Dr. Richard Béringuier – Vorsitzender des Vereins für die Geschichte Berlins von 1899 bis 1916
Siehe auch:
Gutachten zum Grabmal der Familie Richard Béringuier auf dem Alten Französischen Friedhof

Originales Schreiben von Béringuier. Von Dr. Herbert Voß, Vorsitzender Gesellschaft "Die Gesetzlose Gesellschaft zu Berlin" (gegr. 1809) an uns übersand [PDF - 1,1 MB]



beringuier-richardRichard Béringuier entstammte einer seit dem 18. Jahrhundert in Berlin ansässigen Hugenotten-Familie. Sein Urgroßvater Pierre Louis Béringuier wurde 1748 in Berlin geboren und war Mitinhaber einer Spezerei- und Materialhandlung. Durch Heirat wurde er Besitzer des Hauses Poststraße 11, Familienbesitz bis 1816. Der Urgroßvater war Mitglied der Ältesten der Kaufmannschaft von der Materialhandlung und nach Einführung der Städteordnung Stadtverordneter von Berlin. Nach seinem Tode 1810 wurde bei der Königlichen Eisengießerei eine große Grabtafel für sein Grabmal auf dem Kirchhof der Französischen Gemeinde in der Chausseestraße bestellt, eine der ersten Arbeiten der Berliner Eisengießerei. Das Grabmal ist erhalten.

Richard Béringuier wurde am 4. März 1854 im Hause Oranienstr. 107 als Sohn von Louis Béringuier und Anna geb. Tuch geboren. Sein Vater führte von 1852 bis 1860 die von seinem Schwiegervater Tuch übernommene Landkartenhandlung Simon Schropp. Sie wurde ab 1860 von seinem Onkel Dr. med. Leopold Ferdinand Béringuier bis 1878 fortgeführt, dann ging dieser in die Vereinigten Staaten.

Richard begann 1875 nach seinem Abitur am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium sein Jura-Studium und trat gleichzeitig in den Verein für die Geschichte Berlins ein. Er war schon als Schüler regelmäßiger Besucher der Vorträge des Vereins in der Aula des Grauen Klosters und klagte nach seinem Beitritt in einem Brief an den damaligen Vorsitzenden Louis Schneider, dass sich niemand um ihn als junges Mitglied kümmere. Somit begann die Zusammenarbeit mit dem rührigen Louis Schneider bis zu dessem Ableben Ende 1878.

Grabmal der Familie Richard Béringuier auf dem Alten Französischen Friedhof, Chausseestraße 127
Gutachten imAuftrag des Vereins für die Geschichte Berlins

Das in der Abt. I befindliche, kunsthistorisch bedeutende Grabmal für den Kaufmann Pierre Louis Beringuier (Berlin 10. Mai 1748 - 1. Juni 1810) wurde seitens des Landesdenkmalamtes Berlin vor wenigen Jahren durch die Fa. G. Ignaszewski restauriert und befindet sich in einem guten Zustand.

Hinter dem genannten Grabmal, jenseits eines schmalen Streifens Weg befindet sich in der Abt. I, Reihe 5, Nr. 3 (?) der Überrest der ehem. Familienstätte (Erbbegräbnisstelle) der Familie Richard Béringuier. Die Grabstätte wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt bis auf vier Kissensteine beseitigt. Der Zeitpunkt der Beseitigung hängt möglicherweise mit der zwischen 1927 und 1930 erfolgten Anlage des quer zum Feldraster des Friedhofs geführten Verbindungsweges zur neu errichteten Trauerhalle auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof zusammen. 1981 wurde auf einem Teil der ehern. Familiengrabstätte Beringiuer die Grabstätte der Küsterin Emma Sauermann (1901-1981) und ihres Sohnes Harald Maire (+1981) angelegt.

