Julius Carl Raschdorff

02.07.1823 Pleß/Schlesien - 13.08.1914 Waldsieversdorf, Kreis Straussberg
Grabstätte: Dorotheenstädtischer Friedhof

Tätigkeit: Architekt
Lebens- und Wirkungsorte: Schlesien, Berlin, Köln, Potsdam

Gedenkorte in Berlin: Dom
Gedenkorte außerhalb Berlins: Potsdam

Lebenslauf:
Studium an der Bauakademie Berlin
Tätigkeit für die Westfälische Eisenbahngesellschaft
1854-1872 Stadtbaumeister in Köln
1868 Mitglied der Akademie der Künste Wien
1878 Mitglied der Akademie der Künste Berlin
1878-1884 Professur an der TH Charlottenburg
1879 Mitbegründer der Vereinigung Berliner Architekten
1882 Mitglied der Akademie der Künste Brüssel
1891 Mitglied der Akademie der Künste Stockholm
1886 Mitglied des Royal Institute of British Architects London, Ehrenmitglied des Polytechnischen Institutes Rio de Janeiro
1892 Dombaumeister in Berlin
1910 Mitglied des Architektenvereins St. Petersburg
Die Söhne Raschdorffs, Otto (1854-1915) und Franz (1858-1888), beide Architekten, arbeiteten gemeinsam mit dem Vater.

Werke:
1857-61 Wallraf-Richartz-Museum, Köln, mit J. Felten (im Zweiten Weltkrieg zerstört)
1878-84 mit Friedrich Hitzig und Richard Lucae Technische Hochschule Charlottenburg (TU Berlin, teilzerstört)
1884-85 Englische Kirche St. George, ehem. Schloßgarten Monbijou (zerstört)
1889 Mausoleum für Kaiser Friedrich III., Potsdam-Sanssouci
1892-1905 Dom Berlin

Literatur:
Uwe Kieling: Berlin. Bauten und Baumeister. Von der Gotik bis 1945, Berlin 2003.
Klaus Peters: Leben und Werk des Architekten Julius Carl Raschdorff (1823-1914). Hannover, 2004

Glück und Tragik eines Dombaumeisters
Orte der Erinnerung: Vor 100 Jahren vollendete Carl Julius Raschdorff den neuen Berliner Dom

In Berlin kann man heute noch zwei wichtige Bauten des architektonischen Wilhelminismus besichtigen: Wallots Reichstagsgebäude und Raschdorffs Berliner Dom. Das Gotteshaus am Lustgarten sollte nach dem Willen Wilhelms II. den ungeliebten Reichstag architektonisch in den Schatten stellen. Nachdem der Hohenzoller 1898 das Heilige Land bereist hatte und zum selbst ernannten "Schutzherrn der Christenheit" avancierte, sollte der Dom einen "katholischen Glanzprotestantismus" zelebrieren. Trotz Unterstützung von höchster Seite wurde aber der beauftragte Baumeister Raschdorff mit seinem Werk nicht glücklich. Er vereinsamte mit dieser Aufgabe und hatte den Spott der Um- und Nachwelt zu ertragen. Dabei hatte alles so gut angefangen. Carl Julius Raschdorff, am 2. Juni 1823 in Pleß/Schlesien geboren, absolvierte nach dem Abitur eine Feldmesserlehre und begann 1844 das Studium an der Berliner Bauakademie - ganz im spätklassizistischen Geist Schinkels. Nach bestandener Bauführer- und Baumeisterprüfung (1848 und 1853) begann seine Karriere als Baubeamter in der preußischen Provinz. Aber bereits 1854 wurde Raschdorff zweiter und 1864 erster Stadtbaumeister in Köln. Er heiratete in der Domstadt und gründete eine Familie. In Köln befasste er sich mit der Rekonstruktion mittelalterlicher Kirchen wie St. Gereon oder St. Martin, baute aber auch öffentliche Gebäude wie das Wallraff-Richartz-Museum.

Seit den 1860er-Jahren neigte der Zeitgeist zum architektonischen Historismus. Raschdorff wurde Experte für die Neorenaissance, ein Meisterarchitekt, seine Zukunft lag nun in der deutschen Metropole. Das architektonische Berlin benötigte 1878 einen Renaissance-Experten für den Lehrstuhl an der neu entstehenden Technischen Hochschule und einen Architekten als Nachfolger für Richard Lucae (1829-1877), der zusammen mit Friedrich Hitzig (1811-1881) das neue Hauptgebäude der TH projektiert hatte. Um die Aufgaben zu lösen, siedelte er in die Hauptstadt über und hatte dort seinen TH-Lehrstuhl bis 1911 inne. Raschdorff war in Berlin eine Überraschung, weil er - unterstützt von dem rheinischen Abgeordneten Reichensperger - den kapitalistischen Unternehmergeist gegen die preußische Baubürokratie bringen wollte. Ein Entrüstungssturm des Berliner Baubeamtentums brach los. Zuspruch erhielt er allerdings durch die privaten Architektengemeinschaften Berlins, obwohl sich der Architektenverein wegen Raschdorffs Intentionen spaltete.

1881 traf Carl Julius Raschdorff das Kronprinzenpaar. Victoria, die Princess Royal, fand Interesse an seinen architektonischen Arbeiten. Großes wurde erörtert, es ging um den Neubau des Berliner Doms. Als 1888 der alte Kaiser starb, beschleunigte sein Nachfolger Friedrich III. die Planung, doch auch dieser starb früh. Nun übernahm Wilhelm II. das Projekt, stoppte den Architektenwettbewerb und übertrug Raschdorff die Aufgabe. Dieser unterwarf sich zwar den Wünschen des jungen Potentaten, doch das Ansehen des Dombaumeisters sank in demselben Maße, wie der Dom Gestalt annahm.

Raschdorff starb hochbetagt am 13. 8. 1914 bei Buckow. Seine letzte Ruhe fand er in einem Ehrengrab auf dem Dorotheenstädtischen Kirchhof II in Berlin Mitte. Der Grabstein ist heute zerstört.

von Hans Christian Förster
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