DIE GESCHICHTE BERLINS
Verein für die Geschichte Berlins e.V, gegr. 1865
Newsletter 4/24 - 23. Oktober 2024 - 43. Ausgabe

Liebe Leserinnen und Leser,

Vor rund 320 Jahren nannte die junge, mit Stadtrechten ausgestattete Friedrichstadt einen ihrer Wege “Mohrenstraße”.

Die offizielle Benennung erfolgte wahrscheinlich in den Jahren 1706 oder 1707. Laut dem Schriftsteller und Regionalhistoriker Christoph Friedrich Nicolai (1733-1811) fand die Namensgebung im Jahr 1706 statt. Der Prediger Joachim Ernst Berger (1666-1734) führte hingegen in einer handschriftlichen Chronik von Friedrichstadt das Jahr 1707 als Zeitpunkt der Benennung neuer Straßenzüge, darunter auch der "Mohrenstraße", an.

Friedrichstadt wurde 1688 systematisch angelegt. Von Nord nach Süd bekamen die Wege die Namen Behrenstraße (nach dem am Bau von Friedrichstadt beteiligten Ingenieur Johann Heinrich Behr), Französische Straße (nach den in dieser Straße zahlreich lebenden Réfugiés), Jägerstraße (nach dem im 16. Jhr. erbauten Haus der kurfürstlichen Jägerei), Mittelstraße (vermutlich die mittlere der drei ältesten Straßenzüge), Mohrenstraße, Cronenstraße (zur Erinnerung an die Krönung des Kurfürsten Friedrich Wilhelm III (1657 – 1713) zum König von Preußen, Friedrich Wilhelm I.) und Leipziger Straße (nach der nach Leipzig führenden Heerstraße).

Von Ost nach West wurden sie Mauerstraße (Friedrichstadt sollte nach nie ausgeführten Planungen mit Mauer und Festungswerk umgeben werden), Canonierstraße (vermutlich nach ihren Anwohnern), Friedrichstraße (nach Kurfürst Friedrich III., ab 1701 Friedrich Wilhelm I., König von Preußen), Charlottenstraße (nach Sophie Charlotte, Königin in Preußen, zweite Frau Friedrich Wilhelm I.) und Markgrafenstraße (zu Ehren der Markgrafen von Brandenburg, Nähe Palais des Markgrafen von Brandenburg-Schwedt, Philipp Wilhelm), genannt.

Wie passt die Mohrenstraße hier ins Bild? Offensichtlich erhielten die Straßen ihre Namen nach bestimmten Kategorien, so zur Ehrung von Personen (Behr, Friedrich I., Sophie Charlotte, Markgraf Philipp Wilhelm), nach historischen Kriterien (Cronenstraße) nach ihren Anwohnern (Französische Straße, Canonierstraße) oder nach raumbezogenen Kriterien (Leipziger Straße,Mittelstraße, Mauerstraße).

Und die Mohrenstraße? Hier bleibt die Quellenlage im Vagen. Wir haben einige der bekanntesten Thesen unter der Rubrik „Wie war denn ditte - im Netz gefischt“ für Sie zusammengetragen.

Doch Sie werden sehen, all diese Vermutungen bilden ein Spekulationskarussel, dass beliebig erweitert werden kann. Nur eines ist allen Thesen gemein: Sie stellen eine Verbindung zwischen dem Straßennamen und der afrikanischen Präsenz in Preußen her.

Und die läßt sich für das ausgehende 17. Jahrhundert und die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts zusammenfassend so beschreiben:

1680–1683: Auf Befehl des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg wurde ab 1683 eine Sklavenfestung an der Küste Ghanas erbaut. Schon in den frühen Expeditionen von 1680 und 1682 ließ der Kurfürst afrikanische Jungen an seinen Hof nach Europa bringen.