Die vier marmornen Kissensteine der ehem. Familiengrabstätte Béringuier wurden in vertikaler Anordnung übereinander gereiht in den Boden eingelassen. Ursprünglich befanden sie sich auf Grabhügeln aufgesetzt in horizontaler Anordnung. Die Inschriften weisen heute nach Süden und sind so vom Weg aus nicht lesbar. Ursprünglich waren die Inschriften nach Osten ausgerichtet, der aufgehenden Sonne zu (auferstehungsrelevant!) . Die Grabsteine sind verwittert, die Inschriften sehr schlecht lesbar. Eine rechteckige Marmortafel rechts hinter den vier Kissensteinen gehört möglicherweise auch noch zur alten Grabstätte, ist aber, da im Boden eingesunken, zurzeit nicht auf Inschriften zu prüfen.

Béringuier hielt seinen ersten Vortrag für den Verein am 24. 3. 1876 über das Thema „Geschichte der ersten Aktien-Gesellschaft in Berlin“, bis 1890 folgten mehr als 20 weitere Referate. Schneider gab die Anregung, sich mit der Geschichte des Berliner Zoologischen Gartens zu befassen. So erschien 1877 im Verlag Alfred Weile Béringuiers erstes Buch „Geschichte des Zoologischen Gartens in Berlin“. Er betonte später stets, er sei durch die liebenswürdige Art der Anleitung Schneiders für die Sache des Vereins gewonnen worden. Bereits 1881 wurde er in den Vorstand gewählt und erhielt 1885 für seine Verdienste die Fidicin-Medaille in Silber. Der Beitritt Theodor Fontanes zum Verein 1885 ist in der Hauptsache Béringuier zu verdanken.

Seiner Militärpflicht genügte er bei dem Garde-Kürassier-Regiment Kaiser Nikolaus I. von Russland (Brandenburgisches) Nr. 6 und wurde 1880 Leutnant der Reserve bei dem Brandenburgischen Train-Bataillon Nr. 3. Er war nach Aussagen seiner Zeitgenossen hohenzollerntreu, vaterlandsliebend und mit Leib und Seele Soldat.

Beruflich machte er sich einen Namen als Amtsrichter beim Königlichen Amtsgericht I. Alle, die mit ihm in amtliche Beziehung traten, rühmten die Art und Weise, wie er sich als Straf-, Prozess- und Konkursrichter oft der schwierigsten Aufgaben aufs glänzendste entledigte.

Sein außergewöhnliches Organisations- und Verwaltungstalent kam nicht nur unserem Verein zugute. So war er tätiges Mitglied im Verein „Herold“ und gab 1887 im Verlag des Vereins für die Geschichte Berlins sein Buch „Die Stammbäume der Mitglieder der Französischen Colonie in Berlin“ heraus. Im Auftrag der „Mittwochsgesellschaft“, einer geselligen Vereinigung der Mitglieder der Französischen Kolonie zu Berlin, stellte er die Kolonieliste von 1699 zusammen (Berlin 1888).

Seit 1889 war er Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt und 1890 Mitbegründer des Deutschen Hugenottenvereins, der sich 1998 in Deutsche Hugenotten-Gesellschaft e.V. (DHG) umbenannte. Im Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine wirkte er von 1885 bis 1891 als Geschäftsführer und Herausgeber des Korrespondenzblattes. Das Handbuch „Gesellschaft von Berlin“ des Jahres 1889 weist ihn zusätzlich aus als stellvertretenden Generalsekretär des Konsistoriums der Französischen Kirche und Ehrenmitglied der Huguenot society of London.

Im Jahre 1884 begründete er die „Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins“, die er bis 1891 redigierte. In der Reihe der „Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins“ erschienen 1890 von ihm die Bände 27 „Die Rolande Deutschlands – Festschrift zur Feier des 25jährigen Bestehens des Vereins für die Geschichte Berlins am 28. Januar 1890“ und 28 „Ausführliche Beschreibung der Feierlichkeiten aus Anlass des 25jährigen Bestehens des Vereins fürdie Geschichte Berlins“.

