Manfred Stope
(von 1990 bis 2002 Ministerpräsident des Landes Brandenburg)

Manfred Stolpe wurde am 16. Mai 1936 in Stettin geboren. Nach dem Jura-Studium in Jena war er von 1959 bis 1969 bei der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg tätig, wo er seit 1962 Leiter der Geschäftsstelle der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR war.Von 1969 bis 1981 leitete er das Sekretariat des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, von 1982 bis 1990 war er als Konsistorialpräsident der Ostregion der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg tätig und war stellvertretender Vorsitzender des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR.Manfred Stolpe ist seit Juli 1990 Mitglied der SPD und wurde im selben Jahr Ministerpräsident des Landes Brandenburg, von dessen Amt er 2002 zurücktrat.In der Folge, von 2002 bis 2005, war er Bundesminister für Verkehr, Bau und Wohnungswesen sowie Beauftragter der Regierung für die neuen Bundesländer.Er besitzt die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald, der Theologischen Fakultät der Universität Zürich, der wissenschaftlichen Fakultät der Universität Stettin und der Toyoda-Universität Tokio. 2006 wurde ihm der Verdienstorden des Landes Brandenburg verliehen.
Quelle: http://manfred-stolpe.de/

 

Eröffnung der Potsdamer Geschichtsbörse 2015
Potsdamm, 23. Februar 2015   - Herzlichen Dank für die Einladung zu Ihrer Geschichtsbörse, Herr Dr. Winkler. Wie Sie wissen, komme ich immer gerne in Ihr Haus, dessen Arbeit ich sehr schätze.

Ich schätze Ihre Arbeit und auch die Arbeit der Landesgeschichtlichen Vereinigung deshalb, weil sie Antworten geben auf die Frage, wer wir sind, was wir waren und woher wir kommen. Oder anders gesagt: warum die alte märkische Geschichte für unser Land Brandenburg so wichtig ist.

Vor rund 25 Jahren, am 3. Oktober 1990, wurde unser Land Brandenburg im Zuge der deutschen Einheit wieder gegründet.

Die Aufgabe, das Land Brandenburg wieder aufzubauen und auf feste Beine zu stellen, war die eine Sache. Die märkische Identität wiederzubeleben, ja gemeinsam wieder zuentdecken – das war eine ganz andere Herausforderung.

Schließlich war die Mark Brandenburg in DDR-Zeiten zum beinahe vergessenen Land geworden. Und das war durchaus so gewollt. Das preußische Brandenburg, so die Lesart der DDR, galt als Inbegriff von Imperialismus und Militarismus schlechthin. In Sachsen und Thüringer hatten es die Menschen da um einiges leichter, sie konnten ihre regionale Identität behalten.

Preußen hingegen hätte die DDR-Führung – zumindest bis zu einem gewissen Zeitpunkt – am liebsten aus den Geschichtsbüchern verbannt. Ich habe regelrecht gelitten, als die großen Potsdamer Bauwerke eines nach dem anderen abgerissen wurden: das Stadtschloss, die Garnisonkirche, die Reste der Heiliggeistkirche… mit ihnen sollte ein Teil unserer Geschichte, unserer Herkunft zerstört werden.

Das Pendant zum Abrissbagger war ein hemmungsfreier Pragmatismus: Herrenhäuser und Schlösser wurden zu Militär- und Verwaltungsgebäuden umfunktioniert. Die Instandhaltung war mehr schlecht als recht. immerhin blieb die Substanz erhalten. Heute freuen wir uns über Nutzer, die die Gebäude restaurieren und für Besucher offen halten.

Den alten Kutschstall, in dem wir uns befinden, hat es vergleichsweise milde getroffen: Hier war ein Gemüselager für den Großhandel untergebracht.

Kurzum: Die Wiederentdeckung und Wiederbelegung unserer Geschichte war nach der Wende geradezu elementar – einschließlich des roten märkischen Adlers, dessen Ursprung ins 12. Jahrhundert zurückreicht.

In einer Nachtdebatte im Brandenburger Haus – 3700 Meter hoch in den Alpen – habe ich mit dem Landeshauptmann von Tirol gestritten, wer zuerst den Roten Adler hatte. Ich glaube fest, dass die askanische Prinzessin Margarete ihn nach Tirol gebracht hat.