Ausgehendes 17. Jahrhundert: Die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie verschleppte nach und nach rund 20.000 Menschen in die Plantagensklaverei. Dies wurde durch die Teilanmietung des Hafens von St. Thomas in der Karibik 1685 ermöglicht.

1693: Allein in diesem einen Jahr versklavte die Compagnie etwa 6.000 Menschen. Dies war mehr, als jede andere europäische Kolonialmacht in dieser Zeit mit Menschen handelte.

1706:?Zum Zeitpunkt der Benennung der Vorstadt in Friedrichstadt waren bereits seit mehr als 20 Jahren afrikanische Versklavte in Berlin bekannt, die vor allem als „Hof-", „Leib-" und „Kammermohren“ oder Musiker dienen mussten. Diese Kinder und Jugendlichen wurden hauptsächlich zu Repräsentationszwecken eingesetzt, oft in exotischen Fantasiekostümen. Sie mussten Genussmittel und Kolonialwaren servieren, auf Kutschen sitzen oder dem Heer musizierend vorangehen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sie Lohn erhielten, und auch als Erwachsene durften sie nur mit Erlaubnis ihrer Herren den Hof verlassen oder gar in ihre unbekannte Heimat zurückkehren. Die Kunstgeschichte liefert interessante Zeugnisse. Man denke nur an das Porträt des kleinen Prinzen Friedrich Wilhelm, dem Sohn von König Friedrich Wilhelm I, der von Antoine Pesne 1710/11 gemalt wurde. Zu sehen ist ein weißes Kind mit heller Kleidung in seinem Wagen, dem ein etwa gleichaltriger „Hofmohr“ in dunkler Livrée schützend den Sonnenschirm hält ( https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/2CCJYTOTUQHZBJPJBKIO7BCD6CGXOHQW )

1713:?Unter König Friedrich Wilhelm I. - der 1709 Berlin, Cölln, Friedrichswerder, Dorotheen- und Friedrichstadt zu einer königlichen Residenz Berlin zusammengschlossen hatte - befand sich in der Nähe der Mohrenstraße eine Ausbildungsstätte für afrikanische Musiker, die als preußische "Janitscharen" bekannt wurden.

Eines der vielen verschleppten Kinder, das weit entfernt in Ghana zur Welt kam und dann mit vielen anderen auf brutale Weise und mit geringen Überlebenschancen in die Karibik verbracht und schließlich nach Amsterdam weiterverschifft wurde, diente als Geschenk holländischer Händler am Wolfenbütteler Hof. Es war ungefähr so alt, wie die Kinder auf dem Gemälde von Antoine Pesne, als es in Wolfenbüttel auf den Namen Anton Wilhelm Amo getauft wurde. Der kleine Junge aus Ghana und die Straße in Friedrichstadt haben in etwa die gleiche Geburtsstunde.

Amos Weg war ein anderer, als der der „drolligen Hofmohren“ und exotischen Ausstellungsstücke. Er wurde zu einem brillanten Denker der Aufklärung, einer außergewöhnlichen Gelehrtenpersönlichkeit, deren Lebensweg faszinierend und spannend zugleich ist.

Wir möchten die abwartende Stille um die Umbenennung oder Nichtumbenennung einer unserer Straßen im Herzen Berlins mit zwei herausragenden Buchempfehlungen füllen, die sie in der Rubrik UffjeLESEN finden.

Einen wunderschönen Herbst voller unerwarteter Lesevergnügen und besonderer kulturhistorischer Ereignisse wünscht Ihnen

Ihre

Antje Bielfeld-Müller und Doris Tüsselmann

nl241023 Mi M 1294 2

Berlin 1870, Blick entlang der Mohrenstraße mit den Hausnummern 49 bis 46 zum Gendarmenmarkt (mit dem Deutschen Dom) und darüber hinaus, im Hintergrund die Silhouette der Petrikirche", Foto-Archiv des VfdGB

