DIE GESCHICHTE BERLINS
Verein für die Geschichte Berlins e.V, gegr. 1865
Newsletter I/24 / 26. Januar  2024 - 40. Ausgabe

Liebe Leserinnen und Leser,

Ein wunderschönes Jahr 2024 wünschen wir Ihnen! … und sind auch gleich in der Geschichte: Wie war das damals, in Berlin vor 100 Jahren? Ereignisse gab es genug, darauf werden wir im Laufe des Jahres noch näher eingehen. Aber besonders eine Sache, die hat Berlin nachhaltig verändert: 1924 wird dank stabilisierter Währungsverhältnisse eine zentrale sozialpolitische Aufgabe in Angriff genommen, die während der Kriegs- und Nachkriegsjahre völlig zum Erliegen kam, nämlich der Neubau, genau genommen der soziale Wohnungsbau.

Preußen führt hierzu am 1. April 1924 die Hauszinssteuer ein. Durch Besteuerung der Altwohnungen mit üppigen 16% der Miete werden systematisch Mittel zur Förderung des Wohnungsbaus gewonnen. Überwacht wird die Geldvergabe in Berlin durch die neugegründete Wohnungsfürsorgegesellschaft. Knapp zwei Drittel der in Berlin von 1924 bis 1929 errichteten Wohnungen (das sind rund 100.000) werden auf diesem Weg von öffentlich geförderten gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen errichtet. Trendsetter ist Martin Wagner, der eben genau vor 100 Jahren, 1924, die gewerkschaftliche GEHAG (Gemeinnützige Heimstätten-, Spar- und Bau-Aktiengesellschaft) gründet. Ihr Hauptziel: Niedrige Mieten durch Entwicklung wirtschaftlicher Bautechniken. Der führende GEHAG-Architekt wird Bruno Taut, der unter anderem die Großsiedlung Britz (1925 – 1927) erbaut.

Gleichermaßen wird das Stadtbild von Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und anderen namhaften Architekten geprägt. Die Prinzipien der funktionalistischen Bauweise, die wirtschaftliche, soziale und ästhetische Kriterien in Einklang zu bringen versucht, spiegeln sich in den Neubauten wieder. Dabei müssen Baupläne und Baumethoden der Wirtschaftlichkeit kompromisslos standhalten, Licht, Luft, freier Raum, Gärten oder Balkons sowie gemeinschaftliche Einrichtungen (z. B. Waschküchen) gehören zum Erfolgsrezept. Es gelten ab 1924 folgende Anforderungen für Berliner Neubauwohnungen: Maximale Wohnungsgröße 140 qm, Mindestraumgrößen: ein Zimmer 20 qm, jedes weitere Zimmer 12 – 24 qm, eine Schlafkammer 6 qm und die Küche 10 qm. Ein Gas- und Elektroanschluss ist Pflicht, ein Bad mit Warmwasser ebenso, idealerweise ein Balkon und mindestens ein durchsonntes Zimmer.

Aber warum erzählen wir Ihnen das? Aus einem einfachen Grund: Die Waldsiedlung Zehlendorf ist eine von sieben Stätten, die ab Februar 2024 auf der erweiterten deutschen Tentativliste an die UNESCO-Kommission in Paris übermittelt werden. Ihr wurde somit das Potential zum Weltkulturerbe zugesprochen. Erbaut zwischen 1926 und 1931, finanzierte sich das Projekt mit den Geldern der GEHAG. Die Architekten Bruno Taut, Hugo Häring und Otto Rudolf Salvisberg planten einfache Baukörper mit klaren Linien, immer wieder hervorspringend, angepasst dem Baumbestand und damit eine unmittelbare Nähe zwischen Natur und Architektur bildend. Es entstanden 1100 Geschosswohnungen und 800 Einfamilienhäuser, die bis heute nichts von ihrer schlichten Schönheit eingebüßt haben.

In diesem Newsletter laden wir Sie wieder zu einer kulturhistorischen Entdeckungsreise durch unsere Stadt ein. Er ist dieses Mal etwas länger als gewohnt. Legen Sie ihn sich beiseite, wenn Sie mögen, lesen Sie ihn häppchenweise, denn der nächste erscheint ja auch erst wieder in drei Monaten.

