Inwieweit hat die Hanse zu der städtischen und wirtschaftlichen Entwicklung von Berlin/Cölln im Mittelalter beigetragen?
Von Jörg Kluge

Inhaltsverzeichnis

Teil I

1. Einleitung
2. Lübeck Stadt und Handelsplatz
2.1 Handelsverbindungen nach Osten und Westen
2.2 Das Lübische Recht
2.3 Die Deutsche Hanse: ein Städtebund?
3. Entwicklung der Handelsrouten östlich der Elbe
3.1 Die Anfänge der Doppelstadt Berlin/Cölln-Kaufmannsniederlassung an der Spree
3.2 Stadterhebung 1237

Teil II

3.3 Nur Handelsverbindungen zwischen den altmärkischen Städten?
4. Berlin/Cölln wird Mitglied der Hanse
4.1 Berlin als Hansestadt während der größten Ausprägung der Deutschen Hanse

Teil III

4.2 Niedergang Berlins in der Hanse
5. Schlussbemerkung

4.2 Niedergang Berlins in der Hanse

Ab den zwanziger und dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts begann sich die fortschreitende Stärkung der Territorialfürsten in Deutschland als auch in der Mark Brandenburg.gegenüber den Städten zu Gunsten der Landesherren zu verändern. 

Vom König Sigismund wurde der fränkische Burggraf Friedrich VI. von Hohenzollern als Statthalter eingesetzt. Seine Politik war zuerst gegenüber den Städten moderat, indem er militärisch gegen das Raubrittertum des Adels und gegen die Pommern ins Feld zog und sich durchsetzte.
Im Jahre 1411 erhielt Friedrich VI., umbenannt in Friedrich I., die Mark Brandenburg als Kurfürstentum zu Lehen.
Auch die wendischen Städte sahen sich dem landesherrlichen Druck ausgesetzt.

Die Lübecker Hansetage von 1418, 1430 entwickelten einen Vertrag gegen jede fürstliche Willkür, einer sogenannten Tohopesate ("Zusammenschließung"), die auch eine militärische Unterstützung vorsah. Diese wurden 1434 beschlossen, 1441 erneuert, 1443 ratifiziert, nur auf die Städte des lübischen Drittels beschränkt, verlängert um dann doch das Interesse an einerTohopesate nach 1494 zu verlieren. Das Stadium einer auf Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Gemeinschaft konnte nicht überwunden werden.[1]

Die märkischen Städte verbanden sich in den dreißiger Jahren zu territorialen Einungen.1441 kam es zu Spannungen zwischen den Ratsgeschlechtern und der meynheyt (der Bürgerschaft) in Berlin-Cölln. Der Kurfürst nutzte die innerstädtische Zwietracht, er beseitigte die Union von 1432, brach die Autonomie der Stadt und mit ihr die patrizische Stadtherrschaft. Er entzog die freien Ratswahlen, das Bündnisrecht, die Niederlage, die Gerichte. In beiden Städten wurden getrennte Räte eingesetzt. Die Stadt Cölln musste einen Bauplatz zur Errichtung einer Zwingburg bereitstellen.
Im Juni 1434 berief Lübeck einen neuen Hansetag, zu dem Berlin noch erscheint, vertreten durch den "radman Johan Glineke van dem Berlyne".
Den Verlust der Autonomie wollten Berlin und Cölln nicht akzeptieren. Im Bewusstsein der hansischen Tohopesaten und Bündnisbewegung glaubte man an Unterstützung. Dies führte 1447/1448 zum "Berliner Unwillen".[2]

Dem Rat blieb nichts anderes übrig, als die 1442 geschaffene Ordnung, verursacht durch den Druck des Kurfürsten, anzuerkennen. Da Berlin deswegen am Hansetag von 1450 nicht teilnehmen konnte und von diesem der Ausschluss angedroht wurde teilte Berlin-Cölln 1452 offiziell seinen Austritt aus der Hanse mit. Im Verlauf der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts endete praktisch auch die Mitgliedschaft der anderen brandenburgischen Städte.[3]

Bis 1518 nutzt Berlin aber noch die hansischen Privilegien (Europäisches Hansemuseum). Mit der Vollendung des Cöllner Schlosses 1451 und der Etablierung der wichtigsten Institutionen der Landesverwaltung in Berlin begann ein neues Kapitel in der Geschichte der Stadt. Einerseits war Berlin aus eigener Kraft politische Hauptstadt des Landes geworden, andererseits durch landesherrliche Politik Kurfürst Friedrich II. Landeshauptstadt der Mark Brandenburg und kurfürstliche Residenz, dies jedoch nur wider Willen.[4]

5. Schlußbemerkung
Die etwa 180 Jahre dauernde hanseatische Mitgliedschaft, die Ausprägung wirtschaftlicher Entwicklung der Doppelstadt Berlin und Cölln war ein Ereignis zum Vorteil der Stadt und seiner Bürger. War dies tatsächlich so? Meine Intention war es die Phasen die dem gemeene copmann und der Dopppelstadt in der Mark Brandenburg, im Handel und zum städtischen Aufstieg in seiner Entwicklung, aufzuzeigen.
Die Fernhandelskaufleute, dem "Ruf des neuen Absatzmarktes" in einem unbekannten Territoriums folgend, suchten hier einen neuen Handelsplatz den sie zwischen Teltow und Barnim auch an der Spree fanden (siehe Abschnitt 3.und 3.1).