 

nl241023 Berlin 1737 Brandenburg

Berlin 1737, Die Königl. Preus. u. Churf. Brandenburg. Residenz-Stadt Berlin, nach dem Original von Johann Friedrich Walther in verkleinerter Form herausgegeben von Homanns Erben in Nürnberg, Berliner Stadtplansammmlung Michael Müller

 


Inhalt

  1. BLICKwinkel
  2. MITTEmang inna Berlina Jeschichte
  3. Kietzjeschichten - …auch mal JottWeDe
  4. Vereinspost
  5. UffjeLESEN
  6. Wie war denn ditte? - Im Netz jefischt
  7. Wer noch nich jenuch hat: Echte Berlina Sajen

 

1. BLICKwinkel

Sehr verehrtes, liebes Mitglied unseres Vereins!

Die beiden Herausgeberinnen unseres Newsletters Antje Bielfeld-Müller und Doris Tüsselmann haben wieder einen bunten Fächer historisch basierter Informationen in unterhaltsamer Weise zusammengetragen und beginnen mit einem kontrovers diskutierten Thema, der Mohrenstraße.Nicht nur hier hat man den Eindruck, dass historische Kontexte kaum noch Gültigkeit haben und mit dem Vergrößerungsglas nach schwarzen Flecken auf dem Stadtplan gesucht wird, um sich und seine Klientel durch eine Umbenennung oder andere Aktionen höchster politischer Korrektheit zu erfreuen.

Das Bezirksamt Mitte von Berlin hat vor einiger Zeit eine „Kommission für Erinnerungskultur im Stadtraum des Bezirks Mitte“ eingerichtet und mich als Vorsitzenden unseres Vereins vor drei Wochen zur 5. Sitzung dieses ehrenamtlich arbeitenden Gremiums eingeladen. Warum wir erst jetzt dazu gebeten werden, hat sich bisher noch nicht erschließen lassen. Obwohl die unterschiedlichsten Anträge auf der Tagesordnung standen, kam man nicht über die sinnfreie Diskussion einer Geschäftsordnung hinaus. Als geduldigster Mensch der Welt freue ich mich also, demnächst den Standpunkt der ältesten Bürgerinitiative Berlins, des vor 160 Jahren gegründeten Vereins für die Geschichte Berlins, in die Diskussion des zentralen Berliner Bezirks, Sitz unseres Vereins und unserer Bibliothek, einbringen zu können.

Vielleicht gibt es in der Zukunft Berichtenswertes und ich bitte gleichzeitig um Ihre freundliche Unterstützung und Zuarbeit.

Mit besten Wünschen und herbstlichen Grüßen

bin ich

Ihr Manfred Uhlitz

 


2. MITTEMANG inna Berlina Jeschichte

Da war doch noch was? Vor 35 Jahren fiel die Berliner Mauer – Symbol der Teilung Berlins, der deutschen Teilung und des Kalten Krieges. Es gibt zahlreiche spannende Veranstaltungen rund um das Jubiläumsjahr 2024. Schauen Sie mal unter https://www.stiftung-berliner-mauer.de/de/gedenkstaette-berliner-mauer/besuch/programm

 https://www.berlin.de/kultur-und-tickets/tipps/35-jahre-mauerfall/

 https://www.visitberlin.de/de/veranstaltungen-35-jahre-mauerfall

Dies ist nur eine kleine Auswahl.

 

Neue Gendenktafel für

Louis Brody, geboren 1892 als Ludwig M’Bebe M’Pessa Akwa in Douala, Kamerun, kam Anfang des 20. Jahrhunderts nach Berlin. In seiner fast vierzigjährigen Karriere hinterließ er als Schauspieler, Musiker, Tänzer, Ringer und Aktivist bleibende Spuren. 1915 debütierte er in Joe Mays Kriminalfilm „Das Gesetz der Mine“ und wirkte in über 80 Filmen mit. Während der Weimarer Republik war Brody oft auf exotisierte und rassistische Rollen beschränkt, erhielt aber zunehmend größere Rollen, darunter die Revue „Sonnenaufgang im Morgenland“ (1930), die Kolonialismus und Stereotype kritisierte.