Viel Vergnügen wünschen Ihnen

Ihre

Antje Bielfeld-Müller und Doris Tüsselmann

 


nl240126 Berlin 1688Sie interessieren sich für die Entwicklungsgeschichte des Berliner Stadtbildes? Sie lieben historischen Stadtpläne? Sie haben Spaß, Zeit und Lust, einen der großen Schätze unseres Vereins zu heben und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen? Dann machen Sie mit bei dem Projekt zur Digitalisierung der Kartensammlung.

Jeder ist willkommen. Wir freuen uns auf Sie!

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Inhalt

1. MITTEnmang inna Berlina Jeschichte
2. Kietzjeschichten - …auch mal JottWeDee
3. Vereinspost
4. UffjeLESEN
5. Wie war denn ditte? - Im Netz jefischt
6. Wer noch nich jenuch hat

 

1. MITTEnmang inna Berlina Jeschichte

Alte Nationalgalerie: Caspar David Friedrich (1774 – 1840), Unendliche Landschaften. Anlässlich des 250 Geburtstages des bedeutendsten Malers der deutschen Romantik werden rund 60 Gemälde und 50 Zeichnungen aus dem In- und Ausland vom 19.04. – 04.08.2024 gezeigt. Die Ausstellung spiegelt ein Stück Berliner Kulturgeschichte, denn sie beleuchtet die Rolle der Nationalgalerie bei der Wiederentdeckung der Kunst Friedrichs zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nachdem der Maler in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Vergessenheit geraten war, würdigte die Nationalgalerie 1906 mit der legendären „Deutschen Jahrhundertausstellung“ den Künstler mit 93 Gemälden und Zeichnungen sein Werk. Er kam dadurch aus dem Schatten ans Licht und wurde als herausragender Maler von Licht und Atmosphäre und als Vorreiter der Moderne gefeiert. Ein weiteres Ausstellungskapitel ist den Bilderpaaren Friedrichs gewidmet, mit denen der Künstler verschiedene Perspektiven sowie die Idee des Wandels zum Ausdruck brachte. In einem dritten Kapitel werden die neuesten Forschungsergebnisse zur Maltechnik Friedrichs vorgestellt.

 

Schauplatz Villa Griesebach: Am 28.11.23 gab die Senatsverwaltung für Kultur folgende kurze Pressemitteilung heraus: Caspar David Friedrichs „Karlsruher Skizzenbuch“ – Das sogenannte „Karlsruher Skizzenbuch“ des deutschen Künstlers Caspar David Friedrich, einem der bedeutendsten Künstler der Romantik, soll am 30. November bei dem Auktionshaus Griesebach in Berlin versteigert werden. Infolge des medialen Interesses wurde am 24.11.2023 seitens der Senatsverwaltung für Kultur ein Verfahren zur Eintragung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes des Landes Berlin eingeleitet. Für die Dauer des Verfahrens besteht bezüglich des Kulturgutes ein Ausfuhrverbot“. Doch was geschah danach? Das "Karlsruher Skizzenbuch" ist für insgesamt rund 1,8 Millionen Euro im Auktionshaus Griesebach versteigert worden. Informationen zum neuen Besitzer liegen nicht vor. Es war das erste Mal überhaupt, dass eines der Skizzenbücher Friedrichs zur Versteigerung kam. Nach Angaben des Auktionshauses handelt es sich um das letzte bekannte gebundene Exemplar eines Skizzenbuchs des Künstlers. Nur sechs von insgesamt wohl 20 dieser Büchlein seien erhalten. Die gerade 20 Seiten starke Kladde war an den Freund des Künstlers Georg Friedrich Kersting übergegangen. Die Nachfahren von Kersting bewahrten es über 200 Jahre lang in Karlsruhe auf. Deswegen trägt es den Namen "Karlsruher Skizzenbuch". Es enthält unter anderem Skizzen und Motive, die immer wieder in Friedrichs Bildern auftauchen, zum Beispiel die Skizze einer Eiche, die auch in seinem Frühwerk "Hünengrab im Schnee" zu finden ist. Aufgrund des laufenden Verfahrens verbleibt die Kladde vorerst in Deutschland.

