100 Jahrgänge „Mitteilungen“
Mit dem ersten Heft des Jahres 2004 beginnen wir den 100. Jahrgang der „Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins. 1884 erschien der erste Jahrgang der Hefte, nachdem der Vorstand zuvor – seit seiner Gründung 1865 – die Mitglieder durch Rundschreiben über die Tätigkeit des Vereins in Kenntnis gesetzt hatte. Kontinuierlich konnte der Umfang der „Mitteilungen“ erweitert werden. Aufsätze zur Berliner Geschichte, „Kleine Mitteilungen“ und Vereinsnachrichten, Erwerbungen für Archiv und Bibliothek des Vereins waren ihr Inhalt. Wenn auch heute der Inhalt vieler Beiträge in Hinsicht auf ihr Thema wissenschaftlich überholt ist, weil Jahrzehnte weiterer Forschungen im Ergebnis frühere Feststellungen einschränkten oder verwarfen, wurden die „Mitteilungen“ zu einem Teil der Wissenschaftsgeschichte der Berlin-Forschung. Darüber hinaus finden sich in den Details der Beiträge wertvolle Hinweise zur Topographie der Stadt, zu Leben und Werk der Forschenden und zu deren jeweiligen geistigen und politischen Gebundenheit. Insbesondere die frühen Jahrgänge stellen bis in die Gegenwart eine Fundgrube für alle dar, die zur Geschichte Berlins forschen, weil zahlreiche Themen der Berliner Geschichte ausschließlich in den „Mitteilungen“ behandelt wurden. Das belegen die vielen Zitate in den Publikationen der vergangenen Jahrzehnte.
Einige Hinweise auf die ersten Jahrgänge der „Mitteilungen“ mögen einen Eindruck geben: Berichte über die Gründung und Entwicklung des Königlichen Heroldsamtes (1, 1884, S. 28 ff.), die Biographie längst vergessener, damals populärer Theaterschauspieler (Lavallade: 1, 1884, S. 30 f.) und neu aufgefundene oder erstmals veröffentlichte Quellen zur Berliner Geschichte prägten die „Mitteilungen“ der ersten Jahrgänge. Nicht nur für Genealogen dürften die Listen der auf den Berliner Friedhöfen bestatteten Adligen und hervorragenden Personen des Bürgerstandes interessant sein. Dasselbe gilt für die regelmäßig verfaßte „Berliner Todtenschau“. Viele Einzelfragen, die Forschende unserer Zeit zu Personen und Orten Berliner Geschichte stellen, finden Antworten in den manchmal nur wenige Sätze umfassenden „Kleinen Mitteilungen“. Traurig stimmt der Blick in die Rubrik „Vermehrung der Sammlungen des Vereins“: Hier haben die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs nicht mehr zu schließende Lücken in den Bestand von Bibliothek und Archiv des Vereins für die Geschichte Berlins gerissen.
Verlegt wurden die „Mitteilungen“ vom ersten Heft 1884 an bis zum vorläufig letzten im Zweiten Weltkrieg im Verlag E. S. Mittler & Sohn, der sie als „Königliche Hofbuchhandlung“ auch vertrieb. Der Firmensitz befand sich in der Kochstraße 68-71. Der Verlag war 1816 von Ernst Siegfried Mittler (1785 Halle – 1870 Berlin) auf der Grundlage der von seinem Schwiegervater Wilhelm Dieterici übernommenen Firma begründet worden.
1848 setzte Mittler seinen Sohn Ernst Siegfried Wilhelm als Teilhaber ein, und der Verlag firmierte fortan unter „E. S. Mittler Sohn“. Nach Ernst Siegfried Mittlers Tod im Jahre 1870 führte der Schwiegersohn Theodor Töche die Arbeit fort. Von den wirtschaftlich schwierigen Jahren nach 1920 zeugen die „Einschaltblätter“, die 1922 die Hefte teilweise ersetzen mussten. Allein durch Geld- und Sachspenden engagierter Mitglieder war es dem Verein möglich, Nachrichten an die Mitglieder weiterzugeben. 1923 machte der Vorstand bekannt, dass die „Mitteilungen“ bis auf weiteres eingestellt werden müssten. Der Jahresbeitrag wurde mit „5 Fernbriefmarken“ im Wert des jeweils gültigen Posttarifs angesetzt und belief sich laut Einschaltbrief Nr. 7/8 auf 375 000 Mark!
