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Allgemeine Fragen zur Geschichte Berlins

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Re: Name des Brandenburger Tors 13 Apr 2011 18:21 #1302711714

  • Henning Roß
  • Henning Roßs Avatar Autor
Sehr geehrter Herr Mende,
vielen Dank; das ist ja ausgesprochen interessant ! Es lohnt sich doch offensichtlich immer, "ad fontes" zu gehen. Die von Ihnen entdeckte Information steht in keiner der vielen von mir durchgesehenen Tor-Monographien der 1990er und 2000er Jahre: Arenhövel & Bothe, Cullen & Kieling, Demps (1991; 2003), Feist, Stiftung Denkmalschutz Berlin, Stratenschulte, Zimmer & Paeschke ...
Was allerdings an dem Artikel aus dem Jahre 1734 auffällt und (mich zumindest) irritiert: Während die nicht weiter begründete Namensgebung beim Potsdamer und Halleschen Tor sofort einleuchtet, bleibt sie beim Brandenburger Tor nach wie vor unklar; vor allem, wenn man sich an Laurenz Demps' Satz von 1991 über die Straße Unter den Linden vor 1734 erinnert: "Für die inneren Verkehrsbeziehungen der Stadt und ihrer Ein- und Ausgänge blieb diese Achse zunächst bedeutungslos, denn hinter dem Tiergarten endeten die Verkehrswege abrupt."
Also bleibt die Frage: warum ausgerechnet hier ein "Brandenburger" Tor ? Es kann doch nicht wirklich die Stadt Brandenburg a.d. Havel gemeint gewesen sein, die ja gar nicht in dieser Himmelsrichtung liegt !
Es blieben eigentlich nur noch die Provinz Brandenburg oder das kurfürstliche "Haus Brandenburg" als Namensgeber übrig - aber auch das will mir nicht zu diesem doch gar nicht so repräsentativen Tor von 1735 passen ...
Also nach wie vor alles offen .... ???
Mit freundlichem Gruß und in stiller Hoffnung auf eventuelle weitere Diskussionsbeiträge,
Henning Roß (Berlin)

Re: Name des Brandenburger Tors 02 Apr 2011 16:09 #1301753353

  • Martin Mende
  • Martin Mendes Avatar Autor
In Nr. 46 der Wochenzeitschrift "Wöchentliche Berlinische Frag- und Anzeigungs-Nachrichten" aus dem Jahre 1734 wird unter "Avertissement von Sachen in Berlin" bekanntgegeben:
"Demnach Se. Königl. Maj. in Preußen, unser allergnädigster Herr, allergnädigst befohlen haben, daß hinkünfftig und von dato an, die Steinern Brücke, nicht mehr Steinern Brücke, sondern das Hallische Thor: die Schaaf-Brücke, nicht mehr Schaaf-Brücke, sondern das Potsdamer Thor: und die Thiergarten-Brücke nicht mehr Thiergarten-Brücke, sondern das Brandenburgsche Thor, genant werden sollen, zu dem Ende auch an diesen Neuen Thoren die Nahmen von Blech zu jedermanns Nachricht sind angeschlagen worden; Als wird solches hierdurch jedermänniglich bekandt gemachet, um sich gehorsamst darnach zu achten und vorgemeldete Thore wie gedacht worden ist, zu bennennen. Berlin den 30. Octob. 1734."
Die Zeitung von 1734 ist in Berlin nicht mehr vorhanden, nach der Zeitschriftendatenbank aber in der Universitätsbibliothek Halle. Der Text ist aber wiedergegeben in den Berlinischen Blättern für Geschichte und Heimatkunde 1934, S. 200.
Mit Tiergartenbrücke war einst eine Brücke über einen Graben benannt, der die Straße Unter den Linden in Höhe der Schadowstraße querte (Hornwerksgraben). Im Zuge der Erweiterung der Dorotheenstadt Richtung Westen von der Schadowstraße bis zum heutigen Tiergartenrand wurde der Vorgängerbau des heutigen Brandenburger Tores an heutiger Stelle neu errichtet. Von diesem alten Tor gibt es eine Radierung von Daniel Chodowiecki von 1764. Der Name Brandenburger Tor ist also unmittelbar mit der Festlegung der Akzisemauer seit 1735 verbunden. In der erwähnten Wochenzeitung taucht erstmals in der Nr. 23 von 1735 der Name Brandenburger Tor im Zusammenhang mit dem Besuch eines prominenten Reisenden auf: "Ihre Hoheit der Cron-Printz, mit seinem Regiment, von Ruppin". Hier ist mit Sicherheit schon die Passage durch den neuen Torbau an der heutigen Stelle gemeint.