 

Michael Wesely. Berlin 1860 – 2023: In der Zeit vom 12. April bis zum 1. September 2024 präsentiert die Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin eine Sonderausstellung, die sich den Architekturfotografie-Sammlungen aus den Archiven und Museen von Berlin und Brandenburg widmet. Die zentrale Frage der Ausstellung lautet: Wie kann Fotografie die Zeit und das Leben einfangen? Der renommierte Fotograf Michael Wesely (*1964) erforscht diese Thematik in zwei neuen Werkkomplexen. In der Serie "Human Conditions" verfolgt Wesely die Lebensspuren der Bewohner Berlins um 1900, die in den großformatigen Aufnahmen der Preußischen Messbildanstalt eingeschlossen sind. Dabei werden Realitätsfragmente aus historischen Architekturfotografien auf beeindruckende Weise eingefangen. Bei "Double Days" überlagert der Fotograf seine eigenen Aufnahmen präzise mit alten Fotografien der Berliner Architektur aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Dies ermöglicht die Visualisierung von Zeitsprüngen im urbanen Kontext.

 

Architekturmuseum: Noch bis zum 22. Februar können Sie die Ausstellung „Im Gleichschritt. Der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin im Nationalsozialismus“ sehen. Der Berliner Architekten- und Ingenieurverein, gegründet vor zweihundert Jahren (1824), wurde unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 instrumentalisiert. Mindestens 83 jüdisch-stämmige sowie politisch missliebige Mitglieder wurden ausgeschlossen. Ab 1938 war der Verein offiziell der NSDAP angegliedert, nach Kriegsende wurde er aufgelöst und erst 1950 wieder zugelassen.

Die Ausstellung beleuchtet den bedrückenden Prozess von Anpassung, Beteiligung und Profitnahme, der auch über 1945 hinausreicht. Die enge personelle Verflechtung zwischen dem Verein und der Technischen Hochschule/Universität sowie der Übergang der Bibliothek und des Zeichnungsarchivs an die TU im Jahr 1953 sind Teil dieser Geschichte. Vier weitere baukulturelle Verbände (ARL, BDA, DASL und werkbund berlin) stellen sich in der Ausstellung ihrer eigenen NS-Vergangenheit. Ausstellungsort: Architekturgebäude am Ernst-Reuter-Platz, Str. d. 17. Juni 152, Untergeschoss des Flachbaus.

 

Ephraim-Palais: BerlinZEIT – Die Stadt macht Geschichte! Die neue Dauerausstellung bietet eine kurzweilige Entdeckungstour durch die Jahrhunderte und gibt zugleich einen umfassenden Überblick über die teils umwälzenden Geschehnisse in dieser Stadt. Entlang prägender Zeitabschnitte nimmt sie die Interessierten mit auf eine Zeitreise von der Gründung Berlins bis in die Gegenwart und darüber hinaus. Berlin wird leicht verständlich und kompakt anhand zahlreicher originaler Objekte als Stadt der Vielfalt und der Offenheit, aber auch als Stadt der Brüche und der radikalen Veränderung erzählt.

 

Kupferstichkabinett: Die Sonderausstellung „Die gerettete Moderne. Meisterwerke von Kirchner bis Picasso“ ist vom 2. Februar bis zum 21. April 2024 zu sehen. Zum Hintergrund: Im Sommer 1937 kam es während der Säuberungsaktionen zur sogenannten "Entarteten Kunst" zu einer systematischen Entfernung von Werken der klassischen Moderne aus dem Berliner Kupferstichkabinett. Die Aktionen hatten das Ziel, als Schande betrachteten Kunstwerke zu eliminieren. Es kam zur Beschlagnahmung von über 100 Werken, darunter Arbeiten von Künstlern wie Max Beckmann, Otto Dix und Emil Nolde. Bei einer weiteren Säuberungsaktion im August 1937 konnte der damalige Moderne-Kustos Willy Kurth mehr als 700 Arbeiten, darunter wichtige Werkgruppen von bedeutenden Künstlern, heimlich vor der Vernichtung retten. Kurth führte einen riskanten Einsatz durch, indem er grafische Werke heimlich austauschte, ohne den Direktor Friedrich Winkler zu informieren. Die Ausstellung präsentiert rund 95 ausgewählte Arbeiten, die 1937 mutig gerettet wurden und damit dem Verlust entgingen. Es wird gezeigt, dass viele dieser geretteten Werke heute zu den besten der jeweiligen Künstler gehören. Sie wurden in deutschen Museen beschlagnahmt und teilweise ins Ausland verkauft. Die Ausstellung verdeutlicht das damals herausragende Profil des Berliner Kupferstichkabinetts im Bereich der Moderne, das nach dem Zweiten Weltkrieg mühsam, aber erfolgreich wieder aufgebaut wurde. Willy Kurth und sein Vorgänger Curt Glaser prägten über zwei Jahrzehnte maßgeblich die Sammlungstätigkeit: Edvard Munch, Käthe Kollwitz und besonders Ernst Ludwig Kirchner sind zu erwähnen. Die Ausstellung beschäftigt sich auch mit Schenkungen von Berliner Galeristen und Verlegern sowie Initiativen von Willy Kurth, die Werke von Wassily Kandinsky, Otto Dix und George Grosz in die Sammlung brachten.