Trotz der NS-Herrschaft setzte Brody seine Filmkarriere fort, oft jedoch in Rollen, die ein unterwürfiges Bild Afrikas zeigten. Nach dem Krieg arbeitete er bei der DEFA weiter und verdiente auch als Zirkus-Artist und Jazz-Musiker seinen Lebensunterhalt.

Neben seiner künstlerischen Arbeit engagierte sich Brody politisch. Er war Gründungsmitglied des Afrikanischen Hilfsvereins und protestierte 1921 gegen die rassistische „Schwarze Schmach“-Kampagne. 1929 gründete er die deutsche Sektion der „Ligue de Défense de la Race Nègre“, eine antikoloniale Bürgerrechtsbewegung.

Louis Brody starb am 11. Februar 1951 im Alter von 58 Jahren. In der Gaudystraße 5 erinnern seit 2023 Stolpersteine an ihn und seine Frau Erika Diek.

Otto Jogmin, geboren am 28. November 1894 in Berlin-Schöneberg, wuchs mit sieben Geschwistern in einfachen Verhältnissen auf. Nach acht Jahren Volksschule und verschiedenen beruflichen Herausforderungen, darunter Hilfsarbeiten, Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft, fand er 1935 eine Anstellung als Hauswart in der Wielandstraße 17 und 18, die er bis 1957 ausübte.

Jogmin war bei den Mietern für seine stille Ablehnung des NS-Regimes bekannt. Ab 1939, als jüdische Anwohner zunehmend entrechtet wurden, unterstützte er sie heimlich. Er versorgte sie mit Lebensmitteln und Medikamenten, versteckte Verfolgte, fälschte Mietbücher und baute Fluchtwege. Trotz Denunziationen blieb Jogmin unbehelligt und überlebte den Krieg.

Am 2. Juni 1989 starb Jogmin im Alter von 94 Jahren in West-Berlin. 2011 wurde er von Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt. Zu seinem Gedenken pflanzte das nahegelegene Sophie-Charlotte-Gymnasium auf Anregung des israelischen Gesandten Emmanuel Nahshon eine Eberesche.

Ne?et Erta? wurde 1938 im Dorf K?rt?llar in der türkischen Provinz K?r?ehir geboren. Er lernte von seinem Vater Muharrem Erta?, einem bekannten Abdal-Musiker, das Spiel der Ba?lama und die Kunst des Volkssängers (Halk Ozan?). Erta? stammte aus einfachen Verhältnissen und erlebte früh Diskriminierung, die ihn zeitlebens prägte. Sein erstes Album veröffentlichte er 1957 in Istanbul. Mit emotional vorgetragenen Liedern im Bozlak-Stil wurde er landesweit bekannt, und viele berühmte Sänger*innen nahmen seine Lieder auf.

1976 zwang ihn eine Handerkrankung zu einer Pause, weshalb er zur Behandlung nach Deutschland kam. In West-Berlin betrieb er von 1980 bis 1985 das Geschäft „Ne?et Erta? Saz Haus“ und trat wieder auf, nachdem sich seine Gesundheit besserte. Ab 1985 lebte er in Köln Bergheim, um Konzerte in Europa zu geben.

Nach seinem Comeback 2000 in der Türkei wurde er 2002 als „Künstler des Volkes“ geehrt und lehnte die Auszeichnung „Staatskünstler“ ab. 2010 ernannte ihn die UNESCO zum „Living Human Treasure“. Ne?et Erta? starb am 25. September 2012 in Izmir an Krebs und wurde neben seinem Vater in K?r?ehir beigesetzt. Er gilt als einer der bedeutendsten türkischen Volksmusiker.

