Anmerkungen zu einigen neuen Dokumenten zur Geschichte des Vereins im Nationalsozialismus
Von Jens-Peter Ketels

 

I. Der Vorstand und seine Einbindung in den Nationalsozialismus
Die in den Mitteilungen abgedruckten „Bausteine zu einer Geschichte des Vereins im Nationalsozialismus“ (siehe Heft 1 und 2, 2013) machen betroffen. Die Behandlung teilweise überaus verdienter jüdischer Mitglieder des Vereins im Vollzug des herrschenden Zeitgeistes ist erschreckend. Auf Grund von Zufällen ist es mir gelungen, Dokumente antiquarisch zu erlangen, die das von Martin Mende chronologisch dargestellte Bild weiter abrunden. Es handelt sich dabei um Auskünfte von Mitgliedern des „Führerrates“ und Vorstandes, die gegenüber dem Polizeipräsidium in Berlin als Mitglieder des Vorstandes gemacht wurden. Der damalige „Führer und Vorsitzende“, Dr. Hermann Kügler, wandte sich mit Schreiben vom 26. Januar 1938 an seine Vorstandsmitglieder mit nachfolgender schriftlicher Aufforderung auf dem Briefpapier des Vereins: „Der Polizeipräsident bittet um eine neue Liste der Vorstandsmitglieder. Sie muss enthalten: Vor- und Zuname, Geburtsdatum und -ort, Wohnungsanschrift, Beruf, Zugehörigkeit zu Organisationen des nationalsozialistischen Bewegung (RLB, NSV, NSLB und dergl.)[1], bei Parteimitgliedern den Tag des Eintritts und die Mitgliedsnummer. Ich bitte, mir diese Angaben sofort mitzuteilen.“ Offensichtlich diente diese Aufforderung der Vorbereitung einer Überprüfung des Vorstandes des Vereins für die Geschichte Berlin durch den Polizeipräsidenten, der auf Grund gesetzlicher Bestimmungen Vereinssatzungen kontrollieren und den jeweiligen Vereinen auch Anweisungen zur Änderung erteilten konnte. In dem Bericht der Hauptversammlung des Vereins vom 28. Januar 1939 ist in der Tagesordnung zu Ziffer 6. aufgeführt:


„6. Satzungsänderung: Am 31.10.1938 verfügte das Polizeipräsidium den folgenden ‚ersten Nachtrag zur Satzung des Vereins für die Geschichte Berlins vom 11.12.1933‘.

1. Anstelle der Bezeichnungen Führer und Führerrat sind durchgehend die Wörter Vorsitzender und Vorstand zu setzen.

2. § 21, letzter Absatz erhält folgende Fassung: Beschlüsse über Änderung der Satzung und Auflösung des Vereins bedürfen der Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde. (Für Berlin ist dies zur Zeit der Polizeipräsident)“.

 

Offensichtlich im Zuge der Überprüfung und Vorbereitung solcher Satzungsänderungen war die Aufforderung an den Verein gegangen, die Hermann Kügler zu dem Schreiben an seine Vorstandsmitglieder veranlasste. Diese erteilten wunschgemäß nachfolgende Auskünfte in der Reihenfolge der Aufforderung durch den Vorsitzenden:


Dr. Eberhard Faden: 1.9.1889 in Berlin; Berlin-Lichterfelde, Am Garten 3; Studienrat; Mitgliedschaft: RLB, NSV, NSLB, NSKOV, RKolBd, Bund Deutscher Osten; NSDAP: 1. Mai 1930, Nr. 2580241.

Felix Hasselberg: Mitglied des Führerrates des Vereins sowie Bibliothekar desselben; 27.2.1893 in Berlin; Berlin-Friedenau, Südwestkorso 10; Privatgelehrter; Mitgliedschaft: NSV, RLB, DAF (als Mitglied der Reichskulturkammer).

Arthur Lessing: Schatzmeister des Vereins; 13.2.1889 in Halle/Saale; Mariendorf, Tauernallee 13; Bankbeamter (Deutsche Bank); Mitgliedschaft: DAF, NSV.

Dr. phil. Wilhelm Robert Georg Schuster: Hauptschriftwart des Vereins; 10.6.1888 in Stettin; Berlin-Grunewald, Hohenzollerndamm 62; Direktor der Berliner Stadtbibliothek; Mitgliedschaft: RLB, NSV, Reichsschrifttumskammer; NSDAP: 1. Mai 1933, Nr. 3278538.

Günther Tschöpe: 2. Archivar des Vereins; 22.9.1896 in Deutsch-Wilmersdorf (Kreis Teltow); Berlin 62, An der Fischerbrücke 1; Steuerinspektor; Mitgliedschaft: RLB, NSV, RDB; NSDAP: 1. April 1936, Nr. 3751314.