 

Am Tacheles: Inzwischen ist in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte das Wohn-, Gewerbe- und Kulturquartier “Am Tacheles” bis auf letzte Arbeiten fertiggestellt worden. Die renommierte Galerie Fotografiska hat hier ihr Berliner Zuhause gefunden: https://www.fotografiska.com

 

Neue Gedenktafeln für…

Edith Schumann (1886–1943): Seit Ende Oktober 2023 erinnert eine Berliner Gedenktafel am Gebäude des Kurfürstendamm 111 an die Widerstandskämpferin Edith Schumann. Die in Königsberg am 24. Juli 1886 geborene Edith Fischer, ausgebildete Lehrerin, Studium der Medizin und Nationalökonomie, trat 1911 in die SPD ein. 1914 schloss sie ihre Studien mit der Promotion in Staatswissenschaften ab. Im Anschluss arbeitete sie in verschiedenen Städten zu Arbeitsberatung und Arbeitsnachweisen. Wegen ihrer Mitgliedschaft in der KPD wurde sie in München entlassen. Sie nahm 1919 an der Münchener Räterepublik teil. Nach der Niederschlagung und einer Verhaftung flüchtete sie vor der weiteren Verfolgung und wurde in die KPD-Zentrale nach Berlin berufen. Dort arbeitete sie im Reichsfrauen-Sekretariat und gab sich den Parteinamen „Hertha Sturm“. 1924 zog sie nach Moskau und wurde eine enge Mitarbeiterin Clara Zetkins. Im Oktober 1928 kehrte sie nach Berlin zurück, wo sich ihre Spuren zunächst verlieren. Im März 1933 wurde sie in ihrer Tempelhofer Wohnung verhaftet, Druckschriften und KPD-Materialien beschlagnahmt. Vermutlich aufgrund der Einmischung ihres Bruders wurde sie im Januar 1934 aus der „Schutzhaft“ entlassen. Vor ihrer zweiten Verhaftung wohnte sie in dem Wohnhaus am Kurfürstendamm 111, im zweiten Gartenhaus, 5. Etage (heute Neubau).Nach ihrer Verhaftung in Köln im September 1935 wurde sie in das Polizeigefängnis Berlin überführt, wo sie einen Suizidversuch überlebte. Am 11. September kam es zu einer Verlegung in das Untersuchungsgefängnis Moabit. Die Anklage lautete auf gemeinschaftliche „Vorbereitung zum Hochverrat“ und Aktivitäten in der Widerstandsgruppe „Neu Beginnen“. Das Kammergericht legte im März 1936 das Strafmaß fest: fünf Jahre Zuchthaus, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf sechs Jahre und Polizeiaufsicht. Die Urteilsbegründung schätzte sie als „fanatische, unbelehrbare Marxistin“ ein. Der Tod von Edith Schumann ist auf den 4. Dezember 1943 datiert. Sie wurde von der Polizei in der Elisabethstraße 5 in Lichterfelde tot aufgefunden. Als Todesursache ist „Gasvergiftung, Unfall“ angegeben. Die Gedenktafel würdigt eine kaum bekannte Frau in ihrer illegalen Arbeit, die mutig Widerstand gegen den Nationalsozialismus leistete und als Kommunistin bis zu ihrem Tod verfolgt wurde.

