Sophie Charlotte Herzogin von Braunschweig-Lüneburg, Kurfürstin von Brandenburg, Königin in Preußen
30. Oktober 1668 Iburg (heute Bad Iburg) - 1. Februar 1705 Hannover
Grabstätte: Berliner Dom
Tätigkeit: Landesherrin, Komponistin, Musikerin
Lebens- und Wirkungsorte: Iburg, Osnabrück, Hannover, Paris, Brüssel, Berlin, Potsdam
Gedenkorte in Berlin: Schloss Charlottenburg, Berliner Dom, Charlottenburger Tor
Literatur: Sophie Charlotte und ihr Schloss. Ein Musenhof des Barock in Brandenburg-Preußen, hg. von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, München 1999
Sophie Charlotte - Porträt einer preußischen Königin*
Von Gerhild H. M. Komander
Der Tod sitzt tief gebeugt, die Knochenhand entreißt Sophie Charlotte mit dem Griffel der Vergänglichkeit. Die Pracht der Krone Preußens rahmt den Sarkophag, bedeckt ihn mehrfach, gereicht dem Antlitz der Verstorbenen zur letzten Zierde. Das Erinnerungsmal der ersten Königin in Preußen im Berliner Dom ist, was blieb von ihr, von ihrem Tod, der Trauer und dem Zeremoniell, das sie und die Königskrone ehrte.
Nachdem Sophie Charlotte nach kurzer Krankheit am 1. Februar 1705 in Hannover verstorben war, wurde ihr Leichnam seziert und einbalsamiert und auf einem Paradebett öffentlich ausgestellt. Dies entsprach der europäischen höfischen Konvention. Am 9. März des Jahres führte Oberhofmarschall Graf von Wittgenstein auf Befehl Friedrichs I. die Leiche heim. Der große zeitliche Abstand zwischen Tod und Heimführung erklärt sich aus den aufwendigen Vorbereitungen, die der König traf, vor allem der Errichtung der ephemeren Funeralarchitekturen, die an den Stationen des Leichenzuges zu erbauen waren.
Unter stetem Glockengeläut aller Kirchen der Stadt bewegte sich der Trauerkondukt in fest geschriebener Ordnung durch Hannover. "1/2 Stunde von der Stadt" blieb der größte Teil der hannoverschen Begleitung zurück. Oberhofmarschall, Schlosshauptmann und einige Kavalliere übergaben den Leichnam an der braunschweigischen Grenze an Graf von Wittgenstein und sein Gefolge.
Der Weg führte über Gardelegen, Wolmirstedt, Magdeburg, Loburg, Ziesar, Brandenburg, Nauen und Spandau nach Cölln. Für die Ordnung dieses Zuges bestand ein vom König erlassenes Protokoll. In allen Dörfern und Städten, durch die sich der Trauerkondukt bewegte, und in den umliegenden Orten sollten die Glocken geläutet werden, sobald man nur des Zuges gewahr wurde. Garnisonen schossen dreimal Salut aus allen Kanonen.
Gleiches geschah beim Auszug. Schulen, Geistlichkeit und Magistrat hatten sich barhäuptig, in Gewehr "mit allerhand Trauerzeichen" zu präsentieren. Die hier Versammelten trugen lange schwarze Mäntel und Kleider, die Hüte mit Trauerflören besteckt.
Verblieb die Leiche über Nacht im Orte musste sie zu ihrem Ruheort, in der Regel die Hauptkirche, begleitet werden, andernfalls durch die Stadt geführt werden. Den nächtlichen Ruheort, vom Gefolge barhäuptig zu betreten, mit schwarzem Tuch ausgekleidet, erleuchteten zahlreiche Wachslichter.
Eine Totenwache war angeordnet. Für die Totenwache in der Domkirche St. Peter und Paul in Brandenburg überließ der dort wartende Obrist-Leutnant von Tresckow sechzig Soldaten des kronprinzlichen Regiments der Totenwache. Der Domprobst Graf von Schwerin und die Domherren übernahmen zusätzlich in zweistündigem Wechsel diese Ehre.
Ein Castrum Doloris erwartete die königliche Leiche in Magdeburg und in Brandenburg, während für die Domkirche St. Mauritius und St. Katharina zu Magdeburg außerdem eine festliche Illumination belegt ist. Nach Abschluss aller abzuhaltenden Ehrenbezeugungen gegen die Verstorbene wurden der "königliche Geleits-Commissarius" und das Comitat von der Ritterschaft glanzvoll verköstigt. Am 22. März erreichte der Trauerzug Cölln, wo die königliche Leiche in der alten Kapelle des Domes in das vorbereitete Castrum Doloris gesetzt wurde.
Für die Residenzen Cölln und Berlin ordnete Friedrich I. Hoftrauer an. Die königlichen Minister und die Hofleute trugen schwarz, selbst die Degen wurden schwarzbezogen.
Spiegelungen jeder Art standen in dem Ruf, das Antlitz der Seele des Verstorbenen zu verletzen. Die Gemächer mit schwarzem Tuch zu verhängen und eine schwarz bezogene Trauerkutsche zu führen, blieb den königlichen Ministern und den ranghöchsten Angehörigen des Hofes vorbehalten. Besucher bei Hofe hatten sich je nach Rang diesen Vorschriften zu unterwerfen und gleichfalls die Kleidung des Gefolges in schwarz zu halten, voneinander zu unterscheiden durch aufgestickte Wappen.