Es muss auch bedacht werden, dass es vor der askanischen Eroberung bereits einen Handel mit slawischen Stämmen gab. Nur soviel ist festzuhalten, dass diese günstige Lage nicht dazu führte dass es in der Slawenzeit bereits eine Ansiedlung gab.

Wie wir gesehen haben ist im Zuge der gewaltsamen Landnahme und Ansiedlung deutscher Bauern und Bürger durch deutsche und slawische Feudalherren und die Kirche an dem günstigen Spreeübergang frühzeitig eine kaufmännisch-gewerbliche Niederlassung entstanden.[5]

Machen wir einen Sprung in die prosporierende Stadt Berlin-Cölln, die sich im Fernhandel ökonomisch entwickelte und im Hanseverband eine solide Stellung einnahm. Vollzieht die Doppelstadt in der Stadtentwicklung sowohl Flächenmäßig als auch politisch ihre Selbständigkeit. Dies kommt zum Ausdruck das führende Kaufmannsfamilien-das Patriziat-im Rat das politische Sagen haben.
Dies geht eine gewisse Zeit gut bis städtische Unruhen immer mehr zunehmen.Die vier Berliner Gewerke Fleischer(Knochenhauer), Tuchmacher(Schneider), Schuster und Bäcker wollen im Rat mitbestimmen.
Erst mit dem Eingreifen des Landesherren können die vier Gewerke mitbestimmen.

Zurück zu meiner Überlegung: "War der Wohlstand tatsächlich für alle Bürger?"
Halten wir fest, der städtische Charakter ist vorhanden, der Handel blüht. Hauptsächlich Roggen, Holz werden nach Brügge, Gent und Löwen verkauft. Berliner Kaufleute kaufen kostbare Tuche und andere Luxusgüter für den heimischen Markt oder den Weiterverkauf.[6]

Freilich der Adel, das höhere Bürgertum kauft hauptsächlich in Brandenburg oder weiter östliche in Polen diese Kostbarkeiten. Diese Händler erwerben Reichtum und wirken im Rat mit und stellen den Bürgermeister z.B. die Patrizierfamilie Blankenfelde. Die Kaufmannsfamilien bleiben in ihrer Gilde und schotten sich ab. Die Verbindungen zum Landesherren und Adel werden gepflegt. Die Berliner-Cöllner Patrizierfamilien, etwa 42, hatten Einnahmen aus 94 Lehndörfern.

Die Versorgung der Stadtbevölkerung erfolgte über die Landbauern, nicht organisierte Handwerker und den vier Gewerken. Wobei der Verkauf über die Wochenmärkte und Jahrmärkte erfolgte, alles nach festen Regeln und Zeiten. Je nach Stellung und Vermögen boten Händler ihre Waren im Kaufhaus, in festen Buden, auf Ständen, direkt vom Wagen oder sogar aus dem Korb an.[7]

Wie man sich vorstellen kann gab es große soziale Unterschiede. Die rechtliche Trennung zwischen Bürger[8]8 und Nichtbürger waren bezüglich sozialer Geltung gravierend für den Einzelnen. Der Berliner Totentanz [9]9der in der zweiten Hälfte des 15.Jahrhunderts in der Marienkirche entstand zeigt die einzelnen Stände in der Auseinandersetzung mit dem Tod, vierzehn aus dem geistlichen Stand, danach vierzehn aus dem weltlichen Stand. In den Prozessionsordnungen anlässlich kirchlicher Feste, in Berlin 1580 entstanden, wird die bürgerliche Gruppe wie folgt aufgezählt: an der Spitze Bürgermeister, Rats- und Gerichtspersonen sowie alte Geschlechter, in Abstand die vier angesehenen Handwerker und andere Reiche Bürger, an dritter Stelle die übrigen Bürger und Handwerker. Hausleute, Tagelöhner und Gesinde bilden den Schluss des Prozessionszuges.