Eben weil Identität und Geschichte untrennbar verbunden sind, brauchen wir Einrichtungen wie das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. Ich habe die Idee, ein solches Haus zu gründen, immer gutgeheißen und unterstützt. Auch gegen manch mahnende Stimmen, die auf unsere knappe Haushaltslage verwiesen haben.

Und auch gegen Manche, die der preußenfeindlichen Propaganda erlegen sind. 300 Jahre Preußen und 600 Jahre Hohenzollern-Herrschaft haben das 900jährige Brandenburg entwickelt und zu einem kulturell und ökonomisch gut organisierten, leistungsstarken, toleranten aber auch weltoffenen Land in Deutschland und Europa gemacht. Wir Brandenburgerinnen und Brandenburger können auf dieses Erbe stolz sein!

Unsere Bemühungen haben sich gelohnt: Innerhalb kürzester Zeit hat sich das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zu einem beliebten Anlaufpunkt für Jung und Alt entwickelt. Heute ist es als Akteur der Geschichtsvermittlung, gerade für die junge Generation, nicht mehr wegzudenken.

Eine Identität, meine Damen und Herren, kann natürlich nur wachsen, wenn der Wille der Bürgerinnen und Bürger vorhanden ist. Und das war er! Bei den Frankfurtern und Cottbussern genauso wie in den Teilen der Uckermark und der Prignitz, die zuvor zum Bezirk Neubrandenburg bzw. zum Bezirk Schwerin gehört hatten.

Als wir am 14. Juni 1992 über die neue brandenburgische Verfassung abstimmten, votierten 94 Prozent der Bürgerinnen und Bürger mit „Ja“. So ein Zustimmungswert ist heute nur noch selten zu finden.

Bereits im Vorfeld war das Interesse an der neuen Verfassung enorm gewesen. Hunderte Briefe mit Anregungen und Kommentaren hatten den Verfassungsausschuss erreicht. Mittlerweile ist die Bürgerbeteiligung bundesweit hoch im Kurs. Wir haben sie in Brandenburg schon sehr früh praktiziert.

Diese Abstimmung hat uns Mut gemacht. Brandenburg war übrigens das erste neue Bundesland, das eine Verfassung verabschiedet hat, die von allen im Landtag vertretenen Parteien erarbeitet wurde. Nur in Brandenburg wurden die Ziele der Friedlichen Revolution von 1989 eingearbeitet.

Vor siebzig Jahren, nach dem Sieg über Hitlerdeutschland und der Befreiung Europas, vereinbarten die Sowjetunion, die USA und Großbritannien im Potsdamer Schloss Cecilienhof Deutschland in Besatzungszonen aufzuteilen. Doch aus Verbündeten wurden Gegner und sie banden das Potential ihrer Besatzungszonen an sich. Zwei deutsche Staaten wurden 1949 gegründet.

Moskau fürchtete eine erstarkende Bundesrepublik im westlichen Bündnis. Stalin bot 1952 den Westmächten die Aufgabe der DDR und eine Vereinigung in einem neutralen Deutschland an. Die Westmächte lehnten ab.

Nun bekam die SED freie Hand und beschloss noch im gleichen Jahr den Aufbau des Sozialismus in der DDR.

Das hieß Abschaffung der Länder, führende Rolle der SED in allen gesellschaftlichen Bereichen, Gleichschaltung aller gesellschaftlichen Organisationen, Verdrängung des Privateigentums in Industrie, Handel und Handwerk, Erhöhung der Arbeitsnormen und Bekämpfung ideologischer Gegner, insbesondere der Kirchen.

Von nun an war Deutschland nicht nur in zwei Staaten, sondern in zwei unterschiedliche, antagonistische Systeme getrennt. Fast ein halbes Jahrhundert bestand diese Teilung und nur Wenige glaubten noch an eine schnelle Wiedervereinigung.

Auch ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Sowjetunion die DDR aufgibt. Denn ohne sie konnte das Imperium in Mitteleuropa nicht zusammengehalten werden. Ein Verzicht auf die DDR bedeutete das Ende der Weltmachtstellung der Sowjetunion.

