Ich recherchiere seit längerem die Berliner Schachgeschichte und daher sind mir die Cafés "Zielka" und "Moka Efti" ein Begriff. Ich hoffe, ich kann mit etwas "Atmosphäre" zur Aufklärung beitragen.
Der Webmaster des Berliner Schachverbandes, Frank Hoppe, schreibt 2006 in "Berliner Schachzettel 61: Wer war Kerkau ?:
"... Das Café Kerkau war an der Friedrichstraße 59/60, Ecke Leipziger Straße beheimatet. Hier war 1887/89 im Auftrag der New Yorker Lebensversicherungsgesellschaft Equitable vom Architekten Carl Schaefer der "Equitable-Palast" errichtet worden. Im ersten und zweiten Geschoß war das Café Kerkau zu Hause. Der erste Stock besaß einen Damen-Salon. Hier wurde auch zum Tanz aufgespielt. Und Billard wurde im Café Kerkau gespielt. Später zog in die Räumlichkeiten das Café Zielka Equitable mit Billard und Kleinkunst ein, und seit 1929 das berühmte Tanz-Café Moka Efti mit Swingmusik. Bands wie die von James Kok traten hier auf. Ihr "Where's the tiger" war damals ein Riesenhit. Rudolf Elstner war vor dem 2.Weltkrieg jahrelang Leiter des Schachsaales im Moka Efti."
... und er war Mitglied meines Schachvereins "Schachclub Kreuzberg" und "nach dem Krieg" Berliner Meister. Er starb am 12. 8. 1966.
Die Freie Schachvereinigung (FSV) führte im November 1926 ein Internationales Meisterturnier durch: "Das Turnier, das vom 17.-29.November in Berlin im Café Zielka stattfand, ..."
Siehe: Dr. F. Palitzsch in Deutsche Schachzeitung, Nr.12, Dezember 1926, S. 359/360.
Bernhard Kagan gibt abweichend zur DSZ den Turnierzeitraum 16.11. bis 28.11. 1926 im Turnierbuchtitel (Verlag Bernhard Kagan) an. Auch der Turnierort weicht namentlich ab:
"Aus Anlass des 60. Geburtstages von Bernhard Kagan, veranstaltete die "Freie Schachvereinigung Berlin" ein internationales Turnier, welches in der Zeit vom 16. bis 28. November in den Räumen des Café Equitabel Palast in der Friedrichstr. 59 gespielt wurde. ... Gespielt wurde von Mittags 12 Uhr bis weit nach Mitternacht."
Kagan-Zitat in: Helmut Wieteck, Schach-Mekka Berlin in den "roaring twenties", Verlag Rochade Europa 1995, S. 115, ISBN 3-920748-18-2.
Teilnehmerfoto gibt es auf:
www.rogerpaige.me.uk/historical_photographs.htm
Der FSV gibt als Postanschrift Ende 1926 bereits an: "Café Equitable Palace", Friedrichstr. 59 an.
"Café Equitable Palace" oder, eher berlinerisch, "Equitabel Palast" wäre daher möglicherweise der gesuchte Name.
Ich vermute mal frech: am "Café Equitable Palace" hing Ende November 26 noch Aussenwerbung des gerade Konkurs gegangenen "Café Zielka". Vielleicht entstand die Abweichung um einen Tag, im geplanten Turnierablauf, sogar durch den zeitnahen Konkurs des "Zielka"? "Pleite irgendwann in 1926" ist allein schon statistisch für 1926 ein abschätzbarer Einfluß. Der Bauherr und wohl auch Eigner des Gebäudes hätte dann unter dem eigenen Label "Equitable" das Café weitergeführt, bis sich ein neuer Interessent fände. Es gab vielleicht damals keine Leerstandsrabatte auf die Grundsteuer, anders als heute, und das "Cafe Zielka" liesse man aus verschiedenen Gründen auch noch etwas länger an der Fassade. Man ginge als Schachspieler sicher gern noch weiterhin in's "Zielka" auch wenn keine, vielleicht sogar niemals, Aussenbeschilderung darüber aufklärte, dass das Café tatsächlich längst wahlweise unter "Equitabel Palast" oder "Equitable Palace" firmierte. Auch heute verschwindet mit einem Pleite-Kaufhaus nicht gleich sein Aussenschriftzug am Gebäude, auch wenn sofort ein "Schnäppchenmarkt" darin "Rabatt!" schreit. Auch die Tatsache, dass Kagans Gönner, der Fürst zu Hohenlohe kurz vorher starb und die "Direktion des Caféhauses" mit den FSV-Veranwortlichen schnell eine Ersatzfinanzierung austüftelten mag ursächlich sein. Hierzu: Deutsches Wochenschach und Berliner Schachzeitung Nr.9/10 vom 6.März 1921, S.55
"Berlin ist keine Stadt, sondern Berlin gibt nur den Ort dazu her, wo sich einige Menschen, und zwar viele von Geist, versammeln, denen der Ort ganz gleichgültig ist." (Heinrich Heine, 1797 - 1856) Treffend formuliert, Heinrich!
Weiter schreibt Bernhard Kagan im Turnierbuch "Internationales Schachturnier in Berlin 1926", S. 11-13, als Sammelband mit zwei weiteren Turnieren, Hannover 1926 und Semmering 1926 erschienen bei Edition Olms, Zürich, 1989, Band 83 der Reihe Tschaturanga. ISBN 3-283-00141-3.: "In der ersten Etage dieses erstklassigen Etablissements, in dem die Vereinigung ihren Sitz hat, befindet sich ein Varieté, dessen Vorführungen von den Mitgliedern und ihren Angehörigen kostenlos besucht werden können." Was die Turnierteilnehmer auch gern taten. "Von Jahr zu Jahr müssen die schönen Räume, die den Schachspielern zur Verfügung stehen, erweitert werden, da die Zahl der Besucher immer größer wird."