Seit seiner Wahl zum Vorsitzenden des Vereins am 14. Januar 1899 verzeichnete der Verein einen stetigen Zuwachs an Mitgliedern. Die „Mitteilungen“ von 1913 meldeten im August eine Mitgliederzahl von 1003 Personen. Im März 1914 feierte der Verein den 60. Geburtstag seines Vorsitzenden. Der Touristenklub für die Mark Brandenburg – die jetzige Landesgeschichtliche Vereinigung für die Mark Brandenburg – ehrte ihn mit der Verleihung der Fontane-Plakette. Zum 50jährigen Vereinsjubiläum 1915 erhielt Béringuier vom Protektor des Vereins – Kaiser Wilhelm II. – ein Telegramm mit einem Dank für die Arbeit des Vereins. Auf eine Feier wurde wegen der Kriegshandlungen verzichtet. Seit Herbst 1915 war der Vorsitzende als Kriegsfreiwilliger Leiter eines Etappen-Pferde-Depots in Russland und starb am 9. März 1916 unerwartet an einem Herzschlag im 62. Lebensjahr. Aus dem Großen Hauptquartier kam die Beileidsbekundung des Kaisers:
„Seine Majestät der Kaiser und König haben die Meldung von dem Hinscheiden des verdienstvollen, langjährigen Ersten Vorsitzenden des Vereins für die Geschichte Berlins, Majors und Amtsgerichtsrat Dr. Béringuier, mit lebhaftem Bedauern entgegengenommen und lassen dem Verein Allerhöchst Ihr herzliches Beileid aussprechen.“ Geh. Kabinettsrat v. Valentini

Am 17. März trugen zwölf Unteroffiziere den Sarg zur Gruft auf dem Französischen Kirchhof in der Chausseestraße. Eine Kompagnie des Garde-Train-Ersatzbataillons Nr. 3 gab das Ehrengeleit und die Trauersalve ab. Der Grabstein trägt die Inschrift „Er starb im Osten als Held fürs Vaterland“ Ein Sonderdruck der „Mitteilungen“ widmete sich dem Gedächtnis Béringuiers . Darin betonte Dr. Hans Brendicke: „Bei der hohen Bedeutung, die Dr. Béringuier in der Gesellschaft der Reichshauptstadt besaß, darf es nicht wundernehmen, dass neben den ehrenden Beileidsbezeugungen der Hofkreise die Vertreter der Staats- und der städtischen Behörden ihrer aufrichtigen Teilnahme Ausdruck verliehen.“

Der Grabstein unseres früheren Vorsitzenden hat nach mehr als 90 Jahren eine Restaurierung nötig. In der jetzigen Abt. I Reihe 6 des Kirchhofes erinnert an unveränderter Stelle die gusseiserne Grabplatte an seinen Urgroßvater Pierre Louis Béringuier. In der Reihe 5 liegen vier Steine zur Zeit senkrecht auf einer für die Familie reservierten Grabstelle, aber nicht mehr in der ursprünglichen Anordnung. Die Gräber waren ursprünglich nebeneinander in mehreren Reihen angelegt, Familiengrabstellen, in denen über mehrere Generationen die Angehörigen bestattet wurden. Nach dem Belegungsplan von 1910 lagen in der damaligen Reihe 42 eine 1893 totgeborene Tochter unseres Vorsitzenden, in der Reihe 43 u. a. der Großvater Christian (Chrétien) Béringuier und die 1891 verstorbene 1. Ehefrau unseres Vorsitzenden Anna geb. Steffens. In der Reihe 44 befanden sich u. a. die Gräber der 1860 bestatteten Großmutter Amalie, geb. Pauly (Pauli) und der 1896 verstorbenen 2. Ehefrau Claire, geb. La Quiante. Die Urne der 3. Ehefrau Therese (Thea), geb. Mittenzwei – verstorben in Pforzheim – wurde 1939 nach Berlin überführt und auch in unmittelbarer Nähe beigesetzt. Die jetzt noch nebeneinander liegenden vier Grabsteine erinnern an die 2. Ehefrau Claire, an Richard Béringuier, an die Großmutter Amalie Béringuier und ihren 1845 verstorbenen Ehemann Christian. Aus seinen ersten beiden Ehen mit den früh verstorbenen Ehefrauen Anna und Claire hatte unser Vorsitzender jeweils zwei Kinder, bevor er im Jahre 1902 seine Frau Thea verwitwete Beisiegel heiratete. Sein 1883 geborener ältester Sohn Raoul trat 1908 als Ingenieur der AEG dem Verein bei. Im Mitgliederverzeichnis von 1924 ist er nicht mehr aufgeführt.