Vierzehn Tage vor dem Leichenbegängnis der Königin läuteten in Berlin, Cölln und allen Provinzen die Glocken von zwölf bis ein Uhr mittags. Am 28. Juni 1705 fand die Beisetzung des Leichnams in der Domgruft zu Cölln statt. In einem feierlichen Zug wurde der Sarg um das Schloss herum durch die Breite Straße und durch die Brüderstraße hinauf bis an die Tür des Domes geführt. Der Sarg der Königin, gezogen von acht Pferden, begleitet von adligen Vasallen, bildete den Mittelpunkt des Leichenzuges, auf den hin von Anfang und Ende her alle Suiten komponiert worden waren.
Der beeindruckende Aufwand anlässlich des Todes Sophie Charlottes wirft die Frage nach seiner Verhältnismäßigkeit auf. Beim Tode der Königin besaß der Kurfürst von Brandenburg die Würde eines Königs in Preußen, der er nicht nur eine hohe Bedeutung in Hinblick auf die Rangfolge der Fürsten des Deutschen Reiches zumaß, sondern auch in bezug auf das Verhältnis zur Stellung des Reichsoberhauptes.
Entgegen der Meinung, das französische Zeremoniell sei unter Friedrich I. das vorherrschende geworden, zeigt das Staatszeremoniell seiner Regierungszeit Anleihen aus dem kaiserlich-habsburgischen. Das Zeremoniell, das mit dem Wachstum der Höfe insbesondere seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges immer größere Bedeutung gewann, war die für die Festigung und Tradierung des Herrschaftssystems maßgebliche Einrichtung.
Friedrich I. konnte zwar auf drei Jahrhunderte Kurfürstenwürde seiner Dynastie zurückblicken, musste aber als erster König seines Hauses die Königswürde verbindlich darstellen, suchte Anschluss an das Gebahren Frankreichs und der Habsburger, die ihrerseits das spanisch-burgundische Zeremoniell adaptiert und nach eigenen Bedürfnissen modifiziert hatten.
Die absolutistischen Fürstenhöfe stellten den regierenden Fürsten in das Zentrum des Zeremoniells, strukturierten durch das Zeremoniell die Hofgesellschaft und distanzierten sich mit seiner Hilfe von den Untertanen. Stilisierung und Harmonisierung des höfischen Lebens wiesen jedem einzelnen Mitglied einen festen Platz in der Hierarchie zu, der dessen Rang und die damit verbundene Ehrerweisung veranschaulichte.
Das Trauerzeremoniell des Barock war "auch ein Weg zu seiner Bewältigung", mit seiner Hilfe sollte die Angst vor dem Tod vergeistigt werden, der Kult um den fürstlichen Leichnam galt als ein "Stück Staatsverkörperung". Die reiche Kultur visueller Artefakte, als eine Form der Repräsentationen des Todes, sollte die Lebenden lehren, wie man zu sterben habe. Die mit der Reformation einhergehende Universalisierung des Todes wurde in den protestantischen Fürstentümern auf diesem Wege negiert, die soziale Differenzierung - im Leichenbegängnis - aufrechterhalten, die Verstorbenen dem Vergessen entrissen, indem man ihnen ein unvergängliches Grabmonument setzte wie den Prunksarkophag für Sophie Charlotte im Berliner Dom.
Der zeremonielle Aufwand anlässlich des Todes Sophie Charlottes entsprach dem einer Königin in Europa. Die Trauerfeierlichkeiten für die Gemahlin widerspiegeln die Prätention Friedrichs I., als Gleicher unter Gleichen zu gelten. Unter seiner Regierung befand sich der Absolutismus in Brandenburg-Preußen auf dem Höhepunkt, wie in der Folge der Königskrönung der Schlossbau in Berlin und die Erweiterung des Hofstaates zeigen.
Und Sophie Charlotte: Entsprach sie dem idealen Bild der Königin und Frau?
Das Bild der Fürstin
Das Bild der Fürstin wurde von alters her geprägt durch ideale persönliche und charakterliche Voraussetzungen, durch die Aufgaben der Landesherrin und bestimmten Verboten.
Zu den persönlichen und charakterlichen Voraussetzungen gehörten Gehorsam, Keuschheit, Höflichkeit, Demut, Gattenliebe, Ausdauer und Leidensfähigkeit, Schönheit und Anmut, eine gute Erziehung und Bildung. Letztere war in der Regel beschränkt auf Tanz, Musik, Gesang, Sprachen und gewiss n i c h t zuletzt auf Religion.
Diese Voraussetzungen galten - und das ist das besonders Interessante - ohne Standesunterschied für alle Frauen. Die Jungfrau Maria als u n e r r e i c h b a r e s Leitbild prägte das Bild der Frau und damit das Leben der Frauen. Da halfen weder Humanismus noch Reformation und Aufklärung.
An der Spitze der Aufgaben einer Fürstin stand das Gebären der Nachkommen, insbesondere, aber nicht nur, des Thronerben. Wohltätigkeit, als Landesmutter für das Wohlergehen des Volkes zu sorgen, gute Haushaltung, das war die zweite wichtige Aufgabe. Sie stand in engem Zusammenhang mit den direkten Herrschaftsbefugnissen der Fürstin, die ihrer sozialen Stellung entsprachen.