Damals dachte ich, dass vielleicht in 20 Jahren, also etwa 2015, die Ost-West-Annäherung so weit gekommen ist, dass die Sowjetunion den Sperrriegel DDR nicht mehr benötigt.

Ähnlich dachten auch 1989 die Vertreter der westlichen Siegermächte. Nach den großen Demonstrationen gegen die DDR-Führung im Oktober 1989 sagten mir Amerikaner, Briten und Franzosen, die DDR wird sich verändern, aber sie bleibt bestehen.

Nach dem Sturm auf die Mauer, als das DDR-Volk sein Selbstbestimmungsrecht ausübte, waren alle verunsichert.

Gibt es Bürgerkrieg, Chaos, Ende der Ost-West-Zusammenarbeit? Was will das Volk? Klarheit konnten nur freie Wahlen bringen, denen auch die Sowjetunion im Februar 1990 zustimmte.

Am 18. März 1990 wählte eine große Mehrheit der DDR-Bevölkerung die Parteien, die eine schnelle Wiedervereinigung versprachen und die Siegermächte folgten dem freien Willen des Volkes und gaben dem wiedervereinigten Deutschland die Souveränität zurück.

Die Wiederherstellung der Länder war schon von der letzten DDR-Volkskammer beschlossen. Ab 3. Oktober 1990 war das Land Brandenburg wieder gegründet und Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland geworden.

Die Benennung der Unterschiede und Probleme waren wenig populär. Bundesbankpräsident Pöhl trat zurück, weil niemand die finanziellen Auswirkungen hören wollte.

Der SPD-Spitzenkandidat Oskar Lafontaine warnte vor schweren sozialen Verwerfungen und verlor im Dezember 1990 die Bundestagswahl. Die Wahl gewann, wer den DDR-Bürgern am meisten versprach.

Bundespräsident Richard von Weizsäcker forderte ein behutsames Zusammenwachsen und warnte vor einem Zusammenwuchern, denn er kannte die Unterschiede.

Das waren zum einen der Wechsel von einer Diktatur mit der Verfolgung Andersdenkender, in der statt Recht Parteipolitik galt. Wo politische Bevormundung von der Wiege bis zur Bahre praktiziert wurde und Unfreiheit bis zur Reiseverweigerung Staatspolitik war.

Nun zu einem demokratischen Rechtsstaat mit 32 Tausend neuen Paragraphen, mit unabhängiger Gerichtsbarkeit, der Freiheit der Meinung, der Pressevielfalt, der Reisefreiheit, der Mitwirkungsmöglichkeit in gesellschaftlichen Fragen und der Freiheit sich zu organisieren zum Beispiel in Vereinen.

Jeder wurde für sich selbst verantwortlich und Regine Hildebrandt sagte: „Wer jetzt abwartet, hat schon verloren.“

Der zweite große Unterschied war die völlig andere Wirtschaftsordnung. Von der Staatsplanwirtschaft mit zentraler politischer Festlegung der Produktion, geringer Effizienz und latenter Mangelwirtschaft zu einer Wirtschaftsordnung, in der der Markt, also die Verkaufsmöglichkeit der Produkte und der angestrebte Profit, die bestimmenden Faktoren sind.

Nicht der Staatsplan, sondern der internationale Wettbewerb entschied über die Zukunft der Unternehmen und der Arbeitsplätze.

Viele Betriebe brachen zusammen und die Verbleibenden, ebenso Neuansiedlungen kamen mit einem Fünftel der Arbeitskräfte aus. In der Landwirtschaft waren es ein Zehntel der bisher Beschäftigten.

Vor einem totalen sozialen Chaos bewahrten uns die 100.000 tapferen Frauen und Männer, die sich in das Abenteuer der Selbständigkeit stürzten. Der FDP-Wirtschaftsminister Walter Hirche und ich warben dafür bei jeder Gelegenheit.

Zugleich bemühten wir uns um starke Investoren für industrielle Neuansiedlungen. BASF, Mercedes, Heidelberger Druckmaschinen, Rolls Royce, Rheinbraun, um nur einige Große zu nennen, kamen in unser Land.