Regine Deutsch: Seit dem 14. Oktober 2024 erinnert in der Pariser Straße 58, 10719 Berlin-Wilmersdorf, eine Gedenktafel an die Politikerin Regine Deutsch (1860–1938). Die jüdische Journalistin, Frauenrechtlerin und Kommunalpolitikerin, setzte sich zeitlebens für das aktive und passive Frauenwahlrecht ein. Regine Deutsch machte die Arbeit der ersten weiblichen Abgeordneten in der Weimarer Republik über Parteigrenzen hinweg sichtbar. Ihre Schriften trugen zur Stärkung der parlamentarischen Demokratie bei, indem sie Frauen zur politischen Teilhabe in Bezirks-, Stadt- und Landesparlamenten motivierte und für stärkere Netzwerke zwischen Parlamentarierinnen warb.
Am 1. März 1860 als Regine Lion in Berlin geboren, wuchs sie in einem wohlhabenden jüdischen Elternhaus mit neun Geschwistern auf. Früh verheiratet und bald verwitwet, engagierte sie sich zunächst in wohltätigen Projekten und fand darüber den Weg in Politik und Journalismus. Besonders tatkräftig kämpfte sie für das Frauenwahlrecht, hielt Reden bei zahlreichen Kundgebungen und schloss sich der „Demokratischen Vereinigung“ sowie dem „Nationalen Frauendienst“ an. Die Einführung des Frauenwahlrechts markierte für Regine Deutsch einen politischen Meilenstein. Sie war Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und von 1922 bis 1925 Stadtverordnete in Berlin, anschließend bis 1933 Bezirksverordnete in Wilmersdorf. Sie gehörte dem Deutschen Staatsbürgerinnenverband an und dokumentierte in ihren Publikationen „Die Tat der Frau“ sowie „Parlamentarische Frauenarbeit I+II“ die Arbeit der weiblichen Abgeordneten. In diesen Schriften analysierte sie die parlamentarischen Tätigkeiten, die Ausschussarbeit und die überparteilichen Kooperationen der Frauen und hob ihre Verdienste hervor. Auch international engagierte sie sich und verfasste die Schrift „25 Jahre Weltbund für Frauenstimmrecht“. Am 17. März 1935 wurde Regine Deutsch von den Nationalsozialisten aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen und erhielt ein Publikationsverbot aufgrund ihrer jüdischen Herkunft. Sie starb am 28. Dezember 1938 in Berlin. Ihr Lebenswerk geriet lange Zeit in Vergessenheit, doch ihre Beiträge als Chronistin der parlamentarischen Arbeit von Frauen in Nationalversammlung und Reichstag bleiben bis heute von großer Bedeutung.


3. Kietzjeschichten - …auch mal JottWeDee

Am 9.Oktober 2024 wäre Gustav Lilienthal, jüngerer Bruder des Flugpioniers Otto Lilienthal, 175 Jahre alt geworden. Wir möchten dies zum Anlaß nehmen, Ihnen herbstliche Ausflugstipps zu geben: Bis heute finden Sie auffallende Villen nach Lilienthals Plänen in Berlin-Lichterfelde, oder besuchen Sie die einfache, praktische und dennoch idyllische Wohnanlage "Freie Scholle" im Norden Berlins und noch weiter draußen die Häuser in der Obstbaukolonie Eden in Oranienburg.

In der Freien Scholle steht heute sein Denkmal, gesetzt aber nicht dem Baumeister oder Flugpionier, sondern dem Gründer und langjährigen Vorsitzenden der Genossenschaft.

Die Kolonie "Eden" - der Name als Programm für das verwirklichte Paradies aus Lebensreform und Freilandbewegung - existiert ebenfalls noch heute. Und wenn das Wetter nicht so gut ist: Dann erinnern Sie sich vielleicht an die kurzlebigen Bauwerke ihrer Kindheit: Vor Lego gab es den  Anker-Steinbaukasten. Dieser und eine große Zahl anderer Baukastensysteme und Spielgeräte gehen auf Erfindungen Gustav Lilienthals zurück.