Hier konnte die Fürstin politische Wirksamkeit entfalten: im Sinne der Sorge für das Gemeinwohl, durch Vertiefung der fürstlichen Klientelbeziehungen und Förderung der Wirtschaft. Die gute Landesmutter hatte zu Verwaltung und Vermehrung des Besitzes im Lande beizutragen.
Darüberhinaus war sie der Repräsentation des Landes verpflichtet und der Kirche. Die kirchlichen Aufgaben überschnitten sich vielfach mit dem Bereich der allgemeinen Wohltätigkeit. Während die Königin in der Regel von der Erziehung ihrer Söhne ausgeschlossen war - sie galten als Besitz des Vaters -, konnte ihr die Erziehung der Töchter überlassen werden.
Unerwünscht oder verboten waren Einmischung in die Politik, zu der die eben genannten Aufgabenbereiche nicht gerechnet wurden. Einflussnahme auf Entscheidungsträger, eigene diplomatische Kontakte - wozu der Loyalität halber auch familiäre Korrespondenzen gehören konnten - waren untersagt. Das betraf ebenso die Zuwiderhandlungen gegen die Gebote des Familienoberhauptes und Landesherrn, denn die Fürstin war - ob Markgräfin oder Königin - Untertanin des Gatten.
Ein Eigenleben der Frau am Hofe konnte im privaten Rahmen gewährt werden, das heißt unter Ausschluss der Öffentlichkeit waren Tätigkeiten in Dichtung, Malerei, Musik und Theater erlaubt.
Welche Frau auf dem brandenburgisch-preußischen Thron entsprach diesem Ideal, ohne Gebote und Verbote zu übertreten? Von Louise Henriette, Gemahlin des Großen Kurfürsten, möchte ich es behaupten. In späterer Zeit wäre Auguste Viktoria, die letzte Kaiserin zu nennen. Sophie Charlotte entsprach d i e s e m Ideal nicht.
Warum?
Sophie Charlotte - ein Lebenslauf
Sophie Charlotte wurde am 30. Oktober 1668 als einzige Tochter des Herzogs und späteren Kurfürsten Ernst August von Hannover und der Sophie von der Pfalz in Iburg geboren.
Der Vater war Fürstbischof von Osnabrück. Sein älterer Bruder regierte das Land.
Ernst August wurde als "der erste Gentleman Deutschlands gefeiert. Seine weltmännischen Manieren und die leichte Art, mit der er sein Geld vertat, machten ihn auf den beiden Hauptjahrmärkten des damaligen Lebens, in Paris und in Venedig, zu einem hochwillkommenen Gaste. Aber sein Kavaliertum hatte nichts von der wahren französischen Ritterlichkeit. So verschwenderisch er auch gelegentlich auftrat, in seinem Innern war er habsüchtig und berechnend; sein Herz war hart, sein Geist ohne jeden Schwung des Gedankens; er wandte jedes Mittel skrupellos an, wenn es galt, seine Leidenschaften zu befriedigen oder zu vermehren." (Otto Krauske). Er starb 1698.
Eine Schlüsselfigur innerhalb des Welfenhauses wurde ihre Mutter, Sophie von der Pfalz, am 14. Oktober 1630 in Den Haag geboren. Sie starb am 8. Juni 1714 in Herrenhausen. Sophie war das zwölfte Kind Friedrichs V. von der Pfalz und der Elisabeth Stuart und nach dem Schiffbruch des böhmischen Winterkönigtums ihrer Eltern im niederländischen Exil zur Welt gekommen.
In Leiden - wo sich auch der Große Kurfürst als Kurprinz aufgehalten hatte - erhielt Sophie auf Kosten der Generalstaaten eine außergewöhnlich gute Ausbildung. 1650 kehrte sie in die Heimat zurück, da ihr Bruder Karl Ludwig nach dem Westfälischem Frieden die Kurpfalz als Kurfürst zurückerhalten hatte. Seine Tochter Elisabeth Charlotte, die berühmte "Liselotte von der Pfalz," heiratete 1671 Herzog Philipp I. von Orléans, den Bruder Ludwigs XIV. Mit ihr stand Sophie zeitlebens in regem Briefwechsel.
1658 heiratete Sophie den Herzog zu Braunschweig-Lüneburg. Sie betrieb eine "intrigenreiche und zielstrebige Familienpolitik, darunter die Verbannung ihrer Schwiegertochter Sophie Dorothea," der Mutter von Sophie Dorothea, der Frau Friedrich Wilhelms I. Der Grund lag darin, dass der ältere Bruder Ernst Augusts, der regierende Herzog Georg Wilhelm, sein Versprechen, nicht zu heiraten, brach. Hier begegnen wir indirekt der Kurfürstin Dorothea. Nach dem Tod ihres Mannes Christian Ludwig kam Georg Wilhelm auf den Thron.
1679 gelangte Sophie an der Seite Ernst Augusts auf den hannoverschen Thron. 1680 erfolgte der Umzug in das Leineschloss in Hannover. Der Hofhalt in Hannover war prachtvoll und der calvinistischen Konfession zum Trotz luxuriös und durch üppige Feste, glanzvolle Opern- und Theateraufführungen geprägt. Der Garten von Herrenhausen, den Sophie Charlottes Eltern anlegen ließen, war die früheste barocke Gartenanlage nach französischem Muster im Deutschen Reich.