Name des Brandenburger Tors 20 Okt 2010 21:17 #1287602222

  • Henning Roß
  • Henning Roßs Avatar Autor
Liebe Forum-Teilnehmer,
folgende Frage möchte ich hier einmal aufwerfen: Hat das Brandenburger Tor (B.T.) seinen Namen wirklich von der Stadt Brandenburg/Havel ?
Stadttore wurden ja eigentlich immer nach denjenigen nächstgelegen größeren Städten benannt, zu denen die Straßen aus den Toren hinausführten. Und so steht denn auch in allen Broschüren und Monographien über das B.T., daß von dort die Straße nach der Stadt Brandenburg/Havel ausging, ohne daß dies näher begründet wird !
Ich selber als alter "Rucksack-Berliner" wurde erst von einem auswärtigen Verwandten darauf hingewiesen, daß dies doch gar nicht schlüssig sei, denn die aus dem Tor nach Westen führende Straße ging ja ursprünglich über das "Knie" (Ernst-Reuter-Platz) lediglich nach Lietzow/Charlottenburg und weiter nach Spandau. Die heutige B 5 gab es damals noch nicht, und außerdem führt sie heute letztlich nach Hamburg. Da mußte ich ihm erst einmal recht geben.
Meine Recherchen ergaben: Hans Mundt beschreibt 1932 in seinem Buch über die brandenburgischen Heerstraßen zwei mittelalterliche Straßen von Berlin nach Brandenburg/Havel: eine nördliche über Spandau, Wustermark und Tremmen sowie eine südliche über Tempelhof, Teltow, Saarmund, Lienewitz und Lehnin (also noch unter Umgehung der "Insel Potsdam"). Die zugehörigen Alt-Berliner Stadttore dürften demnach das Spandauer Tor bzw. das Gertraudentor gewesen sein.
Bei Friedrich Nicolai (1769) kann man dann lesen, daß auch zu seiner Zeit noch die alte nördliche und dann aber eine modifizierte südliche Strecke befahren wurden: die südliche ging jetzt über Zehlendorf, Potsdam und Groß Kreutz. Leider schreibt Nicolai nicht, wo die Postkutschen Berlin verließen.
Zu dieser Zeit gab es bereits die "vorgeschobenen" neuen Stadttore, z.B. das Hamburger Tor vor dem alten Spandauer Tor, das B.T. und das Potsdamer Tor. Bei Laurenz Demps steht in seiner Tor-Monographie, daß das erste B.T. bei seiner Errichtung 1734 "Thiergarten-Thor" geheißen habe - was auch völlig einleuchtet; nur: noch logischer wäre wirklich der Name "Charlottenburger Tor" gewesen ! L.Demps schreibt dann, daß der Zeitpunkt der Umbenennung sich aktenmäßig nicht sichern ließ. In anderem Zusammenhang berichtet Demps, daß alle auf das B.T. bezüglichen alten Bauakten offensichtlich 1945 verlorengegangen seien. Bei Friedrich Nicolai (1769) heißt das Tor jedenfalls schon nur noch B.T.
Was könnte nun ausschlaggebend für die Umbenennung gewesen sein ? Die Postkutschen nach Potsdam (und von da weiter) gingen vor 1789 natürlich vom Potsdamer Tor auf die Landstraße, wie in der Tor-Monographie der Stiftung Denkmalschutz Berlin (2003) zu lesen ist. Erst danach wurde eine Chaussee vom Platz vor dem B.T. durch den Tiergarten in Richtung Potsdam angelegt, und die Kutschen in Richtung Potsdam standen dann vor dem B.T. Nur: nicht die Stadt Brandenburg/Havel war ja - vom Tor aus gesehen - die nächste größere, ohne Zwischenhalt erreichbare Stadt, nach der das Tor regelgerecht hätte benannt werden müssen, sondern Potsdam. Also hätte man das B.T. eigentlich in Potsdamer Tor umbenennen müssen und das Potsdamer Tor meinetwegen in Teltower Tor ! Dagegen trägt das Brandenburger Tor in Potsdam seinen Namen jedenfalls völlig zu Recht !
Unklar ist übrigens auch, wie die Chaussee vom B.T. aus "durch den Tiergarten" verlief. War es die heutige Ebertstraße, die (vom Tor scharf abknickend) am Tiergarten nur tangential anliegt und nach nur 750 Metern das Potsdamer Tor erreicht(e) ? Oder durchschnitt die Chaussee den Tiergarten wirklich schräg (Trasse etwa Ahornsteig - Viktoriastraße) und mündete dann erst am Landwehrkanal in die bestehende Potsdamer Straße, die vom Potsdamer Tor ausging ?
Also alles unklar ... Welche anderen "Brandenburgs" kämen eventuell noch für die Tor-Benennung in Betracht? Etwa das Land Brandenburg ? Oder gar das damals regierende "Haus Brandenburg" (= Haus Hohenzollern) ?
Haben inzwischen vielleicht neuere Forschungen (trotz Aktenverlust) ein eindeutiges Ergebnis erbracht ?
In gespannter Erwartung mit freundlichem Gruß, Henning Roß (Berlin)