Um den Erhalt der Stahlindustrie mussten wir uns sehr bemühen. Hier half nur Emilio Riva aus Mailand, die Standorte Hennigsdorf, Brandenburg an der Havel und Eisenhüttenstadt zu erhalten. Als Ausländer wurde er zunächst von den Arbeitern heftig abgelehnt und später wie ein Heiliger verehrt.

Aber das reichte nicht, um genügend Arbeitsplätze zu schaffen. Deshalb haben Regine Hildebrandt und ich uns um die Bereitstellung von Mitteln des Bundes für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Umschulungen bemüht. Die anderen ostdeutschen Länder haben das mit unterstützt und davon profitiert, obwohl ihnen konservative Politiker aus den alten Bundesländern versprachen, dass niemand länger als sechs Monate arbeitslos bleiben würde. Der Glaube an die heilenden Kräfte des Marktes war dort weit verbreitet.

Der Alltag vieler Menschen war von Unsicherheit und Ungewissheit geprägt.

Quasi über Nacht fanden sich die Bürgerinnen und Bürger im Dschungel der Marktwirtschaft wieder. Ganze Berufsbilder fielen weg, Qualifikationen wurden wertlos, Begriffe wie „Kurzarbeit“, „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ und „Frühverrentungsprogramm“ machten die Runde. Die blühenden Landschaften, die uns versprochen waren, hielten sich gut versteckt – dafür prosperierte die Arbeitslosigkeit umso mehr.

Als Ministerpräsident stand ich in der Pflicht, das Beste aus dieser in jeglicher Hinsicht herausfordernden Situation zu machen.

Wir haben um jeden Betrieb und jeden Arbeitsplatz gekämpft. Für mich stand außer Frage: wenn es uns nicht gelingt, die industriellen Kerne zu erhalten, wird es für Brandenburg früher oder später keine Zukunft geben. Denn ich habe nicht geglaubt, dass der Markt alle Probleme der Wirtschaft löst. Wir haben fast alle industriellen Kerne halten können. Tief traurig war ich, dass es damals nicht gelang, Wittenberge und Frankfurt (Oder) zu stabilisieren.

Probleme um Lausitzring und Cargolifter konnten überwunden werden, indem für die Rennstrecke ein erfahrener Investor gefunden wurde und auf dem Gelände des Cargolifters das Freizeitzentrum Tropical Island entstand.

Neben dem Kampf um Arbeitsplätze gab es eine Reihe nicht minder schwieriger Aufgaben zu bewältigen. Wir mussten innerhalb kürzester Zeit eine funktionsfähige Landesverwaltung aufbauen, inklusive Schulen, Hochschulen, Polizei und Justizwesen.

Gerade am Anfang hatten wir an allen Ecken und Enden mit Widrigkeiten zu kämpfen, die in der Summe unendlich schienen. Es mangelte beispielsweise an Telefonen und wenn es welche gab, war die Verbindung oft katastrophal.

Aber einen großen Vorteil hatten wir in Potsdam, in dem wir von der Telefonzelle auf der Berliner Seite der Glienicker Brücke problemlos Bonn oder Düsseldorf erreichen konnten.

Eine gute Verbindung haben wir von Anfang an mit dem Oberkommando der Westgruppe der Sowjetarmee in Wünsdorf gepflegt. Der Staatssekretär aus der letzten DDR-Regierung, Dr. Helmut Domke, war unser Kontaktbeauftragter. Seine Sprachkenntnisse und seine Geduld halfen, Probleme zu lösen.

Im August 1991, als Präsident Gorbatschow abgesetzt und die Sowjetunion aufgelöst wurde, war ich sehr besorgt, ob der Abzug der sowjetischen Truppen weitergeführt würde. Gemeinsam mit den Ministern Bräutigam, Ziel und dem Staatssekretär Domke fuhr ich sofort zum Oberkommando der WGT nach Wünsdorf. Dort gab uns Marschall Burlakow sein Wort, dass der Abzug planmäßig weitergeführt werde, was auch immer in Moskau geschehe. Burlakow hielt Wort und Ende August 1994 haben wir in Wünsdorf die letzten Truppen verabschiedet. Den Kontakt haben wir fortgesetzt und mussten bei einem Treffen im Januar 2015 die bittere Enttäuschung der russischen Generäle über das Verhalten der Europäischen Union und der NATO anhören. Entgegen allen Zusagen seien sie Russland immer näher gerückt und wollten es offenbar einkreisen. Der Ukraine-Konflikt sei nun der Höhepunkt dieser Politik.