1701 erklärte das englische Parlament Sophie von Hannover als Enkelin Jakobs I. zur Thronerbin, wodurch die Anwartschaft des Hauses Hannover auf den englischen Thron begründet wurde, den ihr einziger überlebender Sohn Georg Ludwig, Bruder Sophie Charlottes und Vater von Sophie Dorothea, 1714 bestieg. Sophie erhielt die Thronfolge-Urkunde, die "Act of settlement," 1701 aus der Hand von Lord Macclesfield im Leineschloss zu Hannover. 1712 stellte ihr das englische Parlament den "Act of Precedence" zu, der ihr Vorrang in der Thronfolge vor dem Erzbischof von Canterbury zusicherte.
Sophie war eine zärtliche Mutter, die einzige Tochter, Sophie Charlotte, der Schatz, den sie sorgsam hütete. Sie erkannte die Begabungen ihrer Tochter frühzeitig und förderte sie nach Kräften.
Sophie Charlotte wurde seit 1678 durch Frau von Harling erzogen, die auch Liselotte von der Pfalz erzogen hatte. Eine ausgezeichnete Ausbildung ließ man ihr angedeihen. Sie erhielt Unterricht in der französischen, englischen, italienischen und ein wenig in der lateinischen Sprache. Reisen nach Frankreich, in die Niederlande und nach Brüssel dienten der Bildung ebenso wie der Präsentation der Tochter als mögliche Ehefrau an den europäischen Fürstenhöfen. Sophie Charlotte erregte Aufsehen mit ihren gegen die Mode ungepuderten schwarzen Locken und ihren tiefblauen Augen. Die enge Beziehung zwischen Mutter und Tochter blieb ein Leben lang bestehen und gewann großen Einfluss auf das Verhalten der späteren Königin.
Die Bemühungen der Welfen um einen Kurhut ließen die Annäherung an das benachbarte Brandenburg wünschenswert erscheinen.
Kurprinz Friedrich (Friedrich I.) war nach dem Tod seiner ersten Frau, Elisabeth Henriette von Hessen-Kassel, einer Verbindung mit der Hannoverschen Prinzessin, die er Jahre zuvor bereits kennengelernt hatte, nicht abgeneigt und wählte sie aus eigenem Antrieb zur zweiten Frau.
Als die schöne, knapp sechzehnjährige Sophie Charlotte den späteren ersten preußischen König heiratete, standen also politische Absichten im Vordergrund. Das war nichts besonderes, sondern die Regel.
Am 28. September 1684 fand die Hochzeit in Herrenhausen mit dem brandenburgischen Kurprinzen statt, am 14. November 1684 der feierliche Einzug in Berlin. Wie brüchig die Beziehungen der konkurrierenden Fürstenhäuser war, belegt die Abwesenheit des Großen Kurfürsten bei den Festlichkeiten in Hannover und umgekehrt die Ernst Augusts in Berlin.
Große Schwierigkeiten bereitete Sophie Charlotte der eigene Sohn.
Am 6. Oktober 1685 hatte sie ihren ersten Sohn geboren, der auf den Namen Friedrich August getauft wurde, jedoch wenige Monate später starb.
Nach einer Fehlgeburt 1687 kam am 15. August 1688 - kurz nach dem Tod des Kurfürsten Friedrich Wilhelm - der Kurprinz Friedrich Wilhelm, der spätere König Friedrich Wilhelm I. zur Welt. Der Kurprinz erwies sich als ein überaus eigensinniges Kind. Früh schon lehnte er die feine Lebensart der Mutter und das höfische Protokoll des Vaters ab.
Sophie Charlotte gewann nur wenig Einfluss auf die Entwicklung seines Charakters und seine Erziehung überhaupt. Friedrich Wilhelm lehnte Kunst, Musik und Wissenschaften ab und zeichnete sich charakterlich durch Jähzorn und Starrsinn aus. Allein dem Militär, dem Waffenhandwerk und der Jagd galt sein Interesse. Persönlich führte er ein fast asketisches Leben.
Allzusehr muss diese Entwicklung nicht verwundern. Denn die Jugend Friedrich Wilhelms war noch ganz von Staatsmännern geprägt, die sich der "niederländischen Bewegung" verschrieben hatten, einer geistigen und politischen Haltung, die mitverantwortlich war für den Neubeginn in Brandenburg-Preußen nach dem Dreißigjährigen Krieg. Sie hatten an der Universität zu Leiden studiert oder waren von Männern unterrichtet worden, die dort ihre Studienjahre verbracht hatten.
Hier lehrte man die Schriften von Justus Lipsius und verbreitete die calvinistisch geprägte Aufklärung, die von Disziplin und Pragmatismus sowie einer gewissen Schlichtheit geprägt war.
Aus dieser Schule stammte der Hofhistoriograph Samuel von Pufendorf, der seine Geschichte des Großen Kurfürsten erst unter der Regierung des Kurfürsten Friedrich III. (Friedrich I.) beendete.
Aus dieser Schule stammten auch der Erzieher des Kurfürsten, der Staatsminister Eberhard von Danckelmann, der Sophie Charlottes ärgster Feind wurde, und der Erzieher des Prinzen Friedrich Wilhelm, Alexander von Dohna.