Es war seit Gründung ein Anliegen unseres Vereins, in allen Bevölkerungsschichten das Interesse an der geschichtlichen Entwicklung Berlins zu wecken. Nach dem Ableben seines Vorsitzenden im Jahre 1916 dankte ihm der Vorstand für seinen unermüdlichen Einsatz für den Verein in 41 Jahren mit der Formulierung: „Was Richard Béringuier auf diesem Gebiet in unserer Mitte geschaffen hat, steht für alle Zeiten in den Annalen unseres Vereins mit goldenen Lettern eingeschrieben.“ Der Vorstand hat daher beschlossen, sich für eine würdige Wiederherrichtung einer Familiengrabstelle mit den genannten vier noch zu restaurierenden Grabsteinen einzusetzen.

Literaturangaben
Béringuier, Richard. In: Gesellschaft von Berlin, Jg. 1 1889/90, Berlin 1889 S. 26
Verein für die Geschichte Berlins (Verzeichnis der Mitglieder und der bisher gehaltenen Vorträge) Nr. 23. Berlin 1890 S. 38
Pierre Louis Béringuier. In : Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins (MVGB) 1906, S. 153 – 156, 1910 S. 67 – 69.
Brendicke, Hans: Aus dem Lebensgange unseres Ersten Vorsitzenden. In: MVGB 1914 S. 20 – 21.
Dem Gedächtnis Richard Béringuiers. MVGB 1916 Nr. 4.

Martin Mende

 

Die vier Kissensteine aus Marmor tragen die Inschriften, so weit lesbar, aufgeführt von Osten (unten) nach Westen (oben):


Die Steine sind fachgerecht zu reinigen. Dann ist zu entscheiden, ob und welche Steine kopiert werden müssen. Sollte ein und sollten mehrere Steine kopiert werden müssen, sollen die Kopien den Originalen exakt gleichen. Das Original oder die Originale sollen im Lapidarium Mausoleum Jordan auf dem Friedhof gesichert werden. Die restaurierten oder kopierten Kissensteine sollen auf der bisherigen Stelle in neuer Anordnung aufgestellt werden und zwar entweder je zwei nebeneinander und damit in zwei horizontalen Reihen (die beiden älteren Steine zusammen und die beiden jüngeren Steine zusammen), oder aber in vertikaler Anordnung, jedoch mit den Inschriften auf jeden Fall in Richtung Osten (ursprüngliche Anordnung und theologisch korrekt)! Die Steine sollen ein Ziegelsteinfundament erhalten und zwar jeder Kissenstein sein eigenes. Die Inschriften sind farbig und zwar dunkelgrau fachgerecht zu hinterlegen. Die rechteckige Marmorplatte ist zu untersuchen und gegebenenfalls zu integrieren. Eine Einfassung ist nicht vorzusehen. Eine Rasenbegrünung ist ausreichend.

Dr. ]örg Kuhn, Salzburger Str. 6, 10825 BerUn, Tel. 030 - 4531345