Der Neuanfang hat uns allen viel abverlangt. In der Landesregierung waren wir ununterbrochen beschäftigt. Eine Aufgabe jagte die andere. Zum Glück hatten wir erfahrene Unterstützer an unserer Seite.

Meine langjährige Bekanntschaft mit Johannes Rau half mir, Nordrhein-Westfalen als Partnerland für unseren Aufbau zu gewinnen. Das hatte schon von Anfang an den Vorteil, dass Rau aus seinen Erfahrungen mit dem Strukturumbruch im Ruhrgebiet mit einer Aufbauzeit der Ostländer von 30 Jahren rechnete und mithalf, dass die Bundessonderfinanzierung für uns bis 2019 läuft.

Die nordhrein-westfälischen „Aufbauhelfer“ waren Gold wert. Auch wenn es sicherlich an der einen oder anderen Stelle zwischen „Wessis“ und „Ossis“ zu Missverständnissen kam. Wo eng und mit Hochdruck zusammengearbeitet wird, von früh morgens bis spät abends, lernt man von einander und schätzt die Erfahrungen des Partners.

Wir waren nicht nur unentwegt beschäftigt, wir mussten auch ständig Entscheidungen fällen. Ich erinnere mich an Kabinettssitzungen, die bis in die Nacht dauerten. Nicht jeder Entschluss ist uns leicht gefallen. Aber für jeden von uns war klar: das Land hat Vorrang vor Parteiinteressen. So wurde es auch im Landtag gehalten.

Das haben wir den „Brandenburger Weg“ genannt: eine gemeinschaftlich getragene, konsensorientierte Politik, die sich nicht im Parteiengezänk verliert. Dieser „Brandenburger Weg“ hat unsere Zusammenarbeit in den Aufbaujahren wesentlich geprägt.

Natürlich haben nicht nur Politiker und Verwaltungsfachleute den Neuanfang unseres Landes gestaltet. Arbeiter, Existenzgründer und Unternehmer, Lehrer, Künstler, freiwillig engagierte Bürgerinnen und Bürger – sie alle haben mit angepackt. Und ihre Anstrengungen haben sich gelohnt. Der Fortschritt kam nicht über Nacht, aber er war stetig.

Die Verkehrs- und Kommunikationsstruktur wurde modernisiert. Die Altstadtkerne wurden saniert. Grobe Umweltschäden konnten beseitigt werden. Ein Dorfentwicklungsprogramm hat geholfen, den ländlichen Raum zu gestalten. Brandenburg ist ein schönes Land geworden.

Es gibt nicht viele Standorte auf der Welt, wo man in der Nähe einer Hauptstadt so viel Natur und Kultur genießen kann wie in Brandenburg. Das hat sich herumgesprochen: Brandenburg verzeichnet schon seit Jahren Besucherrekorde.

An dieser Stelle will ich auch die erste brandenburgische Landesausstellung nicht unerwähnt lassen, die im vergangenen Jahr im Schloss Doberlug stattgefunden hat. Mit etwa 100.000 Besuchern hat auch sie alle Erwartungen übertroffen. Herzlichen Dank für diese großartige Leistung, lieber Herr Dr. Winkler! Ohne Ihr Haus wäre das alles nicht möglich gewesen.

Vor einiger Zeit gab es eine Umfrage. Sie belegte, dass die übergroße Mehrheit der Brandenburgerinnen und Brandenburger gerne in Brandenburg lebt. Und das zeigen sie auch. „Steige hoch, du roter Adler“ wird bei Dorf- und Erntefesten ganz selbstverständlich angestimmt und vielerorts weht die Brandenburg-Fahne. Ein schöner Beleg dafür, wie sehr sich die Menschen mit ihrem Land Brandenburg, mit ihrer Heimat verbunden fühlen.