Alexander von Dohna war in vielerlei Hinsicht einer der wichtigsten Vermittler zwischen den Niederlanden und Brandenburg. Er prägte die Haltung seines Schützlings auf Lebenszeit. Dohna war das Vorbild des künftigen preußischen Offiziers: Seine Strenge und Selbstzucht, Pflichterfüllung und Askese und seine tiefe Gottesfurcht (alles Grundtugenden der römischen Stoa, die in Leiden von Lipsius und anderen aufgegriffen worden waren) machten ihn zum Idealtyp des Preußentums.
Der Sohn behauptete später, er sei von seiner Mutter verzogen worden.
Schloss Charlottenburg
Nachdem Sophie Charlotte ihrem Gemahl den Wunsch vorgetragen hatte, ein eigenes Schloss als Sommerhaus zu besitzen, schenkte er ihr 1690 das Schloss Caputh bei Potsdam, das bis 1689 Sommersitz der Kurfürstin Dorothea gewesen war.
1695 tauschte die Kurfürstin Caputh gegen das näher an Berlin gelegene Lützow ein und ließ dort durch den Architekten Johann Arnold Nering den ersten kleinen Bau errichten, dem sie den Namen "Lietzenburg" gab.
Von Anfang März bis Mitte November lebte Sophie Charlotte hier, allerdings meist auf einer Baustelle, denn der erste Bau wurde 1699 fertig und 1702 begannen die Erweiterungen des Schlosses. Dennoch führte sie hier wenige Jahre bis zu ihrem frühen Tod 1705 das Leben, das ihrem Hof den Beinamen "Musenhof" einbrachte. Ihre Wohnräume richtete Sophie Charlotte im Erdgeschoss an der Gartenseite ein. Die Originalausstattung ist nach den Kriegszerstörungen in Teilen rekonstruiert worden.
Im Sommer 1697 wurde mit der Anlage des Gartens in Lietzenburg begonnen.
Dazu hatte sich Sophie Charlotte 1695 an ihre Cousine Elisabeth Charlotte in Paris gewandt. Sie empfahl einen Schüler des berühmten André Le Nôtre, den erfahrenen Gärtner Simon Godeau und schickte ihn nach Berlin.
Es entstand in Lietzenburg ein französischer Garten in der Manier Le Nôtres. Godeau arbeitete Terrassen in den ebenen Grund ein, legte ein Achsenkreuz aus Rasenstücken an und ein großes Wasserbecken, das als Hafen für die Boote diente, mit denen man auf die Spree fahren konnte.
Die Rekonstruktion des Zustandes von 1699 zeigt, dass das Schlösschen im Garten verschwand. Das hat schon der Architekt Nering bemängelt. So lag es nahe, das Schloss zu vergrößern. Nach der Krönung 1701 in Königsberg wurde das Lustschloss Lietzenburg ab 1702 zu einem repräsenativen Barockschloss ausgebaut. Sophie Charlotte wählte für ihre zweite Wohnung jetzt kleinere, intimere Räume, die zum Hof hin in der Ecke des Schlosses lagen.
Musik in Lietzenburg
"Kein Mensch hat jemals besser die Kunst gelernt, wie man sich bei allem seinem Tun und Lassen mit Nutzen eine zuläßliche Ergötzlichkeit machen könne als Sie. Allein ihr angenehmster Zeitvertreib ist die Musik, und wer Sie in eben so hohem Grade lieben will, muß sie auch so wohl verstehen als Ihre Majestät, welches nichts Leichtes ist. Sie spielet vollkommen auf dem Cembalo, welches sie alle Tage tut. Sie singet auch wohl und der berühmte Bononcini, einer der Grössesten heutigen Meistern sagte mir einst, daß Ihre Compositionen und verfertigten musikalischen Stücke überaus akkurat gesetzt wären."
So schrieb der Philosoph John Toland über die musikalischen Talente Sophie Charlottes. Sie hatte diese durch kontinuierliches Studium erworben. Sie ließ sich im Tonsatz und speziellen musikalischen Fragen unterrichten, dirigierte Kammerkonzerte und begleitete Sänger und Sängerinnen auf ihrem Cembalo.
Lietzenburg wurde ein Paradies der Musik. Opern, Singspiele und Lustballette bildeten künstlerische Höhepunkte der Feste, zu denen die Familienfeiern, vor allem die Geburtstage des Königs am 11. Juli und die Besuche der Mutter Sophie aus Hannover Anlass gaben. Sophie Charlotte pflegte erstmals überhaupt in Berlin die Kammermusik. Sie bevorzugte die italienische Musik, verpflichtete italienische Musikanten. Für größere Aufführungen errichtete sie ein Opernhaus und nutzte den Garten als Bühne.
Wichtigste Stütze bei diesem Wirken war ihr das Erste Kammerfräulein von Pöllnitz (1670-1722). Die beiden Frauen etablieren eine feste Arbeits- und Lebensgemeinschaft.
Henriette Charlotte von Pöllnitz zeichnet ab 1697 für zahlreiche Opernvorlagen verantwortlich, verfasst im Auftrag Sophie Charlottes Komödien und - vielleicht nur aus Neigung - Erzählungen und Gedichte.