 


4. Vereinspost

Sie wissen es längst und auch wir gratulieren noch einmal herzlich und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit: Der Berliner Senat hat auf Vorschlag des Kultursenators Joe Chialo beschlossen, Sophie Plagemann ab dem 1. September 2024 zur Künstlerischen Direktorin und Vorstand der Stiftung Stadtmuseum Berlin zu ernennen. Ihre Amtszeit endet am 31. August 2029. Paul Spies scheidete als bisheriger Direktor aus.

Sophie Plagemann, geboren 1979 in Berlin, studierte an der Humboldt-Universität und ist seit 2020 als Bereichsmanagerin der Sammlung im Stadtmuseum tätig. Seit Oktober 2023 leitete sie bereits kommissarisch in Teilzeit die Künstlerische Direktion.

Kultursenator Chialo lobte ihre fachliche Kompetenz und ihre Kenntnisse des Museums, insbesondere in Hinblick auf das Museumsquartier am Köllnischen Park, das 2028 eröffnet wird. Er dankte Paul Spies für seine erfolgreiche Arbeit, vor allem für den Masterplan und die Ausstellung "Berlin GLOBAL".

Plagemann freut sich darauf, Berlins Geschichte noch zugänglicher zu machen und mit dem Team des Stadtmuseums weiterzuarbeiten.

 

k 2024 heft 3Mitteilungen - 2024 Heft 4
120. Jahrgang, - Heft 4, Oktober 2024

Titel: Das alte Berliner Rathaus mit der Gerichtslaube, Gemälde von Carl Graeb, 1867. Stiftung Stadtmuseum Berlin

 

k berliner geschichte juli 2024Berliner Geschichte 39, Oktober 2024
Sterben und Tod in Berlin

 

 

 

 

 


5. UffjeLESEN

Von Humboldt, Alexander: Politischer Versuch über die Insel Kuba, hrsg. von Vera Kutzinski, Ingo Schwarz, Ottmar Ette, Metzler, 2024

Der Band präsentiert die erste vollständige und originalgetreue Übersetzung dieses bedeutenden Werkes. Es gilt als eindrucksvolles Dokument von Humboldts entschiedener Haltung gegen die Sklaverei. Die Ausgabe enthält umfassende Vor- und Nachworte, die sowohl die Bedeutung des Textes als auch die Besonderheiten der Übersetzung erläutern. Humboldts Essay, der ursprünglich in Französisch unter dem Titel „Essai politique sur l’île de Cuba“ (1825–1826) erschien, bietet eine detaillierte Beschreibung und Vermessung der Insel Kuba. In Lateinamerika wird Humboldt daher oft als „zweiter Kolumbus“ verehrt. Gleichzeitig handelt es sich um eines seiner umstrittensten Werke, da er darin die Sklaverei scharf verurteilte. Diese Position löste großes Aufsehen aus, insbesondere als Humboldt öffentlich vehement gegen die einzige englische Übersetzung protestierte, die das Kapitel über die Sklaverei einfach ausgelassen und die abolitionistische Haltung des Werkes verfälscht hatte. Während Humboldt im frühen 20. Jahrhundert auf Kuba gefeiert wurde, war die erste spanische Übersetzung des Essays etwa hundert Jahre zuvor auch von den kubanischen Kolonialbehörden verboten worden. Die Brisanz dieses Textes liegt sowohl in seiner damaligen als auch in seiner heutigen Relevanz. Er zeugt von Humboldts Vision einer globalen Koexistenz, in der alle Völker und Ethnien in Frieden miteinander leben. Trotz dieser Bedeutung ist die zweibändige französische Referenzausgabe bis heute nicht vollständig ins Deutsche übertragen worden. Auch eine 2002 erschienene deutsche Fassung, die einzige neuere Übersetzung, kürzt und verändert Humboldts Originaltext. Der Band schließt diese Lücke mit einer wissenschaftlich fundierten Übersetzung der revidierten Ausgabe von 1826.