Brandenburg geht es heute gut. Heißt das, dass wir uns alle zurück lehnen können? Wohl kaum. Heute, 25 Jahre nach seiner Gründung, ist unser Land vor ganz andere, bedeutende Herausforderungen gestellt.

Im Berliner Umland können Kitas und Schulen gar nicht so schnell gebaut werden, wie die Bevölkerung wächst. In den entfernteren Regionen hingegen werden Wohnungen zurück gebaut und der Wirtschaft gehen die Fachkräfte aus.

Um Daseinsvorsorge und Lebensqualität auch in der Fläche zu erhalten, sind innovative Lösungen gefragt. Von der Gemeindeschwester „Agnes“ bis hin zu mobilen Verwaltungsdiensten und Rufbussen.

Das Auseinanderdriften unserer Regionen birgt auch eine ganz andere Gefahr.

Gemeinsam müssen wir alles dafür tun, dass rechtsextremistisches Gedankengut in Brandenburg keine Wurzeln schlägt. Damit meine ich ausdrücklich auch jene fremdenfeindlichen Gesinnungen, die im vermeintlich bürgerlichen Gewand daherkommen.

Auch in Brandenburg kam es Anfang der 90er Jahre zu rassistischen Übergriffen. Wir haben aus diesen Vorfällen gelernt. Brandenburg hat es seither geschafft, den Rechtsextremismus vergleichsweise klein zu halten, indem wir die Zivilgesellschaft aktiviert und stark gemacht haben.

Mit dem Programm „Tolerantes Brandenburg“ hat die Landesregierung schon früh Farbe für eine bunte Gesellschaft bekannt. Auch auf unsere vielen sehr unterschiedlichen Vereine haben wir ein großes Augenmerk gelegt. Hier wird Demokratie im Kleinen praktiziert. Unsere Vereine sind unverzichtbar für ein solidarisches, lebendiges und respektvolles Miteinander.

In all den Jahrhunderten seiner Geschichte ist Brandenburg ein tolerantes und weltoffenes Land gewesen! Bereits zu Zeiten der Askanier gab es eine große Zuwanderung. Und der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm hat mit dem Potsdamer Edikt von 1685 die Offenheit und Fürsorgepflicht gegenüber Flüchtlingen zur Staatspolitik gemacht. Aus diesem historischen Erbe folgt ein Auftrag, auch weiterhin für Toleranz einzutreten.

Und auch nach außen müssen wir weltoffen sein.

Wir sind Freunde unserer polnischen Nachbarn, aber wir stehen auch für eine kritisch-konstruktive Partnerschaft zu Russland.

Ich bin überzeugt: der aktuelle Weg der Isolation Russlands führt uns in eine Sackgasse. Noch nie in der Geschichte haben verschlossene Türen Frieden gestiftet. Und Frieden brauchen wir alle und die Menschen in der Ukraine sehr dringend.

In Richtung beider Parteien, der EU und Russland, kann ich nur sagen: Sanktionen, Waffengewalt und einseitige Hass-Propaganda helfen nicht weiter. Was wir brauchen, sind beharrliche Gespräche und den ehrlichen Willen, aufeinander zuzugehen.

Auf dem langen Zeitstrahl der märkischen Geschichte erscheinen die vergangenen 25 Jahre wie ein sehr kurzer Abschnitt. Doch dieser Eindruck trügt. Denn ist es nicht nur die Länge, sondern auch die Tiefe einer Entwicklung, die Raum schafft für Neues.

Heute haben wir allen Grund, stolz zurückzublicken und zugleich selbstbewusst nach vorne zu schauen. Dazu gehört auch, dass wir unseren Landesgeburtstag gebührend feiern.

Landesregierung und Landtag werden am 26. September gemeinsam ein Bürgerfest veranstalten. Ich hoffe, Sie alle sind mit dabei bei der großen Brandenburg-Feier!

„Hie gut Brandenburg allewege“ soll die Parole sein!

Potsdam, 22. Februar 2015