Ihre Aufgabe war es, die Königin zu unterhalten. Das heißt, sie organisierte die Aufführungen und Feste, wirkte wie andere Angehörige des Hofstaates dabei mit. Die Freizügigkeit mancher Veranstaltung brachte den König gegen das Kammerfräulein auf. An Sophie von Hannover schrieb er, die Pöllnitz müsse viel lesen, um all das in die Wege zu leiten, aber sicherlich nie die Bibel.
"Die Pöllnitz" ihrerseits schrieb unverdrossen an Leibniz, sie hätten in Lietzenburg ihren Spaß, denn "wan die Katze nicht zu haus ist dansen die meuse auff die bencke et outre." Sie kehrte nach dem Tod ihrer Freundin und Herrin an den Hof nach Hannover zurück.
Sophie Charlotte versammelte eine Reihe berühmter Musiker um sich.
Attilio Ariosti, Tenorsänger, Instrumentalist und Komponist, wirkte von 1697 bis 1703 am Hof. Der Herzog von Gonzaga lieh ihn an Sophie Charlotte aus. Das Bildnis stellt ihn komponierend an einem Cembalo dar, das große Ähnlichkeit mit dem schwarzen Instrument Sophie Charlottes hat. Der Opernkomponist Giovanni Bononcini kam vom kaiserlichen Hof in Wien für einen kürzeren Aufenthalt nach Brandenburg. Der große Teil der erhaltenen Musikalien der Lietzenburger Hofoper stammen von seiner Hand. Der einflussreiche Violinspieler Arcangelo Corelli widmete Sophie Charlotte eine zweiteilige Sammlung von kompositionen.
Die Musikaliensammlung Sophie Charlottes war sehr umfangreich, wie schon anhand der Widmungen an die Königin zu erahnen ist. Sie ist nicht erhalten, nur ein Verzeichnis existiert noch. Ihr Sohn, Friedrich Wilhelm I. schenkte sie an die königliche Bibliothek, von wo sie an Prinzessin Amalie, die hoch musikalische Schwester Friedrichs II., gelangte. Deren Sammlung gelangte an die Staatsbibliothek.
Sophie Charlotte und die Philosophie
Die ausgedehnte Beschäftigung mit der Musik war auch Ausdruck eines allgemeinen Lebensgefühls, das sich an den europäischen Höfen - insbesondere in den weiblichen Kreisen - ausbreitete.
Plötzlich am Ende des 18. Jahrhunderts ist die Rede von Langeweile, die es zu zerstreuen gelte. Man ordnet Porzellane, lässt die Hofdamen porträtieren, widmet sich der Musik, dem Theater, dem Gespräch und der Korrespondenz. Mehrfach ist in den Briefen Sophie Charlottes, der Pöllnitz und anderer, auch männlicher Höflinge, die Rede davon. Vergleicht man den Lebenslauf und Tagesablauf der Königin mit denen ihrer Vorgängerinnen wird dieser Wandel deutlich.
Liselotte von der Pfalz schrieb neidvoll an ihre Tante Sophie nach Hannover:
"Wenn ich betrachte, daß Ihre liebden die Churfürstin von Brandenburg hinreißt, wo es ihnen beliebt, heußer bawet, musicanten hatt, mitt einem wort: thut waß ihr gefelt, finde ich, daß sie woll tausendt undt tausendtmal glücklicher ist, Churfürstin in Brandenburg zu sein, alß wenn sie hir Dauphine gewesen were, denn da hette sie allzeit thun müßen waß andere wollen, nie ohne den König reißen, wenig gelt haben undt nimmermehr ihre verwandten sehen."
Friedrich I. bot seiner jungen Gemahlin die Möglichkeit, unabhängig von der landesherrlichen Hofhaltung mit ihrer notwendig formellen Repräsentation einen unpolitischen und im weiteren Sinne funktionslosen Hof zu unterhalten.
Funktionslos war der Hof Sophie Charlottes in Lietzenburg, da er kaum eine gesellschaftliche Wirkung auf Brandenburg hatte, weil ihre Förderung der Musik etc. nur einem kleinen ausgesuchten Kreis offen stand.
Das zeigt sich auch in der Begegnung zwischen Sophie Charlotte und dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz, dessen Metier sie überdurchschnittliches Interesse entgegenbrachte. Leibniz unterhielt als philosophisch-politischer Vertrauter Sophies von Hannover und Sophie Charlottes mit beiden Frauen einen umfangreichen Briefwechsel.
Ein Ergebnis ihrer Begegnungen, das auch nach außen wirkte, war die Gründung der Societät der Wissenschaften zu Berlin, die bis heute in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften fortlebt.
Die Gründung derartiger Institutionen war ein besonderes Anliegen des Philosophen. Sophie Charlotte gewährte ihm Unterstützung, in Berlin Fuß zu fassen. Gemeinsam mit Leibniz veranlasste die Fürstin im Jahre 1700 die Gründung der kurfürstlich-brandenburgischen Societät der Wissenschaften. Ihrer umsichtigen Förderung war der Abschluss der schwierigen Verhandlungen zu verdanken.
