichte", die Geschichte vom „Mann ohne Schatten".

Von 1815-1818 nahm Chamisso als Naturforscher an einer russischen Pazifik- und Arktisexpedition teil. Als Naturforscher der „Romanzoffischen Entdeckungs-Expedition" sammelte er vielerorts in der Welt Pflanzen und vielzählige andere Forschungsobjekte. Im Oktober 1818 kehrte mit seinen Forschungssammlungen nach Berlin zurück und fasste den Entschluss, hier „Wurzeln zu schlagen".
Er widmete sich fortan der wissenschaftlichen Auswertung des von ihm gesammelten botanischen, zoologischen, geologischen und ethnographischen Materials. 1819 wurde ihm für seine Forschungen über die Salpen (im Meer lebende Manteltiere) die Ehrendoktorwürde der Berliner Universität verliehen, im Sommer 1819 erlangte ein „Brodamt" als Adjunkt am Botanischen Garten, wurde alsbald Zweiter Kustos am Königlichen Herbarium.
Im Herbst 1819 heiratete er die 18-jährige Antonie Piaste, das Ehepaar hatte sieben Kinder.
1833 wurde er Erster Kustos am Königlichen Herbarium und übernahm die Leitung des Herbariums.
Als Botaniker schrieb er zahlreiche Fachaufsätze und wissenschaftliche Abhandlungen auf anderen Gebieten der Naturwissenschaften.

Als Dichter errang er Weltruhm, schrieb einige der schönsten Dichtungen der deutschen Literaturgeschichte: Das Schloß Boncourt, Frauen-Liebe und -Leben, Das Riesen-Spielzeug, Die alte Waschfrau, Der alte Sänger sowie zahlreiche andere viel gerühmte Dichtungen.
Der „junge dichtende Leutnant" hatte „Sehnsuchtsdichtungen" im Stile der Frühromantiker geschrieben, der ältere Dichter bezog Stellung zu den politischen und sozialen Fragen seiner Zeit. Er brachte neue Themen und neue Formen in die deutsche Literaturgeschichte ein, thematisierte die Armut der unteren
Volksschichten, schrieb die erste sozialkritische Ballade der Vormärz-Dichtung. Als Herausgeber des „Deutschen Musenalmanach" förderte er engagiert die jungen Dichter des 'neuen Deutschland'. Heinrich Heine zollte Chamisso Anerkennung als Wegbereiter des 'jungen Deutschland'.

1835 wurde Adelbert von Chamisso auf Vorschlag von Alexander von Humboldt zum Ordentlichen Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin erwählt. In den letzten Jahren seines Lebens war er von Krankheit gezeichnet,
hatte Todesahnungen. Der zunehmenden körperlichen Entkräftung setzte er die unermüdlich „angestrengte Geistes=Wirksamkeit" entgegen. Während der letzten Jahre seines Lebens lernte er die hawaiische Sprache, schrieb eine "Hawaiische Grammatik". Im Frühjahr 1838 erarbeitete er weitere Nachdichtungen Bérangers. – Gegen Ende seines Lebens konnte er von sich sagen: „Ich finde am Ende meiner Laufbahn als Dichter, Botaniker und Gelehrter volle Anerkennung." – „Mir vielfältig erwiesenes Wohlwollen erfreuet meinen [Lebens-]Abend."

Adelbert von Chamisso starb in der sechsten Morgenstunde des 21. August 1838.
Zwei Tage später, am 23. August 1838, wurde er frühmorgens auf dem Kirchhof vor dem „Halleschen Thore" zu Grabe getragen.

Adelbert von Chamisso hat Zeit seines Lebens daran gearbeitet, sich als Mensch, Dichter und Denker in die Welt einzuschreiben. Ihm war daran gelegen, sich auf diese Weise für immer "einen Namen zu machen". Am Ende seines Lebens war er gewiss, er werde seinen Kindern und in der Welt „einen Namen guten Klanges hinterlassen." Er war sich dessen bewusst, der Name CHAMISSO werde auf immer mit seinem Werk verbunden sein – auch wenn keines seiner Werke auf dem Grabstein genannt werde. Es war sein ausdrücklicher Wunsch, „ohne Prunk und in der Stille" von den ihm nahestehenden Menschen zu Grabe getragen und zur letzten Ruhe gebettet zu werden. Er hatte testamentarisch bekundet:

„Ich will ganz ohne Prunk und in der Stille in die Erde versenket werden. Es mögen nur ein paar Freunde sehen, wo meine Asche bleibet, und sich niemand sonst bemühen. Soll die Stelle bezeichnet werden, mag ein Baum es thun, höchstens eine kleine Steinplatte. Ich verbiete auf jeden Fall jegliche andere Grabinschrift als meinen Namen, nebst Datum der Geburt und des Hinscheidens."

Diesem letzten Wunsch Chamissos wurde entsprochen. Julius Eduard Hitzig, der Freund, mit dem Chamisso seit der Zeit gemeinsamen Wirkens im Dichterkreis "Nordsternbund" eine unverbrüchliche Freundschaft verband, erwies dem verstorbenen „Nordsternbund-Bruder" den letzten Freundesdienst. Er sorgte für eine Bestattung im Kreise der Hitzig-Piasteschen Familie und naher Freunde. J.E. Hitzig veranlasste, dass eine steinerne Grabplatte die Grabstätte Chamisso bezeichnet, ein Stein, auf dem ausschließlich die Namen der hier Ruhenden sowie das Datum ihrer Geburt und ihres Todes zu lesen sind.

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Korrespondierend zu der Gedenkrede anlässlich des 175. Todestages des Dichters wurden von einer Mitarbeiterin der Arbeitsgemeinschaft Dichtungen aus verschiedenen Schaffensperioden Chamissos gelesen, unter anderem das im Oktober 1818 entstandene Gedicht „Bei der Rückkehr". In dieser Dichtung äußerte er erstmals den Wunsch, man möge ihn dereinst, „Wann müd am [Lebens-]Abend seine Augen sinken", auf dem Grunde seiner „deutschen Heimath" unter einem Stein zur letzten Ruhe betten. Die Verse dieses Gedichtes, in dem der von der Weltreise zurückkehrende Chamisso seine „deutsche Heimath" begrüßte, zählen „zu den schönsten und ergriffensten und ergreifendsten, die er überhaupt geschrieben", befand Thomas Mann in seinem Essay "Adelbert von Chamisso".

Im weiteren Verlauf der Gedenkfeier wurde das Gedicht „Das Schloß Boncourt" gelesen, in dem der Dichter seine biographischen Spuren poetisch thematisiert, sich an den Ort seiner Kindheit zurückträumt, Abschied von dem vom Erdboden verschwundenen Stammschloß seiner Vorväter nimmt. Später folgten weitere Passagen aus der Dichtung „Berlin. Im Jahr 1831" und dem ebenfalls zu den schönsten poetischen Zeugnissen Chamissos zählenden Gedicht „Die alte Waschfrau" (1833).

Im Anschluss an die Gedenkrede und die Lesung standen die an der Gedenkfeier teilnehmenden Menschen noch lange an der Grabstätte Chamisso beieinander, erzählten einander von ihrer ‚ersten Begegnung' mit einem der Gedichte Chamissos oder einem anderen Zeugnis seiner Werke.

 

Weiterführende Links:
Adelbert von Chamisso, vor 175 Jahren starb der Dichter und Naturforscher.
Deutschlandradio Kultur - "Ich bin nirgends am Platze, ich bin überall fremd"
Projekt Gutenberg: Adelbert von Chamisso
Adelbert von Chamisso auf Wikipedia