Dr. Walter Vogt: 30.8.1878 in Berlin; Berlin W 30, Barbarossastr. 51; Handelsrichter, Chemiker; Mitgliedschaften: NSV, NSLB, NSBDT; NSDAP: 1. April 1933, Nr. 1772642.

 

Zu den entdeckten Unterlagen von Felix Hassselberg gesellte sich noch nachfolgende schriftliche Erklärung vom 30. Oktober 1938: „Hiermit erkläre ich nach bestem Wissen und Gewissen, dass ich rein arischer Abstimmung bin.“

Diese Erklärungen runden das von Martin Mende dargestellte Bild der Vorstandstätigkeit meines Erachtens ab. Sie zeigen die unterschiedliche Einbindung der Vorstandsmitglieder in das nationalsozialistische Organisationsgefüge. Dass dabei ein Vorstandsmitglied seine biologische Abstammung im Hinblick auf seine arische Abstammung erklärt und hierzu sein „Gewissen“ bemüht, spricht dabei für sich.

 

II. Nationalsozialistische Informationseinbindung des Vereins
Um ihre politischen Ziele im Inneren und nach Außen verwirklichen zu können, bedienten sich die Nationalsozialisten der Presse und anderer Publikationsorgane als „Mittel der Staatsführung“ im Rahmen der Gleichschaltung der Presse[2]. Auch der Verein als Herausgeber von Publikationsorganen war eingebunden: Die Presseabteilung der Reichsregierung bediente sich hierzu des „Zeitschriften-Dienstes“, der für die jeweiligen Herausgeber und Verantwortlichen verbindliche Anweisungen enthielt, die entsprechend dem Schriftleitergesetz unbedingt beachtet werden mussten. Dieser Zeitschriften-Dienst war nicht nur vertraulich, sondern unbedingt von den angesprochenen Verantwortlichen zu beachten. Es gab „Verpflichtungserklärungen“, in denen festgehalten wurde, dass der Inhalt vertrauliche Informationen des Zeitschriftendienstes und des „Deutschen Wochendienstes“ enthielt, die als geheime amtliche Schriftstücke bezeichnet wurden und damit der Geheimhaltungsverpflichtung des § 353 c StGB unterlagen. Hermann Kügler musste eine entsprechende Geheimhaltungserklärung durch Unterzeichnung des „Verpflichtungs-Schein B“ abgeben, dessen Abschrift vom 5. November 1941 datiert und der zum einen die Geheimhaltungsverpflichtung beinhaltet, zum anderen die ausdrückliche Erklärung der Übernahme der Verantwortung im Rahmen der Geheimhaltung bezüglich der Presseerzeugnisse des Vereins. Mit Schreiben vom 29. Oktober 1941 wurde der Verein auf die „von nun an“ fortlaufende Belieferung mit dem „Zeitschriften-Dienst“ hingewiesen und Hermann Kügler gab die entsprechenden Verpflichtungserklärungen und Angaben mit Schreiben vom 5. November 1941 dann gegenüber dem Verlag Pressebericht GmbH als Beauftragten der Presseabteilung der Reichsregierung ab. Beide Schriftstücke lassen erkennen, dass der Nationalsozialismus nichts dem Zufall überlassen wollte und selbst solche Presseerzeugnisse wie die des Vereins, die sowohl inhaltlich als auch von der Verbreitung her politisch kaum eine Rolle gespielt haben, mit einzubinden versuchte: „Auch Goebbels wollte, dass die Presse‚ nicht nur informieren, sondern auch instruieren‘ sollte. Die Presse sei ‚in der Hand der Regierung so zu sagen ein Klavier (…), auf dem die Regierung spielen kann‘, sie sei ‚ein ungeheuer wichtiges und bedeutsames Massenbeeinflussungsinstrument (…), dessen sich die Regierung in ihrer verantwortlichen Arbeit bedienen kann‘.“[3]

 

Anmerkungen:

  1. In diesem Artikel finden sich folgende Abkürzungen: Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (NSDAP), Nationalsozialistische Wohlfahrt (NSV), Nationalsozialistischer Bund Deutscher Technik (NSBDT), Reichsluftschutzbund (RLB), Nationalsozialistischer Lehrerbund (NSLB), Nationalsozialistische Kriegsopferversorgung (NSKOV), Deutsche Arbeitsfront (DAF), Reichsbund der Deutschen Beamten (RDB).
  2. Tobias Jäcker: Möglichkeiten und Grenzen publizistischer Opposition im „Dritten Reich“,
    http://www.jaecker.com/2000/07/journalismus-im-dritten-reich (Aufruf vom 30.8.2013).
  3. Zit. nach ebd.