Die Berliner Societät war die dritte Einrichtung ihrer Art nach London und Paris. Bei allem fürstlichen Mäzenatentum war die Förderung der Naturwissenschaften auch im 18. Jahrhundert noch die Ausnahme. Leibniz wurde auf Lebenszeit Präsident der Societät der Wissenschaften in Berlin. Seine mathematischen Entdeckungen, Integral- und Differentialrechnung, wiesen weit über seine Zeit hinaus. Großen Einfluss hatte Leibniz auf die klassische Dichtung Herders, Lessings und Goethes. Seine Philosophie erfuhr im 20. Jahrhundert starke Wiederbelebung in Deutschland, England, Frankreich.
Leibniz' philosophische Gedanken wurden in der Form der "Theodizee" zu einem wichtigen Bestandteil der deutschen Aufklärung des 18. Jahrhunderts. Seine Grundlehre sieht die Welt in den sogenannten Monaden aufgebaut, die durch den verschiedenen Grad des Bewusstseins vom Stoff zu Gott aufsteigend eine Stufenreihe bilden. Das Wesen der Monaden ist Körper und Geist zugleich. Leibniz erklärte die bestehende Welt auf der Grundlage seiner philosophischen Erkenntnisse als die beste aller möglichen Welten.
Die "Essais de Théodicé sur la bont‚ de Dieu, la liberté de l`homme et l`origine du mal" - Theodizee, Abhandlung über die Güte Gottes, die Freiheit des Menschen und den Ursprung des Übels, ist die einzige abgeschlossene philosophische Arbeit, die Leibniz zu Lebzeiten veröffentlichte (1710). Theodizee erklärte Leibniz selbst als Gerechtigkeit oder Rechtfertigung Gottes.
Dieses Buch entsprang einem besonderen Anlass. Der französische Philosoph Pierre Bayle hatte bei aller Bewunderung für Leibniz dessen Ansicht, dass der Glaube mit der Vernunft, die Freiheit des Menschen mit Gottes Allmacht und irdisches Übel mit Gottes Güte und Gnade in Einklang zu bringen seien, bezweifelt. Bayle vertrat die Ansicht, dass Glauben und Vernunft nicht miteinander vereinbar seien. Im Jahre 1702 antwortete Leibniz Bayle brieflich.
Sophie Charlotte wünschte Leibniz' Erwiderungen auf Bayles Zweifel zu erfahren. Auf den Unterhaltungen, die Leibniz mit ihr in Lützenburg über das "Historische und kritische Wörterbuch" Bayles führte, beruht, nach eigener Aussage des Philosophen, die Niederschrift der "Theodizee." Während Leibniz seinen Bericht an Bayle verfasste, starb Bayle. Leibniz erweiterte daraufhin seine Antworten und, durch die Königin ermuntert, veröffentlichte er sie.
Leibniz war nicht der einzige Gelehrte, der sich der Freundschaft und Gesellschaft der Königin rühmen konnte. Ganz im Sinne der "Gelehrtenrepublik" Pierre Bayles lud Sophie Charlotte sehr verschiedene Geister zu Disputationen ein. Die Provokation des Disputs, die Gegenüberstellung entgegengesetzter Standpunkte und die vorurteilsfreie Prüfung neuer Ideen stehen im Vordergrund, wenn man nach der Bedeutung Sophie Charlottes für das intellektuelle höfische Leben in Lietzenburg fragt. Sie selbst blieb dabei den sogenannten ewigen Wahrheiten gegenüber stets distanziert.
Unverständlich ist es, dass die Königin keinen Kontakt zu dem führenden deutschen und in mancher Hinsicht fortschrittlicheren Philosophen der Aufklärung, Christian Thomasius suchte. Während französische und andere "Aufklärer" noch bestritten, dass die Frauen eine Seele hätten, schrieb Thomasius 1691:
"Die Wahrheit, weil sie in Übereinstimmung des allen Menschen gemeinen Verstandes und der äußerlichen Dinge bestehet, kann folglich auch von allen Menschen, welcherlei Geschlechts sie auch seien, erkannt, und folglich auch wieder anderen beigebracht werden."
Thomasius lehrte in Halle, wo er entscheidend an der Errichtung der dortigen Universität mitgewirkt hatte, die Friedrich I. 1694 stiftete. Vielleicht war es der Pragmatismus seiner Lehre, dass die Königin ihn ignorierte.
Thomasius hielt Erfahrung und gesunde Vernunft für erstrebenswert, nicht Wissenschaft und Gelehrsamkeit - die waren ihm Mittel zum Zweck. Er hielt seine Vorlesungen in Halle in deutscher Sprache, um seine Lehren in breitere Schichten vordingen zu lassen, was in der Folge auch große Wirkung zeigte. Hierin liegt der Unterschied, zu den intellektuellen Bestrebungen der Königin, zu deren Hof Thomasius seinerseits keinen Kontakt suchte. Die höfische Spielart der Philosophie reizte ihn nicht.
Sophie Charlotte ihrerseits wohnte nicht einmal der Einweihung der von ihrem Gemahl gegründeten Universität Halle am 12. Juni 1694 bei.
Sophie Charlotte und Danckelmann
Dieser Ignoranz Sophie Charlottes wird in der populären Überlieferung ebenso wenig Aufmerksamkeit geschenkt, wie einem anderen Aspekt im Leben und Wirken der Königin, der politischen Haltung. Diese brachte sie in scharfen Gegensatz sowohl zum ersten Minister Brandenburg-Preußens als auch zu ihrem Mann.
