Paul Ortwin Rave

Paul Ortwin Rave wurde am 10. Juli 1893 in Elberfeld als Sohn des Apothekers Albert Rave geboren. Die große Familie – Paul Ortwin war das jüngste von acht Kindern – zog 1895 nach Bonn. Rave besuchte dort das Gymnasium und nahm nach dem Militärdienst von 1914 bis 1918 das Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Literaturgeschichte auf. 1922 wurde er mit seiner Dissertation „Der Emporenbau in romanischer und frühgotischer Zeit" promoviert. Durch seinen Doktorvater Paul Clemen machte er die Bekanntschaft des Direktors der Berliner Nationalgalerie Ludwig Justi, der ihn Ende 1922 für den Aufbau einer modernen Abteilung der Nationalgalerie im ehemaligen Kronprinzenpalais gewann. Rave wurde Berliner aus Überzeugung. Als Assistent wirkte er bei der Organisation großer Ausstellungen moderner Kunst mit und bereitete die Einrichtung neuer Museen vor. Das Rauch-Museum für den Bildhauer Christian Daniel Rauch kam mit zahlreichen Gipsmodellen in die Orangerie des Charlottenburger Schlosses und Rave verfasste 1930 einen Führer. 1931 bezog das Schinkel-Museum Räume im ehemaligen Prinzessinnen-Palais.

Seit 1929 wohnte Rave mit Freunden in einem ehemaligen Hofgärtnerhaus im Park von Sanssouci. Er liebte die Gartenkunst und war Mitgründer und geistiger Vater der 1930 gegründeten Fürst Pückler-Gesellschaft, die sich für die Erforschung und Erhaltung historischer Gärten einsetzte. 1933 heiratete Rave die Malerin Maria Theresia Faensen, 1934 wurde sein Sohn Jan Ortwin, 1936 sein Sohn Rolf geboren. 1936 trat er dem Verein für die Geschichte Berlins bei.

Unter dem neuen Direktor der Nationalgalerie Eberhard Hanfstaengl wurde Rave zum Kustos befördert und übernahm nach dessen Beurlaubung 1937 die kommissarische Leitung. Er erlebte in dieser Zeit die Beschlagnahme der als „entartete Kunst" diffamierten Kunstwerke. Nach Kriegsende 1945 verwaltete Rave als Direktor der Nationalgalerie die bescheidenen in Berlin verbliebenen Reste der Sammlung. Bedingt durch die politische Spaltung der Stadt gab er 1950 seine Direktoren- und Dozententätigkeit im Ostteil Berlins auf. Rave leitete von 1954 bis 1961 die Kunstbibliothek in Berlin (West). Bereits 1955 war er wieder Mitglied im Verein für die Geschichte Berlins geworden.

Rave begründete die Reihe „Karl Friedrich Schinkel – Lebenswerk". 1941 erschien Band I/1: Bauten für die Kunst – Kirchen – Denkmalpflege. 1948 kam Band I/2: Stadtbaupläne – Brücken – Straßen – Tore – Plätze heraus. 1962 folgte Band I/3: Bauten für Wissenschaft, Verwaltung, Heer, Wohnbau und Denkmäler. Nach seinem Tode führte Margarete Kühn das Werk fort. Helmut Börsch-Supan und Gottfried Riemann waren die letzten Herausgeber der inzwischen auf 20 Bände angewachsenen Schriftenreihe.

Paul Ortwin Rave starb am 16. Mai 1962 und ruht in einem Ehrengrab auf dem Waldfriedhof Zehlendorf. Seine beiden Söhne gründeten in Berlin ein Architektenbüro, das u. a. 1962 das Krematorium Ruhleben entwarf und den Umbau des Preußischen Landtags zum Berliner Abgeordnetenhaus 1993 leitete. Jan Rave starb 2004.

Alfred Hentzen – ein Freund von Paul Ortwin Rave – bezeichnete ihn 1965 als einen ungewöhnlichen, liebenswerten Mann, der sich in seinen Büchern und Aufsätzen oft in dichterisch -überhöhter Sprache äußerte mit einem tiefen Gefühl für die Verantwortung gegenüber der Vergangenheit wie der Gegenwart.

Martin Mende