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Allgemeine Fragen zur Geschichte Berlins

THEMA:

9.November - 18 Jahre Mauerfall/ Maueröffnung 09 Nov 2007 18:09 #1194628186

  • Ralf Dose
  • Ralf Doses Avatar Autor
Sicher hat doch der/ die ein- oder andere von Ihnen/ Euch etwas interessantes zu diesem Thema beizutragen oder als Nicht-Berliner, bzw. Spätgeborener Fragen dazu?

Ich mach auch gerne den Anfang...

Ich bin 1968 in Berlin-Kreuzberg geboren und in Steglitz-Südende aufgewachsen. Im Alter von 14 Jahren besuchte ich anläßlich eines 2.Liga-Spiels von Eisern Union zum ersten Mal alleine den sogenannten Ost-Teil meiner Heimatstadt. Im Folgenden entwickelten sich zahlreiche Kontakte und auch Freundschaften zu den Landsleuten "drüben", d.h. auch, aber nicht nur zu "Ost"-Berlinern, sondern auch zu anderen DDR-Bürgern, von Mecklenburg bis nach Thüringen und Sachsen.

Man konnte in den "Wechselstuben" "West"-Berlins für 1 DM etwa 7 DDR-Mark bekommen, was man natürlich auch nutzte..., gut versteckt in den Socken lud man so seine Freunde drüben oft ein, nein, keine Sorge, ich hab dabei NICHT geprotzt und den reichen Macker gespielt, der ich ja auch nicht war. Jedenfalls sei ein Kommentar eines Freundes aus LÄÄÄPZSCHG (Leipzig) noch beispielhaft erwähnt - Als man zusammen gegen 1.50 Uhr nachts am Übergang Friedrichstraße ankam, wohl wissend, daß eben der gute Leo nicht mit der S-Bahn zu mir mit fahren konnte, sagte er (recht laut und auf sächsisch, was ich dann aber mal gleich ins Berlinerische übersetze...): "Och nee, dit is ma zu voll hier, ick komm morjen nochma wieda!!!"

Es folgten ungezählte (ZWANGSLÄUFIG EINSEITIGE) Besuche, (viel zu oft ABGEFANGENE Briefe), (nach dem 125mal wählen endlich verbundene) Telefonate usw., bis ich dann 1988 "Einreiseverbot" in die DDR bekam. BEGRÜNDUNG: KEINE, DAUER: UNBEKANNT! Toll...!
(Meine Vermutung ist, daß die damals bestehende Fanfreundschaft Hertha/Union mit allen Mitteln behindert werden sollte) Es gab auich Fußballfans aus dem "Westen", die "Transitverbot" hatten oder direkt von der Stasi verhaftet wurden.

Was es NICHT gab, waren die Begriffe "Ossi" und "Wessi" im späteren Sinne! Denn damals waren "Ossis" noch Ostfriesen oder Osnabrücker und "Wessis" nur Bürger der BRD, jenseits der Elbe, aber keine Berliner. Und DDR-Bürger hießen allenfalls liebevoll "Zonis". Jenen og. "Wessis", sowie auch meinen "Ösis" und sonstigen "Touris" zeigte ich oft nachts die Maueranlagen u.a. in Frohnau oben, mit der schummrigen Beleuchtung, dem Hecheln der Wachhunde und Waldspaziergang inklusive oder Raritäten, wie Steinstücken, die abgedunkelten, leeren U-Bahnhöfe usw. Mancheinen schien das doch sehr zu verwirren, so meinte doch ein Rheinländer auf einem Hügel in Staaken mit dem abendlichen Blick über die Mauer weg zu mir: "Seit wann geht denn die Sonne im Osten unter?" Und war man selbst "Touri", was hörte man ständig: "Sach ma, biste aus West- oder aus Ost-Berlin", bzw.meist kamen diese Ahnungslosen aus aller Welt nur bis zum "West-oder", denn spätestens an dieser Stelle kam schon ein deutlich betontes, prinzipielles "SÜÜÜD!!!" von mir als Antwort zurück!

Nun ja..., an jenem Tag, wo die meisten Menschen noch genau wissen wo sie, bei wem und warum waren, lag ich zunächst mit meinem Kater Gismo friedlich auf dem Sofa und sah in den 19.00 Uhr-Nachrichten jene Pressekonferenz des Schabowsky. Ich dachte mir noch, nun ja, alles schön und gut, aber die Mauer steht ja trotzdem noch... Doch dann kam das Heute-Journal oder auch die Tagesthemen, ich weiß es nicht mehr und dort stand ein Reporter an der Bernauer und meinte nur, dort stünden etwa eine Handvoll bis ein Dutzend Berliner und würden auf den ersten Trabbi warten... ES MACHTE: HUCH!!!

Ich also rein ins Auto, ab zum Brandenburger Tor und -ich schwöre-ich kanns nur nicht beweisen- ich war in DIESER Nacht, der ERSTE, der DORT auf der Mauer druff stand, in beiden Händen einen schwarz-rot-goldenenen Schal, Marke, selbstgewebt und an beiden Enden bis zum Boden hängend..., Dort wurde ich dann von der "West"-Polizei (2 Mann anwesend) aufgefordert, doch dieses an dieser Stelle nur etwa 2 Meter hohe, aber 1 Meter oder mehr tiefe, Gebilde zu verlassen, "man könne nicht für meine Sicherheit garantieren"..., nun mir war mein Leben schon damals egal und ich genoß noch ein wenig die Aussicht. Etwa 50-60 Anwesende applaudierten mir, warum wissen die Götter..., damals hieß ich noch Müller, trug ein T-Hemd "Ich war eine Flasche" und nun bin ich eine Dose, aber ich schweife ab...

Von dort aus bin ich dann zur Invalidenstraße, wo doch schon etwa 3-500 "West"-Bürger waren, davon geschätzt ein Drittel auf dem ersten Teil des Überganges, bereits mit den drei Wachhabenden der DDR am verhandeln, wer denn nun die Mütze bekommt und was sie dafür haben wollen usw. Aufgrund einiger Schikanen, die natürlich auch "West"-Bürger erlitten (Besucherstellen, Visa, Einreiseverbote usw.) erklang bald der Ruf "WIR WOLLEN REIN!!!, nein man wollte nicht in die DDR auswandern, man wollte einfach nur rüber, in EINER Stadt, EINER Straße, den Ortsteil wechseln. Und irgendwann sagte jemand neben mir zu mir: "Komm, wir stürmen das Ding jetzt, die drei Mann halten uns nicht auf". Kurzer Blick nach rechts und links und tatsächlich stürmten die ertstbesten 20 - 30 Normalbürger aus dem "Westen" diesen Übergang von der (auch geografisch gesehen) Westseite aus, der Rest spazierte hinterher. Die sich in Zweierreihen ordentlich und brav angestellten DDR-Bürger scherten nun seitlich und nach vorne aus und drückten die Schranke auf ihrer Seite nach oben, es war geschafft!!!

Nun hing mein Schal auf dem Gepäckträger des ersten Trabbis und die Feier, in diesem Falle ein wahres Volksfest, konnte beginnen und meine Buchte zu hause lief über! Nur zum pennen kam man nicht mehr!!!

Liebe Grüße,
Ralf Dose, Berlin (Steglitz-Südende)