Hier wird ein Bild der Königin überliefert, dass nicht ganz der Wahrheit entspricht.
Als Kurfürstin setzte Sophie Charlotte alles daran, ihre Eltern in der Anerkennung ihrer Kurwürde zu unterstützen, auch gegen die außenpolitischen Interessen ihres Mannes und Brandenburg-Preußens. Sie folgte damit hartnäckig dem politischen Kalkül ihrer Mutter Sophie, die die einzige Tochter an die Seite eines schwachen Mannes hergegeben hatte, damit diese am brandenburgischen Hof die hannoverschen Interessen vertrat.
Das tat not, denn der Große Kurfürst, der verstorbene Schwiegervater, hatte seinem Sohn einen einflussreichen Mann zur Seite gestellt, der wie der Verstorbene den Hannoveranern mit großem Misstrauen gegenüberstand.
Eberhard von Danckelmann, war vom Erzieher Friedrichs zum mächtigsten Mann im Staate aufgestiegen. Als einziger Vertrauter des Kurfürsten wurde er Sekretär, Geheimer Staatsrat, Regierungspräsident, Premierpräsident und Oberpräsident. Ihm übergab Friedrich die Regierungsgeschäfte. Seine Politik war gegen das Haus Hannover gerichtet.
Hier lag ein Grund für die verzweifelte Feindschaft Sophie Charlottes gegenüber Danckelmann. Sie hasste dessen unantastbare Autorität und sah sich in ihrer Hoffnung auf Einflussnahme getäuscht. Eifersüchtig verfolgte sie - wie auch die Höflinge - die geistige Überlegenheit Danckelmanns und die Ergebenheit, die Friedrich ihm und nicht ihr entgegenbrachte.
Dazu muss gesagt werden, dass Danckelmann ganz und gar für Brandenburg-Preußen arbeitete und auch als Finanzminister stets auf eine vernünftige Haushaltung bedacht war, die Sophie Charlottes Sache nicht war, die ihren Hang zu persönlichem Luxus und ihre ehrgeizigen Pläne um den Musenhof Lietzenburg einschränkte.
So wurde die Kurfürstin, die Friedrich sich als Vertraute und Lebensgefährte gewünscht hatte, der er gutmütig und hilflos alle Übertretungen ihrer Befugnisse und ihrer Ausgaben vergab, die Gegnerin auch ihres Mannes und die Anstifterin quälender Intrigen, die den Sturz des verhassten Danckelmann zum Ziel hatten.
Als Sophie Charlottes Vater zum Erhalt der Kurwürde die Primogenitur in seinem Haus einführte (als notwendige Voraussetzung), erhoben sich seine Söhne gegen ihn und suchten wie die Nebenlinie Braunschweig-Wolfenbüttel Unterstützung in Berlin. Danckelmann und Friedrich gewährten diese Unterstützung in geheimen Verhandlungen, von denen Sophie Charlotte erfuhr. Sie verriet die Pläne an den Vater und nahm die weitere Entfremdung zu ihrem Mann in Kauf.
Nach dem Sturz Danckelmanns, zu dem letztlich dessen ablehnende Haltung gegenüber der preußischen Königskrone geführt hatte, zog sich Sophie Charlottes zur Empörung ihrer Mutter in ein apolitisches Leben zurück. Der Nachfolger Wartenberg hatte ihr eine beträchtliche Summe gezahlt unter der Bedingung, sich künftig von den Hofintrigen fernzuhalten.
Sophie von Hannover, die Pfälzerin und Stuart-Erbin, war ganz Hannoveranerin geworden. Sophie Charlotte blieb Hannoveranerin. Die Sache Brandenburg-Preußens interessierte sie nicht.
Die unterschiedlichen Auffassungen von der Würde und den Pflichten einer Landesfürstin bringen - unbeabsichtigt - die Denkmale der Kurfürstin Louise Henriette und der Königin Sophie Charlotte ein wenig zum Ausdruck, die ihnen die Städte ihres Wirkens errichteten.
Louise Henriette war die perfekte Fürstin: Sie war einem ungeliebten Mann in ein vom Krieg verwüstetes Land gefolgt und erwies sich als politische Beraterin ihres Gatten, disziplinierte Calvinistin, erfolgreiche Erzieherin ihrer Söhne und wirkungsvolle Fürsorgerin der Bevölkerung und Wirtschafterin des Landes.
Sophie Charlottes Glanz strahlte vornehmlich in Lietzenburg, in einem elitären und privaten Kreis, der nur wenig über diese engen Grenzen hinaus wirkte. Mit ihrer großen Distanz zum kurfürstlich-königlichen Hof begründete sie die Tradition der untätigen Fürstinnen am brandenburgischen Hof, die entweder aus Mangel an Neigung oder durch Nichtachtung von seiten ihres Gatten dem Bild der Landesfürstin nicht mehr entsprachen. Sich selbst erfüllte Sophie Charlotte ein Leben in relativer Selbstbestimmung - in einer Zeit, in der ähnliches wenigen Fürstinnen möglich war.
* Vortrag, gehalten am 18.2.2005 in der Urania Berlin
Veranstaltungstermine
Führung27. November 2024, 15:00 Uhr
Besuch im Mitte Museum
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