 

Caesar Reiss (1887–1951): Eine Gedenktafel erinnert seit Anfang November 2023 in der Wichmannstraße 9, 10787 Berlin-Tiergarten, an den Verleger. Erich Caesar Reiss kam am 24. Januar 1887 als zweiter Sohn des jüdischen Paares Helene und Alexander Reiss in Berlin zur Welt.

Mit dem vom Vater geerbten Vermögen betrieb er ab 1909 in Berlin-Westend am Kaiserdamm den Erich Reiss Verlag, mit dem er schon bald in das Elternhaus in Berlin-Tiergarten (damals Wichmannstraße 8, heute Hausnummer 9) umzog. Im Laufe der folgenden Jahre entwickelte sich das Unternehmen zu einem bedeutenden Verlag mit vielen namhaften, vor allem auch jüngeren Autoren, darunter Ernst Toller, Klabund und Gottfried Benn, von dem Reiss als erster „Die Gesammelten Schriften“ publizierte und mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Er hatte eine besondere Vorliebe für bibliophile Buchausgaben und konnte u.a. George Grosz für die Mitarbeit gewinnen. Auch Zeitschriften wie „Dada“, „Die Schaubühne“ sowie die „Tribüne der Kunst und Zeit“ gehörten zum Verlagsprogramm. Insgesamt sind in mehr als 25 Jahren in seinem Verlag um die 450 Titel erschienen, die antiquarisch zum Teil noch heute erhältlich sind. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten begann 1933 das Ende des Verlages. Am Tag nach der Pogromnacht des 9. November 1938 wurde Erich Reiss verhaftet und kam ins KZ Sachsenhausen. Durch Bemühungen der dänischen Schriftstellerin Karin Michaelis, des schwedischen Königs Gustav V. und der schwedischen Autorin Selma Lagerlöf konnten Mitte Dezember 1938 seine Entlassung und ein Vierteljahr später seine Ausreise nach Schweden erreicht werden. Von dort emigrierte Reiss im November 1939 in die USA. In New York lernte Erich Reiss die ebenfalls emigrierte deutsche Fotografin Lotte Jacobi (1896–1990) kennen, die sich zu der Zeit bereits durch Aufnahmen von Albert Einstein, Max Planck und Präsidentengattin Eleanor Roosevelt einen Namen gemacht hatte. Sie heirateten 1940 in New York. Bis zu seinem Tod war Reiss Geschäftsführer des Fotostudios seiner Frau. Er starb am 8. Mai 1951 in New York an den Folgen eines Schlaganfalls.

 


2. Kietzjeschichten ...auch mal JottWeDee

Papageiensiedlung, so wurde einst despektierlich und heute liebevoll die Zehlendorfer Waldsiedlung genannt. Nachdem wir eingangs so viel über diesen Gebäudekomplex erzählt haben, legen wir Ihnen hier einen Ausflug und verschiedene Rundgänge durch das Gelände ans Herz: https://www.papageiensiedlung.de.

 

Berlin-Buch: Wie wäre es mit einem Ausflug nach Buch? Im Reiseführer „Die Umgebungen der Kaiserstadt Berlin“ beschreibt der Autor Augustus Trinius im ausgehenden 19. Jahrhundert das Dörfchen wie folgt: „Trotz der verhältnismäßig nur geringen Entfernung von Berlin (zwei Meilen) verrät doch nichts hier die gefährliche Nähe einer Riesenstadt. Die vornehme Abgeschlossenheit eines Parkes mit seinem Schlosse, der Kirche und Erinnerungszeichen, sowie die schlichte Bewirtung, welche Buch den Wallfahrern bietet, beides hat dazu beigetragen, dieser märkischen Perle ihren vollen Glanz, ihre unberührte Jungfräulichkeit bis heute zu erhalten.“

Entdecken Sie verborgene Schönheiten im Park von Buch, zum Beispiel den Gedenkstein der Julie Elisabeth Amalia von Voß (1766 – 1789), vgl. Mitteilungen, Heft 1, 2024, S. 2 – 5, oder das Voranschreiten der Restaurierungsmaßnahmen an der Schloßkirche. https://www.schlosskirche-berlin-buch.de/kirchsanierung

 


3. Vereinspost

Veranstaltungen: In den nächsten Wochen wartet eine Fülle besonderer Veranstaltungen auf Sie. Schauen Sie mal auf unsere Homepage und informieren Sie sich über alle aktuellen Termine.