Das erste Register der „Mitteilungen“ erschien übrigens zum 25. Jahrgang der Hefte, im Jahr 1909. Es enthält außer den Personennamen auch die Stichworte aus den Beiträgen. Wie schwierig dieses Unterfangen schon damals empfunden wurde, beschreibt der Herausgeber Rüdiger von Schoeler in seiner Vorrede: „Wenn dem Forscher und Kritiker manches Stichwort nicht ganz zweckmäßig gewählt und eingereiht erscheint, so mögen sie bedenken, daß sich die verschiedenen Standpunkte bei der Benutzung eines Registers nie ganz decken werden, ja daß der eigne Standpunkt je nach der Veranlassung ein wechselnder sein wird.“ Erweitert wird das Register durch alphabetische Verzeichnisse der Besichtigungen und Wanderungen, die der Verein unternahm, sowie der Abbildungen. Es besteht die Absicht, dieses Register wie auch die folgenden in absehbarer Zeit allen Interessierten auf der Website des Vereins zur Verfügung zu stellen. Vor 38 Jahren schrieb der damalige Vorsitzende des Vereins für die Geschichte Berlins, der Naturwissenschaftler Professor Dr. Dr. Bruno Harms (Berlin 1890–1967)1, zur Wiederaufnahme der Herausgabe der „Mitteilungen“:
„Mit dem vorliegenden Heft werden die Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, die von 1884 bis 1943 in regelmäßigen Abständen unseren Mitgliedern und Freunden sowie den mit uns im Austauschverkehr stehenden Geschichtsvereinen, Bibliotheken und ähnlichen Instituten zugestellt wurden, in neuer Folge herausgegeben. Sie werden kürzere wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte Berlins, sowie Berichte über die Vorträge, Veranstaltungen und die sonstige Tätigkeit des Vereins erhalten, wie es in den sechzig Jahrgängen der alten Reihe Tradition geworden war. Allen Beteiligten sollen sie ein lebendiges Bild von der Arbeit und dem Wirken des Vereins vermitteln. Sie werden dazu beitragen, das Band zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern in Berlin und den auswärtigen Mitgliedern und Freunden der Stadt im In- und Auslande weitgehend zu pflegen und zu festigen.
Die gesammelten Jahrgänge der Mitteilungen sollen, wie in der Vergangenheit, eine Jahresübersicht über die wissenschaftlichen Leistungen und die praktische Arbeit des Vereins vermitteln. Die Mitteilungen der früheren Jahrzehnte waren ein Bestandteil der Geschichtsschreibung unserer Stadt. Sie haben hervorragende Bedeutung als Quellenmaterial für die Geschichtskunde Berlins erlangt. Es wird das Bestreben des Vorstandes und der Schriftleitung sein, an die Tradition anzuknüpfen und in der Zukunft die Kulturund Erinnerungsstätten Alt-Berlins in den Kreis der Berichterstattung über die mehr als 700jährige Geschichte unserer Stadt wieder einzubeziehen. Bei diesem Vorhaben bitten wir unsere Mitglieder und Freunde uns zu unterstützen.“ Dieser Aufruf gilt auch für die nächsten 100 Jahrgänge.
Anmerkungen
1 Zu Harms vgl. den Nachruf von Walter Hoffmann-Axthelm in: „Mitteilungen“ N. F. 10, 1967, S. 122–123.
Anschrift der Verfasserin:
Dr. Gerhild H. M. Komander, Togostraße 79, 13351 Berlin