Aus den Berliner Quellen lassen sich keine Rückschlüsse auf das Einkommen ableiten. Was herhalten könnte sind Steuerlisten und Luxusverordnungen, wobei eine Auflistung sehr willkürlich sein kann. Als Beispiel soll hier Hamburg aufgezeigt werden. Heinrich Reincke hat auf dieser Grundlage, zwar mit Vorsicht zubetrachten, fünf Gruppen eingeteilt.
Hier zitiert nach "Die Hanse" S.170-171:
"1. Die Reichen, die mehr als 5000 Mark lüb. besaßen (einige von ihnen kamen gegen 1500 auf 40.000) und sich aus den großen Kaufleuten und Rentnern zusammensetzten.
2. Die gehobene Bürgerschicht mit einem Vermögen von 2000-5000 Mark, zu denen die reichsten Brauer und Reeder, die mittleren Kaufleute und die Tuchmacher zählten.
3. Die Mittelschicht 600-2000 Mark, die aus der Mehrzahl der Bauer, kleinen Kaufleute, den wohlhabendsten Handwerkern, vor allem aus den Fleischern und den Goldschmieden bestand.
4. Den Kleinbürgern 150-600 Mark mit der Mehrzahl der Handwerksmeister und kleinen Brauer, die in Mietshäusern wohnten.
5. Schließlich die wirtschaftlich schwächste Gruppe, zu der die städtischen Angestelllten, die kleinsten Handwerker und die Gesellen gehörten, und die Tagelöhner, Träger und das Gesinde die ärmsten waren."
Fazit: Meine These ist, dass die Hanse für Berlin-Cölln wirtschaftlich (nicht die soziale Lage) von Vorteil war, dass
a) der Handel "europäisch" war,
b) die Versorgung der Bevölkerung mit hochwertiger Ware und
c) ein Wohlstand für mittelalterlicheVerhältnisse, für gewisse Bürger, vorhanden war.

Die Kehrseite der Medaille war, das die gesellschaftlich relevanten Patrizierfamilien an ihrem Erfolg die Gesamtheit der Bürger, politisch und sozial, nicht partizipieren liessen.
Dies führte dazu, dass die Selbständigkeit von Berlin-Cölln gegenüber dem Landesherren verloren ging.

"Berlin arm aber sexy." Dieser allgemein bekannnte Spruch eines regierenden Bürgermeisters von Berlin beschrieb den Zustand Berlins vor einigen Jahren.
"Berlin erfolgreich und reich." Dies konnte der Bürgermeister im 15.Jahrhundert von Berlin sagen.
Mögen diese allgemeinen Phrasen etwas platt klingen so haben beide eine Kernaussage, die meines Erachtens besagt: "Wird Handel nicht gefördert so wird die Stadt nicht erfolgreich sein".
Berlin vor mehr als 500 Jahren war erfolgreich!

Quellen und allgemeine Literatur

  • Berlinisches Stadtbuch, Neue Ausgabe, Berlin1883
  • Diedrich, Richard Hrsg., Berlin-Neun Kapitel seiner Geschichte, Berlin 1960 Walter de Gruyter & Co.
  • Dollinger, Philippe Die Hanse, neubearbeitet von Volker Henn und Nils Jörn Auflage, Stuttgart: Körner 2012
  • Fritz,D.Wolfgang, Die Goldene Bulle, Das Reichsgesetz des Kaiser Karl IV. vom Jahr 1356, Weimar, HermannBöhlhaus Nachfolger, 1978, Akademie der Wissenschaft der DDR Zentralinstitut für Geschichte
  • Hammel-Kiesow, Rolf, 2., überarbeitete Auflage, Hardcover Theiss Verlag 2015.
  • Kiesow, Gottfried, Wege zur Backsteingotik, Eine Einführung, Bonn: Dt.Stiftung Denkmalschutz 2003
  • Krüner,Friedrich, Berlin als Mitglied der Deutschen Hanse, Wissenschaftliche Beilage zum Jahresbericht des Falk-Realgymnasiums zu Berlin,Ostern 1897
  • Müller-Merens, Eckard, Berlin im Mittelalter-Aufsätze-, Nr.23, Hrsg. v.d.Gesellschaftenfür Heimatgeschichte und für Denkmalpflege Berlin im Kulturbund der DDR, Berlin 1987
  • Rathien, Jörg, Modul A, Die geschichtlichen Stadtgrundlagen A1, umfangreich überarbeitet und ergänzt von Bernd Fuhrmann, Fernuniversität Lübeck, 2009/2014
  • Schuchard, Christiane, Zu den Ersterwähnungen von Cölln und Berlin, Hrsg: Der Beauftragte des Senats von Berlin für die 750-Jahr-Feier 1987 in zusammenarbeit mit dem Landesarchiv Berlin, 1987
  • Winkler,Uwe, Die mittelalterliche Handelsstadt Berlin/Kölln. Die Doppelstadt von den Anfängen bis 1648, Märkisches Museum 750 Jahre Berlin, 1986

Einige unverbindliche Linkverweise:

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