 

2024 heft 1 Mitteilungen: Die Vierteljahrsschrift „Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins“ kann jeden Mittwoch ab 15 Uhr in der Vereinsbibliothek erworben werden. Bitte melden Sie sich vorher an unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder unter der Telefonnummer 90226449.

Titelbild: Johann Heinrich Schröder: Julie Elisabeth Amalie von Voß, Gräfin Ingenheim, Pastell, 1788/89, SPSG, GK II (0) 1956. Foto: SPSG, Roland Handrick

Zum Inhaltsverzeichnis der Mitteilungen bitte hier entlang…

 

 

 

 

 

 

 

 

berliner geschichte Januar 2024Berliner Geschichte: Die Fachzeitschrift Berliner Geschichte, Ausgabe 36,  „Berliner Biedermeier“, kann in der Bibliothek aber auch im ausgewählten Buch- und Zeitschriftenhandel erworben werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mitgliederaktivitäten:

Digitalisierung des Wissensspeichers Kartensammlung mit Detlev Schibath und Michael Müller (www.berliner-stadtplansammlung.de): Ein weiterer großer Wissensspeicher unseres Vereins, die Kartensammlung, soll digitalisiert werden. Neben der Bibliothek und der Fotosammlung ist sie die dritte große Säule des Vereins. Machen Sie mit! Helfen Sie uns, unseren Verein für das digitale Zeitalter fit zu machen. Jeder ist willkommen! Wir freuen uns auf Sie! Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Unterm Teufelsberg. Dietmar Peitsch liest aus seinem gleichnamigen Buch am 4. Februar um 19:30 Uhr, Kulturhaus Schwartzsche Villa, Grunewaldstraße 55, 12165 Berlin.

 

Podiumsdiskussion mit Claudia Melisch: „Neues von den ersten Berlinern (und Brandenburgern!)“. Eine Podiumsdiskussion zu diesem Thema findet am 12. Februar 2024 um 18:00 Uhr im Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Einstein-Saal, Jägerstraße 22/23, 10117 Berlin statt. Weitere Informationen und Anmeldung unter  https://www.bbaw.de/veranstaltungen/veranstaltung-neues-von-den-ersten-berlinern-und-brandenburgern. Freuen Sie sich auf ein Expertengespräch mit Jörn Christophersen (Humboldt-Universität zu Berlin), Jörg Feuchter (BBAW), Ines Garlisch, Claudia M. Melisch (Melisch Archäologie) und Dorothea Weltecke (Humboldt-Universität zu Berlin).

 


4. UffjeLESEN

Die Journalistin Maritta Tkalec stellt ihr Buch „Geschichte Berlins in 60 Objekten“ am 17. April 2024 im Berlin-Saal, Breite Straße 36, 10178 Berlin, vor. Spannend erzählt sie darin aus der Berliner Vergangenheit, angereichert mit interessanten Fotos. Die engagierte Redakteurin der Berliner Zeitung betreut seit 2017 allwöchentlich die von positiver Leserresonanz begleitete Seite „Stadtgeschichte“.

 

Stöbern Sie mal in den Rezensionen:
https://www.recensio-regio.net/rezensionen/zeitschriften/mvfgb/index

Besondere Bücher, besonders erschwinglich: Jeden Mittwoch ab 15 Uhr ist es möglich, Buchdubletten in der Vereinsbibliothek zu erwerben.

 


5. Wie war denn ditte? - Im Netz jefischt

Wartesaal der Weltgeschichte. Ein Film von Herbert Vikgor, D 1959, 17'. Die inzwischen 60 Jahre alte und stärker angegriffene 35mm-Filmkopie wurde von avantmedia im Auftrag des Landesarchives Berlin in 4K-Auflösung digitalisiert und grundrestauriert. So konnte der auch heute noch äußerst beeindruckende Film gesichert und Ihnen mit freundlicher Genehmigung des Landesarchives für die Dauer der Archivistica in einer FullHD-Version exklusiv bereitgestellt werden. Nehmen Sie Teil am Schicksal unserer Stadt zwei Jahre vor dem Bau der „Mauer“
https://avantmedia.de/wir-machen-das-schon/archivistica/