Ette, Ottmar: Mein Name sei Amo, Kadmos, 2025. Dem Autor gelingt ein spannender historischer Roman zwischen Gelehrtensatire und conte philosophique. Das Leben Anton Wilhelm Amos fächert sich in einem schillernden Kaleidoskop auf und zeigt eine faszinierende Gelehrtenpersönlichkeit im Spannungsfeld von Afrika und Europa während der Aufklärung. Flankieren können sie den Roman mit dem akademischen Text

Ette, Ottmar: Anton Wilhelm Amo, Philosophieren ohne festen Wohnsitz, Kadmos, 2014/2022

 


6. Wie war denn ditte? - Im Netz jefischt

Wir haben ein paar Thesen zur Benennung der Mohrenstraße für Sie aus dem Netz und aus Nachschlagewerken geangelt:

Das Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin nennt zwei Thesen:

Eine Vermutung bezieht sich auf die schwarzen Bediensteten, die im 17. und 18. Jahrhundert an den preußischen Höfen arbeiten mussten. Diese sogenannten "Hof-" oder "Kammermohren" wurden oft bereits als Kinder nach Brandenburg-Preußen verschleppt, um zu dienen. Die Historikerin Anne Kuhlmann-Smirnov hebt hervor, dass diese Bediensteten eine repräsentative Funktion hatten, denn sie demonstrierten Weltläufigkeit und die weiße Herrschaft der Monarchie. Daher könnte der Straßenname in Friedrichstadt den Herrschaftsanspruch des preußischen Königs bekräftigen und auf diese kolonialen Machtverhältnisse verweisen.

Eine zweite Deutung des Historikers Ulrich van der Heyden sieht in der Namensgebung eine Verbindung zu einer Delegation aus Afrika. Er schreibt, dass Ende des 17. Jahrhunderts ein Weg im Berliner Bezirk Mitte nach einer 26köpfigen afrikanischen Delegation benannt worden sei, die aufgrund eines Vertragsabschlusses bezüglich der brandenburgischen Kolonie Großfriedrichsburg nach Berlin gekommen war. Doch zu dieser These sind heute keine Quellen mehr bekannt. Belegt ist nur, dass 1684, vier Jahre vor der Projektierung von Friedrichstadt, ein Repräsentant der Küstenherrscher aus dem Gebiet des heutigen Ghana nach Berlin kam (gemeinsam mit einem Bediensteten). Es handele sich um Jan Jancke, der im September 1684 einen vom Kurfürsten unterzeichneten Schutzbrief entgegennahm. Kaupert stützt auf seiner Website die These van der Heydens: “Die Mohrenstraße ist nach einer Delegation afrikanischer Repräsentanten benannt, die im Jahre 1684 vier Monate in einem Gasthaus vor den Toren Berlins einquartiert war. Die Delegation aus der brandenburgischen Kolonie Großfriedrichsburg (dem heutigen Ghana) stand unter der Leitung des Häuptlings Janke aus dem Dorf Poqueso (heute Princess Town) und wollte nach dem Abschluss von sogenannten Schutzverträgen dem Großen Kurfürst ihre Aufwartung machen. Die Delegation wurde am Hofe achtungsvoll empfangen und genoss die Gastfreundschaft wie auch andere „fremdländische“ diplomatische Vertretungen. Das Gasthaus befand sich an einem unbefestigten Weg vor den Toren Berlins. Den Weg zum Schloss legten die Delegierten zu Fuß zurück. Dabei riefen sie bei der Berliner Bevölkerung viel Aufmerksamkeit hervor, so dass der Volksmund den Weg zwischen dem Gasthaus und dem Schloss in Mohrenweg taufte. Mit dem weiteren Ausbau der Friedrichstadt um 1700 wird die Straße offiziell in Mohrenstraße umbenannt. Bereits 1710 ist der Name „Mohrenstraße“ im ersten Stadtplan der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin dokumentiert. Die Straße entstand um 1700 bei der Anlage der Friedrichstadt. Sie wurde als Querstraße zur Friedrichstraße zwischen der Mauerstraße und dem ehemaligen Festungsgraben vor dem Hausvogteiplatz angelegt.” Für die Zeit um 1710 lässt sich ein solcher Stadtplan übrigens nicht nachweisen. In den ersten beiden Jahrzehnten des 18. Jh. gibt es keine gedruckten Berlin-Pläne, nur Handzeichnungen