Ebenfalls unter der Adresse Friedrichstr. 59/60 firmierte auch der mit dem FSV seit Anfang an verbundene "Schachheim e. V." (23.01.1921-1933). Deutsches Wochenschach und Berliner Schachzeitung Nr.9/10 vom 6.März 1921, S. 55. Schon gewieft, wenn ein Verband gleich einen Verein hat, der Räumlichkeiten anmietet. 8-/
Der FSV führte auch in den folgenden Jahren Turniere durch.
Ende Mai 1927: alle 15 Partien, gespielt im "Café Equitable Palace"! Wieteck, aao., S. 131.
Juli 1928 Tabelle in: Bachmann, Schach-Jahrbuch 1928, S.15f, 8 von 15 Partien; Spielortname noch nicht recherchiert, aber Friedrichstr. 59/60 ist anzunehmen. Auch Schachfreund Elstner sitzt wieder am Turniertisch. Wieteck schreibt 1995 nur über andere Turniere, denn 1928 war ein "sehr gutes Schachjahr" für Berlin.
In 1929 und 1930 sind dann 2 bedeutende Turniere im "Café Moka Efti" bzw. "Kaffee Moka Efti" angesiedelt. Aber erst kommt der Ex-Weltmeister nach Berlin.
Vermutlich Ende Juli, 1929: Ex-Schachweltmeister Capablanca beim Simultanspiel im Cafe Moka Efti 1929. Da kenne ich ein Bild in: Umkämpfte Krone, Sportverlag Berlin, 1986. Capablanca war belegt am 19. und 20. Juli in Berlin, um in einem Schaukampf mit Lebenden Schachfiguren im Lunapark anzutreten; Sein Gegner, was für ein Zufall: Rudolf Elstner. Beide Partien endeten (freundschaftlich) unentschieden schon nach 15 bzw. 17 Zügen; DSZ 8/1930, S. 236-237. Da wäre der zusätzliche Simultankampf im Tourneeprogramm gut zu Passe gekommen.
Dezember 1929: Ein schönes Turnier mit Rudolf Elstner (43 von 45 Partien habe ich)
August 1930: Ein Doppelrundenturnier, 2 Amis und 2 Berliner (alle 12 Partien): DSZ, Nr.8, August 1930, S. 237.
Im Adressbuch 1932 steht dann: Berliner Schachheim e.V., W 8, Leipziger Str. 101 - 102.
Adressbuch 1934: Nach der Gründung des Grossdeutschen Schachbundes und damit verbunden, der Umwandlung vieler Vereine in Werks-Sportgruppen: Lufthansa Sportverein, e.V., Kaffee Efti; und ebenfalls 1934 als "Ort mit täglichem Schachverkehr": Moka-Efti, Ecke Leipziger- und Friedrichstraße.
Änderungen der Postanschrift oder des Spiellokals wurden regelmäßig in den einschlägigen Schachzeitschriften (Dt. Schachzeitung, Dt. Schachblätter, etc.) angezeigt.
Vielleicht haben Sie die gut sortierte Berliner Stadtbibliothek mit ihrem alten (Schach-)Zeitschriftenbestand in erreichbarer Nähe? Ich denke, auch der Anzeigenteil in Zeitschriften wird Aufklärung bringen, wann und wer im "Equitable" oder "Moka" Unterhaltung bewarb.
Wenn ich eine zukünftige Café-Pleite einkalkulieren sollte, würde ich lieber eine GmbH, mit nur 70.000 RM Einlage, als haftendes Unternehmen vorsehen, als eine komplette AG mit 3 Mio RM ohne Zwang in Verlegenheit zu bringen. Für Geschäfte, bei denen man nicht alles riskieren will, sondern die Haftung auf einen, möglichst kleinen, Vermögensteil beschränken möchte, erscheint mir die Gründung einer selbst wirtschaftenden GmbH sinnvoll. 70.000 RM wären mir im lfd. Betrieb zum Kaffee kaufen und Miete zahlen sicherlich kreditwürdige Sicherheit. Wenn es gut läuft, werden Gewinne an die AG abgeliefert, wenn es schlecht läuft, tut es nicht mehr als 70.000 RM weh. Nach der Inflationskatastrofe von 1923 gab es ja auch in den Folgejahren keine besondere Sicherheit für die Wirtschaft. Vorsicht wäre schon angebracht gewesen!
Eine Bitte: Keinen wahnsinnig werdenden Schachspieler im Roman (altes, falsches Klischee), auch wenn dies dramaturgisch bequeme Möglichkeiten böte. Lieber: Der listige stille Held, der sich durchschlägt, auch wenn er am Schluss das Mädchen vertrödelt; das wäre schon realistischer! In der Szenerie eines herunterkommenden Cafés mit morbidem Charme, im Strudel der 20er Jahre, dann kommen Schweizer Investoren und verbreiten neue Hoffnung, jetzt schweif' ich aber ab ... Da brächte ich gern eine Leseprobe Ihres Romans auf unserer Vereinshomepage ;-)
Wietecks Buch ist m. E., für Schachliteratur unüblich, atmosphärisch gut gelungen; es (unter-)hält, was der Titel verspricht.