 

Temps perdu: Vor hundert Jahren steigt Berlin wirtschaftlich und kulturell zum Zentrum Deutschlands auf. Hier beginnen, trotz Arbeitslosigkeit und einer angespannten politischen Lage, die sogenannten Goldenen Zwanziger Jahre. Im „Romanischen Café“ – in der Nähe der Gedächtniskirche – treffen sich Schauspieler und Schriftsteller wie Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Else Lasker-Schüler und Kurt Tucholsky. Hierhin zieht es nach Büroschluss auch Mascha Kaléko. 1929 erscheinen ihre ersten Gedichte. Die renommierte Vossische Zeitung und andere Magazine wie „Tempo“ oder der „Simplicissimus“ drucken ihre Verse schon bald regelmäßig. Die Dichterin wird zu einer bekannten und beliebten typischen Berliner Persönlichkeit. Doch 1938 bleibt ihr nur, ihre Stadt zu verlassen. Tauchen Sie ein in die Welt der Mascha Kaléko (https://www.maschakaleko.com)

 

Vom 6. Januar bis 30. Juni lebt das Romanische Café im Europacenter wieder auf. Auf ca. 130 qm können die Gäste in den „Neuen Berliner Westen“ der 1920er Jahre eintauchen und erfahren, wie damals „Bei uns um die Gedächtniskirche rum“ (Titel einer Friedrich-Hollaender-Revue von 1927) gelebt wurde. Berichte über die Stammgäste und die Chronik des Romanischen Cafés lassen die Zeitgeschichte lebendig werden. Zur Ausstellung gesellt sich ein digitales Projekt, dass in den nächsten Jahren heranwachsen soll:  https://romanisches-cafe.berlin/

 


6. Wer noch nich jenuch hat

1956 tritt Mascha Kaléko ihre erste Deutschlandreise nach dem Krieg an und schreibt:

Wiedersehen mit Berlin

Berlin, im März. Die erste Deutschlandreise,
Seit man vor tausend Jahren mich verbannt.
Ich seh die Stadt auf eine neue Weise,
So mit dem Fremdenführer in der Hand.
Der Himmel blaut. Die Föhren lauschen leise.
In Steglitz sprach mich gestern eine Meise
Im Schloßpark an. Die hatte mich erkannt.

Und wieder wecken mich Berliner Spatzen!
Ich liebe diesen märkisch-kessen Ton.
Hör ich sie morgens an mein Fenster kratzen,
Am Ku-Damm in der Gartenhauspension,
Komm ich beglückt, nach alter Tradition,
Ganz so wie damals mit besagten Spatzen
Mein Tagespensum durchzuschwatzen.

Es ostert schon. Grün treibt die Zimmerlinde.
Wies heut im Grunewald nach Frühjahr roch!
Ein erster Specht beklopft die Birkenrinde.
Nun pfeift der Ostwind aus dem letzten Loch.
Und alles fragt, wie ich Berlin denn finde?
– Wie ich es finde? Ach, ich such es noch!

Ich such es heftig unter den Ruinen
Der Menschheit und der Stuckarchitektur.
Berlinert einer: „Ick bejrüße Ihnen!“,
Glaub ich mich fast dem Damals auf der Spur.
Doch diese neue Härte in den Mienen …
Berlin, wo bliebst du? Ja, wo bliebst du nur?

Auf meinem Herzen geh ich durch die Straßen,
Wo oft nichts steht als nur ein Straßenschild.
In mir, dem Fremdling, lebt das alte Bild
Der Stadt, die so viel Tausende vergaßen.
Ich wandle wie durch einen Traum
Durch dieser Landschaft Zeit und Raum.
Und mir wird so ich-weiß-nicht-wie
Vor Heimweh nach den Temps perdus …

Berlin im Frühling. Und Berlin im Schnee.
Mein erster Versband in den Bücherläden.
Die Freunde vom Romanischen Café.
Wie vieles seh ich, das ich nicht mehr seh!
Wie laut „Pompejis“ Steine zu mir reden!

Wir schluckten beide unsre Medizin,
Pompeji ohne Pomp. Bonjour, Berlin!

aus: Die paar leuchtenden Jahre

 

 

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