Richard Schück, der Herausgeber der Dokumente zur kurfürstlichen Kolonialpolitik, betont jedoch ausdrücklich, dass nach Quellenlage lediglich zwei Westafrikaner nach Berlin kamen. Abgesehen von einer Zahlungsanweisung an Janke und seinen Begleiter sind keine weiteren Unterlagen zu diesem Besuch erhalten. Es gibt also keine Aufzeichnungen über eine Unterbringung in einem Gasthaus an der späteren Mohrenstraße.

Das Nachschlagewerk der Berliner Straßennamen von 1992 wiederum kommt zu weiteren Varianten:

Nach einer nicht spezifizierten Überlieferung bezieht sich der Straßenname auf Afrikaner, die König Friedrich I. in einem Haus dieser Straße einquartiert hatte und die dann den preußischen Regimentern als Träger zugeteilt wurden.

Und eine zweite nicht genannte Quelle bezieht sich darauf, dass hier ein Afrikaner gelebt habe, der sich im Dienst und Besitz des Markgrafen von Brandenburg-Schwedt befand und hier ein Haus für sich bauen konnte.

 


7. Wer noch nich jenuch hat

Kettenlied eines Sklaven von Clemens Brentano, 1834 (gekürzt)

Einsam will ich untergehen
Keiner soll mein Ende wissen
Wird der Stern, den ich gesehen,
Von dem Himmel mir gerissen,
Will ich einsam untergehen
Wie ein Pilger in der Wüste.

Einsam will ich untergehen
Wie ein Pilger in der Wüste
Wenn der Stern den ich gesehen
Mich zum letzten Male grüßte
Will ich einsam untergehen
Wie ein Bettler auf der Heide.

Einsam will ich untergehen
Wie ein Bettler auf der Heide
Gibt der Stern den ich gesehen
Mir nicht ferner das Geleite
Will ich einsam untergehen
Wie der Tag im Abendgrauen.

Einsam will ich untergehen
Wie der Tag im Abendgrauen
Will der Stern, den ich gesehen
Nicht mehr zu mir niedertauen
Will ich einsam untergehen
Wie ein Sklave an der Kette.

Einsam will ich untergehen
Wie ein Sklave an der Kette
Blickt der Stern, den ich gesehen
Nicht mehr auf mein Dornenbette
Will ich einsam untergehen
Wie ein Schwanenlied im Tode.

Einsam will ich untergehen
Wie ein Schwanenlied im Tode
Ist der Stern den ich gesehen
Mir nicht mehr ein Friedensbote
Will ich einsam untergehen
Wie der Mond in wüsten Meeren.

Einsam will ich untergehen
Wie der Mond in wüsten Meeren
Wird der Stern, den ich gesehen
Jemals weg von mir sich kehren
Will ich einsam untergehen
Wie der Trost in stummen Schmerzen.

Einsam will ich untergehen
Wie der Trost in stummen Schmerzen
Sollt' den Stern, den ich gesehen
Jemals meine Schuld verscherzen
Will ich einsam untergehen
Wie mein Herz in deinem Herzen.

 

Allet palletti?
Der Verein lebt durch Sie, lebt durch seine Gemeinschaft und alle seine Mitglieder. Werden Sie aktiv! Schreiben Sie uns, machen Sie mit! Wir freuen uns über Post von Ihnen, über lebhafte und anregende Diskussionen, Beiträge und Ideen.
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!